Oleander7 schrieb am 24.08.2019:Fraukie schrieb:
Halte ich für weit hergeholt.
Er hat nicht gezögert seinen Freunden gegenüber die Geschichte von bezahlten Schlägern zu erzählen.
Dass er dem Essen gegenüber misstrauisch war wurde aber nie erwähnt.
Stimmt, manche Ängste hat er erwähnt. Aber andere vielleicht eben nicht.
Hätte er auch nicht erwähnen müssen.
Angst vor vergiftetem Essen schließe ich aus, weil das was er gegessen hat dazu so ganz und gar nicht passt.
Seine Freunde sagten er habe wenn überhaupt mal einen Salat, eine Suppe oder sowas gegessen.
Jemand der Angst hat, dass sein Futter vergiftet ist würde in einen Supermarkt oder ein anderes Geschäft gehen und sich irgendwelche Nahrung holen die abgepackt ist.
Ne Packung Kekse, Salzstangen, eins dieser eingeschweissten Sandwiches, sowas halt, aber er würde keine Salate und Suppen bestellen, die da irgendwo offen rumlagen (falls das nu nen Salat von nem Buffet ist) bzw jemand anderes in einer Restaurantküche, also außerhalb seines Sichtbereiches zubereitet hat.
Und wie gesagt gibt es grade unter den Umständen unzählige, völlig banale Gründe warum er so wenig Appetit hatte, die Möglichkeit, dass ihm das Essen dort einfach nicht geschmeckt hat eingeschlossen.
Oleander7 schrieb am 24.08.2019:Trotzdem könnte aber auch hier ein Hinweis auf ein psychotisches Symptom vorliegen.
Ich muss einfach mal zugeben, dass ich diesen Drang einem wildfremden Menschen eine Diagnose aufzudrücken, die selbst ein entsprechend ausgebildeter Fachmann nicht stellen könnte ohne die betreffende Person selbst zu untersuchen, super, super schräg finde.
Wenn Dich ein Freund besucht und es ist so schwüles, drückendes Sommerwetter und Dein Besuch wacht am morgen auf, klagt über Kopfschmerzen und ggf auch über Übelkeit.
Dann wirst Du den doch auch nicht ins Krankenhaus schleifen und dort darauf bestehen, dass Übelkeit auf nüchternen Magen doch auf einen Hirntumor hinweisen muss?
Manchmal ist etwas das läuft wie eine Ente und so aussieht eben auch nur eine Ente.
Manche Menschen reagieren mit Kopfschmerzen und Übelkeit auf drückendes Wetter, manche mit Appetitlosigkeit auf Hitze und wieder andere mit heftiger Nervosität sobald sie eine Situation nicht so im Griff haben wie sie es gewohnt sind.
Ich seh einfach keinen Nutzen darin da nun auf Teufel komm raus eine Psychose ins Spiel zu bringen, das ist immerhin eine ernsthafte Diagnose, die kein Arzt der Welt aufgrund von Zeugenaussagen und Videotapes stellen sollte.
Oleander7 schrieb am 24.08.2019:Würde sich einfach schlüssig in die Abläufe nach der Schlägerei einordnen lassen...
In meinen Augen ist das eben gar nicht schlüssig.
Den Berichten nach schwankt Lars den gemeinsamen Urlaub über primär zwischen völlig normalem Verhalten und solchen, das mir bei einem Mann seines Alters als außerordentlich kindisch erscheint und mich einen gewissen Hang zur Dramaqueen erkennen lässt, aber da seine Freunde das explizit nicht als außergewöhnlich angeben war das vielleicht einfach sein Charakter.
Unsicher und etwas seltsam wirkt er auf seine Freunde erst als der Tag der Abreise naht und ihm die (berechtigte) Überlegung kommt ob seine Schmerzen nicht auf eine Verletzung im Ohr hinweisen könnten, die es ggf gar nicht so clever macht ins Flugzeug zu steigen ohne das vorher untersuchen zu lassen.
