Gedanken zum Doppelmord in Babenhausen
Die Zahnärztin der Familie Toll wird so zitiert, dass "sie sich vorstellen könne, er habe aus dem Leben scheiden und seine Frau und Tochter nicht alleine zurücklassen wollen."
Es gibt weitere Hinweis (z.B. in der Beschreibung der Familiensituation im Urteil), die die Überlegungen einer ehemaligen Staatsanwältin (siehe am Ende dieses Beitrages) stützen.
In meinem Beitrag werfe ich einige Fragen auf, die möglicherweise in den nicht zugänglichen Ermittlungsakten beantwortet werden. Fragen, die bedeutsam sind, wenn man Zweifel an dem im Urteil, zum Teil in poetischer Manier, beschriebenen hat.
Meine Überraschung, die die Aussage der Zahnärztin auslöste, resultiert daraus, dass ich zuvor, auf hunderten von Seiten (auf all mystery, im Urteil oder auf der HP von A. Darsow) nichts dazu gelesen habe (vielleicht auch übersehen) habe.
Man findet z.B. auch wenig aussagekräftiges zum Vorleben von Familie Toll oder Familie Darsow. Eine überzeugende Charakterisierung erfolgt weder für die Opfer noch für den als Täter verurteilten oder dessen Familie.
Klar, hier sind Persönlichkeitsrechte / Datenschutz relevant. Für die Klärung der Frage, wer noch ein Motiv hatte die Familie auszulöschen liegen leider sehr wenig Informationen vor. Das spricht jedoch nicht dagegen diese Fragen zu stellen.
Wenn man unvoreingenommen an den Fall heran geht und nach Entlastendem bzw. anderen Möglichkeiten/Ursachen für die Tat sucht, dann kommt man zwangsläufig dazu, sich zu fragen, wer die Beteiligten eigentlich waren.
Und hierzu gibt es für den Interessierten sehr wenig Information.
Umso mehr wundert mich, dass bisher ausführlichere Darstellungen zu plausiblen anderen Tatmotiven bzw. -hergängen fehlen. Darstellungen, die natürlich Hypothesen wären, jedoch mögliche andere Ermittlungswege aufzeigen könnten. Die dazu führten könnten, dass NEUES auftaucht.
Dem Urteil kann man entnehmen, dass die Ermittler zahlreichen Spuren gefolgt sind (u.a. Pizzabote, Rockermilieu, Konkurrenz im Immobiliengeschäft).
Leider sind die enstprechenden Ermittlungsakten nicht einsehbar. Der NSU-Prozess hat jedoch deutlich gezeigt, dass Ermittler "auf einem Auge blind" sein können, was im Übrigen auch für mich gilt. Dies kann und möchte ich den Ermittlern im vorliegenden Fall nicht unterstellen, jedoch als Möglichkeit muss es in Betracht gezogen werden. Allein schon, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, aufgrund diverser Ungenauigkeiten / Widersprüchlichkeiten, z.B. im Urteil.
Versucht man durch eine Internetrecherche herauszufinden, wer Klaus Toll war, findet man u.a. die folgenden vier Informationen:
1) „Die Geschäftsbeziehungen des vor rund zehn Jahren nach Babenhausen gezogenen Immobilienmaklers und seiner Familie wurden überprüft – nichts dabei, was den Polizisten weiterhelfen könnte.“
Quelle: OP-Online v. 10.09.2009: „Polizei rätselt über das Motiv“
http://www.op-online.de/lokales/nachrichten/babenhausen/polizei-raetselt-weiter-ueber-motiv-463457.htmlMan erfährt also, dass Herr Toll etwa 1999 nach Babenhausen gezogen sein soll.
Fragen:
- Wo lebte er vorher?
- Warum ist er nach Babenhausen gezogen?
- Wo war er vorher tätig?
- Wie lange ist er als Immobilienmakler tätig?