Als seine Freunde abgereist sind ist er nicht nur alleine in einem fremden Land, sondern auch von dem einzig existierenden Plan abgerückt und muss sich nun einen Neuen aus dem Ärmel schütteln, das fällt nicht jedem leicht.
Sein erster Plan geht auch direkt schief, denn er wird im Krankenhaus nicht stationär aufgenommen, muss deswegen ziemlich in Echtzeit umplanen und auf ein kleines Hotel ausweichen, dass wohl eher einer Jugendherberge ähnelt als dem Hotel in dem er während seines Partyurlaubes untergebracht war.
Er sucht 3 verschiedene Ärzte auf, meiner Erfahrung nach tun Leute das in seiner Situation entweder weil sie das Gefühl haben das etwas übersehen wurde oder (mein Tipp in diesem Fall) hoffen, dass der nächste Arzt die Diagnose des anderen Arztes revidiert, ihm einen guten Flug wünscht ohne Bedenken zu äußern und ggf dazu rät daheim nochmal einen Arzt aufzusuchen wenn die Beschwerden nicht besser werden.
Dummerweise sind sich aber alle Ärzte einig:
Er hat einen Trommelfellriss, der schlimm genug ist um ihm davon abzuraten damit zu fliegen, aber nicht so schlimm, dass er nicht auf eigenes Risiko fliegen dürfte.
Für manche Leute ist sowas, dass ihn zwingt selbst eine Wahl zu treffen schwerer zu verpacken als eine klare Ansage "Nee, damit kommste nicht ins Flugzeug, nimm nen Bus, wir sind hier ja nicht in Ägypten."
Ich bin weder vom Fach noch kannte ich Lars, aber für mich passt das alles eher zu jemandem, der mit der Gesamtsituation überfordert ist und keine Psychose, die ihn erst dazu verleitet nachts aus dem Hotel zu fliehen, sich dann im Flughafen über Stunden hinweg völlig normal zu verhalten um dann wieder die Überhand zu nehmen grade genug dass er wegrennt und grade zu wenig um in dabei wirklich panisch aussehen zu lassen.
EclipseFirst schrieb:Ich teile Deine pragmatische Sicht auf die Dinge. Man muss einfach berücksichtigen, dass all die "Merkwürdigkeiten" erst dadurch Bedeutung erhalten haben, dass Lars Mittank spurlos verschwand.
Exakt.
Wenn man die Aussagen von den Freunden, den Ärzten und der Mutter nicht nur miteinander verbindet, sondern auch noch im Kontext seines Verschwindens betrachtet, dann entsteht das was man als "Beifahrereffekt" kennt.
Lars Mutter wusste nichts von dieser angeblichen Schlägerei, die Freunde nicht, dass er in ein kleines, ihm irgendwie unheimlichen Hotel ausweichen musste, oder der Story mit den "nächtlichen Verfolgern", die Ärzte wussten von all dem nichts und keiner hat gewusst, dass es so tragisch "enden" würde.
EclipseFirst schrieb:Ich vermute wie Du ein falsch-positives Ergebnis.
Wäre wie ich bereits schrieb nicht das erste Mal, dass so ein Hund nur irgendeinem gemeinsamen Merkmal oder gar der ersten, menschlichen Spur die er in dieser Pampa überhaupt findet nachläuft.
EclipseFirst schrieb:Vielleicht tun wir dem Hund aber auch Unrecht, und Lars hat es tatsächlich bis zur Autobahn geschafft.
Dann hätten sich aber meiner Meinung nach viel mehr Zeugen melden müssen, die ihn da gesehen haben, nicht nur weil das auffällt, sondern grade weil seine Mutter dafür gesorgt hat, dass sein Verschwinden dort so publik ist wie nur irgend möglich.
EclipseFirst schrieb:Es wurde im fraglichen Areal kein Leichnam gefunden. Hat man einen gesucht?