2) www.toll-immo.de
Unter
http://www.youbuy.com/babenhausen/klaus-toll/klaus-toll---friedrich-ebert-str--36 wird eine HP mit www.toll-immo.de angegeben und als Adresse wid genannt: Friedrich-Ebert-Straße 36, 64832 Babenhausen.
Das ist die Adresse in der die Taten begangen worden sein sollen.
Auf einem Snap-Shot dieser HP von 2007 steht:
"20 Jahre am Markt, professionell, seriös, diskret. Vertrauen Sie darauf."
Aus der HP von 2009:
„Liebe Besucherinnen, liebe Besucher,
um Ihnen die Internetarbeit zu erleichtern, verzichten wir auf "chi-chi", wie Referenzen, Gästebücher, Lobhudelei, etc.
Klicken Sie gleich auf das Wesentliche: Unsere Angebote“
3) Unter
http://www.quadratmeter.net/immobilien-aumann-gmbh-in-babenhausen-43154 (Zugriff am 30.03.2014, 15:54 Uhr) steht, unten auf der Seite, ein Link zu „Klaus Toll“ (mit alter Anschrift):
"andere Firmen aus diesem Ort:
• Klaus Toll
• Jeannette Ritter
• Günter Rickert
• Aumann GmbH
• Manfred Willand
Firma: Klaus Toll
Straße: In den Steinäckern 12
PLZ: 64832
Ort: Babenhausen
Bezirk: Darmstadt-Dieburg
Bundesland: Darmstadt
Tel.: 06 073 - 2037"
4) Eine andere Quelle weist aus:
"Klaus Toll
Jetzt Ihr Firmenprofil vervollständigen
Immobilienmakler und Immobilienbüros Babenhausen
• Adresse: In den Steinäckern 12
PLZ/Ort: 64832 Babenhausen
• Telefonnummer: 06073/2037
Dies ist das Profil von Firma Klaus Toll aus Babenhausen Klaus Toll ist seit dem 01.01.90 auf dem Marktplatz Mittelstand eingetragen und ist im Firmenverzeichnis Babenhausen hinterlegt. Im Branchenbuch Babenhausen ist Klaus Toll eingetragen unter den Branchen: Immobilienmakler und Immobilienbüros Doppel mord Ehepaar Babenhausen. Die letzte Änderung erfolgte am 01.01.90 Klaus Toll hat keine Coupons und Angebot eingestellt. Klaus Toll wurde noch nicht bewertet."
Quelle:
http://www.marktplatz-mittelstand.de/babenhausen-hessen/11890860-klaus-toll<< Zusammenfassung:
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Die 1) Quelle zeigt, dass seitens der OP schlecht recherchiert wurde. Vermutlich hat der Redakteur das Einzugsdatum in die Friedrich-Ebert-Straße 36 auch als Zuzugsdatum angenommen..
Die Quellen 2) bis 4) legen die Vermutung nahe, dass Herr Toll mindestens seit 1987, also mehr als 20 Jahre in Babenhausen arbeitete.
Diese Recherche zeigt, dass man als Aussenstehender zu wenig zuverlässige Informationen hat und, dass man vorliegenden veröffentlichten Informationen nicht trauen kann.
So ist es z.B. ein Unterschied, ob ein Unternehmen seit 10 oder 20 Jahren an einem Geschäftsort tätig ist. Vor allem im Hinblick auf die Bekanntheit am Ort. Und natürlich gewinnt ein im Wettbewerb stehendes Immobilienunternehmen in einer so langen Zeit nicht nur Freunde.
Zudem: Das Alter von Klaus Toll wird für 2009 mit 62 Jahren angegeben.
Angenommen er war seit 1987 in Babenhausen tätig, dann wäre er mit 40 Jahren zugezogen. Was hat er vorher gemacht? Wo wohnte er? Warum sprach er mehrere Sprachen?
Die Vorarbeiten zum Wieder-Aufnahme-Verfahren werden auch den Versuch umfassen, ein Profil von Herrn Toll (und z.B. auch Herrn Darsow) zu erstellen.