Jain.
Immerhin waren sie mit nem Suchhund, vermutlich einem Mantrailer da und so engagiert wie Lars Mutter ist kann ich mir nicht vorstellen, dass dort nicht irgendwie gesucht wurde.
Allerdings ist das Gelände so beschaffen, dass es kein Problem ist wenige Meter an sterblichen Überresten vorbei zu laufen ohne sie zu bemerken.
EclipseFirst schrieb:Ein Leichenspürhund hätte eine unabgedeckt herumliegende Leiche, noch dazu bei den sommerlichen Temperaturen, mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit erschnüffelt.
Soweit ich weiß wurde das Gebiet erst eine ganze Weile nach seinem Verschwinden abgesucht.
Ich denke zwar auch, dass die Erfolgsaussichten mit einem Leichenspürhund besser gewesen wären, aber auch der gibt keine Garantie.
In dem Gelände ist selbst das schwierig und wenn ich mich recht erinnere wurde das Gebiet erst durchsucht als er schon einige Wochen verschwunden war.
Grad im Sommer arbeitet die heimische Flora und Fauna da recht schnell.
Bakterielle Besiedlung bring so ein Körper ja selbst mit, Insekten können ungestört in kürzester Zeit aktiv werden. Aasfresser füllen sich meist nicht nur den Bauch, sondern schleppen den Teil den sie gerne haben möchten auch gerne weg.
Zu viele Tiere beschließen, dass Haare und Kleidung super geeignet sind um ihren Bau/ihr Nest auszupolstern und die Pflanzenwelt überwuchert den Rest.
Das Gebiet ist eh zu groß um es mit einem Hund sorgfältig abzusuchen, da bräuchte es mehrere und aus den oben genannten Gründen ist ein Zustand in dem eine Entdeckung durch suchende Menschen oder gar Hunde immer unwahrscheinlicher wird verhältnismäßig schnell erreicht.
EclipseFirst schrieb:Wirkt das wirklich wie "Panik" oder wie "Flucht" auf Dich?
Dazu kann ich nichts sagen, weil ich Lars nicht kannte und Menschen da sehr unterschiedlich sind im Hinblick auf das was sie sich ansehen lassen.
Hinreichend sicher bin ich nur, dass Lars nicht weglief, weil er sich verfolgt fühlte, denn auf den öffentlich zugänglichen Aufnahmen schaut er sich kein einziges Mal um.
EclipseFirst schrieb:Wirkt er wirklich so, als sei er im psychotischen Sinne verwirrt / nicht voll steuerungsfähig?
Er wirkt definitiv nicht als sei alles in Ordnung, aber das ein Mensch der sich nicht in irgendeiner Form von Ausnahmezustand ist sich nicht so verhält haben wir bereits etabliert.
Ich finds nur fragwürdig, da direkt eine Psychose reinzuinterpretieren und zwar nicht nur, weil ich selbst für einen Fachmann nicht genug Hinweise sehe um eine Diagnose zu stellen, sondern weil eine Psychose, die ganz plötzlich auftaucht und dann immer mal einige Stunden "Pause macht" in meinen Augen nicht viel Sinn ergibt.
Zumal meiner Ansicht nach auch seine "Flucht" erst wirklich seltsam war, als er auch außerhalb des Gebäudes immer weiter rannte.
Das einem nervösem Menschen mal die Nerven durchgehen und er aus einem Arztzimmer rennt, einfach weil er mal eben raus aus der Situation will.
Das mag bei einem erwachsenen Menschen zwar seltsam anmuten, ist aber tatsächlich gar nicht so ungewöhnlich.
Die Gesamtsituation wurde ihm zu viel, also entzieht er sich dieser indem er erstmal abhaut.
Üblicher Weise würde dann aber auch (sogar recht zügig) der Punkt erreicht sein an dem ihm klar wird, dass die Situation sich nicht von alleine löst und kein Weg daran vorbei führt zum Flughafen zurückzukehren und sich der Lage die nervig aber nicht aussichtslos ist zu stellen.
Ich möchte Lars hier ganz bestimmt nicht als Muttersöhnchen hinstellen oder auch nur andeuten, dass ein enges Verhalten zwischen bereits erwachsenen Kindern und ihren Eltern etwas Falsches ist.
Aber wenn ich mir anschaue ab wann Lars zunehmend hilfloser gewirkt hat, dass er da auch anfing dauernd seine Mutter anzurufen, die nicht nur in der Nacht in der er vor vermeintlichen Verfolgern floh seine Kreditkarte sperrte, ihm sagte was zu tun ist, sich um die Buchung von Flug- und Busticket kümmerte...
Dann beschleicht mich einfach mal der Verdacht, dass Lars auch deswegen so verstört wirkte und derart überreagiert hat, weil er es nicht unbedingt gewohnt war Probleme selbst zu lösen und komplexe Dinge selbst zu handhaben, sondern sich bei sehr vielen Dingen immer noch auf seine Mutter verlassen hat und auch deswegen wegen vermeintlichen Kleinigkeiten nervös wurde und sich da erheblich reingesteigert hat.
EclipseFirst schrieb:Hätten die Kosten den Betrag überschritten, den Lars bei sich trug, hätte die medizinische Einrichtung Nachforschungen angestellt, um nicht auf den Kosten sitzenzubleiben.
Das denke ich eben auch.
Hier wird Bulgarien ja manchmal fast schon als schwarzes Loch dargestellt und geschrieben, dass man dort auf Nimmerwiedersehen in zwielichtigen psychiatrischen Anstalten landet.
Meiner Erfahrung nach holen die aber ihr Geld auch nicht aus einer großen Truhe im Keller.
Erfahrungsgemäß sind es
grade die unseriösen Einrichtungen, die sicherstellen, dass die Kosten gedeckt werden und durchaus auch mal jemanden trotz deutlicher Indikation wegschicken, weil die Kostendeckung nicht garantiert ist.
Aber wenn sie jemanden wie Lars in ihrer Obhut haben, also mitkriegen, dass er aus Deutschland kommt, dann könnte es zwar passieren, dass sie versuchen die Angehörigen davon zu überzeugen, dass er dringend noch eine Weile da bleiben muss, aber eben nur, weil sie mit den Angehörigen ja auch die gefunden haben die für das Begleichen der entstehenden Rechnungen sorgen werden.
falstaff schrieb:Die einzige Erklärung die ich für die merkwürdige Flucht aus dem Flughafen habe ist, dass ihm plötzlich alles zuviel wurde und er unbedingt alleine sein wollte.
Ich bin zwar stets erfreut, wenn ein Ermittler nicht automatisch annimmt, dass die einfachste Antwort auch immer die Richtige ist, aber manchmal ist es eben so.
Um nach seiner "Flucht" in der Pampa umzukommen brauchte Lars leider keine "Verfolger", keinen unheimlichen Fremden oder so, sondern kann an den Folgen eines ganz banalen Unfalls und/oder an den Folgen eines Hitzekollapses verstorben sein.
Und ganz genauso braucht es auch keine Psychose um so zu handeln wie Lars es getan hat, es reicht völlig, wenn er wie Du schreibst mit der Gesamtsituation völlig überfordert war (er schien es ja gewohnt zu sein, dass seine Mutter ihm organisatorische Aufgaben abnimmt) und dann eben dem Impuls "erstmal weg hier" gefolgt ist.
Das passiert täglich, massenweise, dass psychisch gesunde Menschen sich überfordert fühlen und vor der Situation erstmal davon rennen, nur kommen die meisten recht zügig wieder.
Aber wenn dann zwischen der angetretenen "Flucht" etwas passiert bevor das Gehirn wieder im "problemlösemodus" war irgendwas passiert, dann ist diese Rückkehr halt manchmal nicht mehr möglich.