Dabei wird es z.B. auch darum gehen, festzustellen, ob Herr Toll weitere Kinder hatte und, wie sich die Schenkung der Großmutter, immerhin 300.000,- DM auf die Familie und Verwandschaft ausgewirkt haben könnte.
Logischer Weise gehören dazu auch der Ausbau der im Urteil zu findenden Beschreibung der Familie Toll (ab S. 3, 2. Absatz).
Oder das Lotto spielen (S. 6, unten):
„Zudem spielte Klaus Toll über eine Zeitraum von fast 10 Jahren trotz der negativen finanziellen Veränderungen für ca. 2.000,00 E im Monat Lotto, ohne jemals einen größeren Gewinn erzielt zu haben.“
Wo kommen diese Informationen?
2.000 x 12 Monate = 24.000,-
24.000 x 10 Jahre = 240.000,-
Vermutlich wurden diese Ausgaben aus den "ca. 300.000 DM" (S. 7, 4. Zeile) bestritten, die "Astrid Toll zu Lebzeiten ihrer Großmutter von dieser überschrieben bekommen hatte".
(Frage: Von der Großmutter mütterlichseits (diese hatte keine Geschwister) oder väterlicherseits (der drei Geschwister hatte)?)
Oder die Information zu den Schlafgewohnheiten:
„Zuletzt lebten und schliefen sie in getrennten Bereichen des Hauses.“ (S. 7, Ende des 1. Absatzes)
„… kam es zu erheblichen Konflikten innerhalb der Familie und insbesondere zwischen den Eheleuten Klaus und Petra Toll …“ (S. 7, 2 Absatz, ab 4. Zeile).
<< Das Urteil - mehr Schein als Sein?
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Zudem sind im Urteil zahlreiche Stellen enthalten, die ungenau sind bzw. Fragen aufwerfen, die bisher (für die Öffentlichkeit) nicht beantwortet sind.
Im folgenden führe ich z e h n Beispiele, wobei im Urteil wesentlich mehr Beispiele zu finden sind.
1) Seite 12, 2. Absatz:
„Da er aufgrund seiner Bundeswehrzeit mit dem Schießen von Waffen vertraut war …“
Ich war ein Jahr länger beim Bund und würde nicht behaupten, 18 Jahre später noch mit Schusswaffen vertraut zu sein. Dazu gab es zu wenig Schießübungen.
Zwischen dem Ausscheiden aus der BW und dem Mord liegen bei Herrn Darsow ca. 18 Jahre
2) S. 18. Anfang zweiter Absatz
„An einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 16.04.2009 führte der Angeklagte an einem unbekannt gebliebenen Ort einen geheim gehaltenen Beschusstest mit der Pistole durch, um zu sehen, ob der Schalldämpfer funktionierte.“
Woher weiss das Gericht das?
Warum wird das nicht als Vermutung gekennzeichnet?
3) S. 18: Letzter Absatz, 3. Zeile von unten
„In der Nacht vom 16.04.2009 zum 17.04.2009 begab sich der Angeklagte entsprechend seines Planes in den frühen Morgenstunden, jedoch vor 04.00 Uhr morgens bei vollkommener Dunkelheit, von dem ...“
Nach dem Mondkalender war Halbmond, abnehmend: herrscht dann wirklich vollkommene Dunkelheit?
4) S. 19, 3. Zeile
„ Dabei führte er die Pistole Walther P 38 mit dem darauf (sicher) befestigten selbstgebauten Schalldämpfer bei sich.“
Warum „(sicher)“ als Ergänzung?
5) S. 19, Letzter Satz:
„Bei diesem Vorhaben war ihm die Niedrigkeit seiner Beweggründe (weiterhin) stets bewusst“
Behauptung!
Erweckt den Eindruck als habe der Angeklagte gestanden.
6) Seite 30, Ende des 2. Absatzes (5. Zeile von unten)
Hier wird statt Astrid „Petra Toll“ als im Garten liegend beschrieben, während es zwei Zeilen weiter richtig beschrieben wird.
Warum ist dieser Fehler im Urteil?
7) Seite 55: Ende 1. Absatz
„Klaus Toll ... unversehens in den Lauf der Pistole seines Angreifers,des Angeklagten, blicken musste.“
Wenn der Täter einen Schalldämpfer (PET-Flasche) nutzte, dann sah das Opfer nicht den Lauf einer Pistole, sondern einen Flaschenboden.
Hier zeigt sich, dass der Schreiber des Urteils die Fakten ignoriert. Sonst hätte er hier anders formulieren müssen und sowohl die Option des in den Lauf blicken als auch die Option <sah einen Flaschenboden" vor sich, verwenden müssen.
8) Seite 65: Ende 2. Absatz
Falsche Jahreszahl: „17.04.2011.“ 2009 müsste es heissen
Flüchtigkeitsfehler? Musste das Urteil unter Zeitdruck geschrieben werden.
Wurden auch andere Fakten unter Zeitdruck geschildert?
9) Seite 66, 2. Absatz, ab 2. Zeile
Die Verkäuferin im Edeka Markt gibt an, Herrn Toll um 08 Uhr (wie jeden Freitag) gesehen zu haben.
Fragen:
Hatte Herr Toll einen Zwillingsbruder?
Hat Herr Toll einen Sohn? Sieht der Sohn von Hr. Toll aus wie sein Vater?
Würden die vorgenannten als Mörder in Frage kommen?
Warum aber sollte einer der vorgenannten dort einkaufen: Zufall?
Ist es das nächstgelegene Geschäft?
Ist das Geschäft leicht auffindbar? An einer Straße?
10) Seite 67. 3. Absatz: Abkleben des Sensors
Wie große muss man sein, um an den Sensor zu kommen?
Herr A.D. ist 1,82 m.
Hätte er eine Leiter gebraucht?
Seite 71: 5. Zeile: „ca. 1,80“
Wie groß ist Herr A. Darsow? In AllMystery stand 1,82.
Warum erfolgt im Urteil keine genaue Angabe?
Wurde Herr Darsow nicht erkennungsdienstlich behandelt?
<< MEINE SCHLUSSFOLGERUNG
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Das Wiederaufnahmeverfahren ist berechtigt. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die plausibel dargestellte Tatversion, wirklich die einzig mögliche ist. Um nicht falsch verstanden zu werden: Zur Frage, ob Herr Darsow schuldig oder unschuldig ist stelle ich keine Vermutung an.
<< SCHLUSS
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Frau Wolff (Staatsanwälting a.D.) hat folgendes zum Fall gesagt:
<< gabriele wolff am 27.03.2014, 14:41 Uhr
„Allzu schnell hat das Gericht auch die Hypothese eines von Klaus Toll bestellten erweiterten Suizid vom Tisch gewischt. Diese dysfunktionale Familie, die einander aber brauchte, steuerte auf eine Katastrophe zu, nicht zuletzt auch auf eine wirtschaftliche. Der Vater hatte immer beteuert, daß für seine Tochter vorgesorgt sei, wenn die Eltern nicht mehr da wären. Das stimmte aber nicht, und mittlerweile konnte er nicht einmal selber mehr die Familie ernähren.
Das Argument, es fehle an auffälligen Kontobewegungen, die die Bezahlung des Auftragsschützen belegen könnten, reicht nicht aus, schließlich gab es noch das Schließfach mit Bargeld, und niemand weiß, wieviel Geld sich dort einmal befunden hat und wann wieviel dort abgeholt worden ist. Dieses Szenario würde jedenfalls begründen, warum auch die Tochter sterben sollte. In dem vom Gericht für den Angeklagten entworfenen gibt es dafür keinen Grund.“
http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/12/28/der-fall-mollath-die-irrwege-der-psychiatrie-3/comment-page-5/