jaska schrieb am 27.09.2019:Strates Erwiderung wirkt trotzig und stur. Klingt für mich irgendwie so, als wäre man für die nächste Instanz schon bereit und warte jetzt nur noch auf die sichere Ohrfeige in Form der abschließenden Ablehnung des Gerichts.
Ich habe mir Strates Beschwerdebegründung vom 12.09.19 durchgelesen.
Strate hat mMn. -rein juristisch betrachtet- in einem Punkt eventuell recht. Und da kann ich dann auch ein bisschen verstehen, dass er auf seinem Standpunkt beharrt und eine konkrete Erwiderung zu seinen Argumenten verlangt. Das bringt ihn aber nicht weiter.
Soweit er bemängelt, das LG Kassel habe sich nicht mit vorgetragenen neuen Tatsachen auseinandergesetzt, stimmt dies, da das LG das Vorliegen neuer Anknüpfungstatsachen bereits grundsätzlich mit dem Hinweis verneint hat, dass es sich dabei abermals um Beschusstests handelt.
Aber reicht das wirklich? Müsste man nicht doch genauer hinsehen und prüfen, ob eine Neuheit auch bei gleicher Art der Beweise dadurch gegeben ist, dass die alten nicht richtig oder nicht vollständig angesehen wurden bzw. durch eine weitere Testreihe mit anderer Anordnung widerlegt wurden (so Strates Argumentation) und das Gericht deshalb zu einer Fehlinterpretation (bzgl. der Bauschaumverteilung als weiteres Indiz für die Verwendung eines entsprechenden Schalldämpfers) kam? Muss das Gericht bei so einem Sachverhalt neue Tatsachen in Betracht ziehen und diese entsprechend auf Geeignetheit prüfen? Ich meine ja.
Strate verweist da zu Recht auf den Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16.05.2007 – 2 BvR 93/07.
„… wenn die Gerichte die prozessrechtlichen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung so eng auslegen, dass ihnen eine sachliche Prüfung derjenigen Fragen, die ihnen vorgelegt worden sind, nicht möglich ist und das vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel deshalb nicht erreicht werden kann (….). Nichts anderes gilt für den Fall, dass ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung unvertretbar eng auslegt oder faktisch entsprechend verfährt (…).
An der Entscheidung des Landgerichts Köln hatte es alsdann folgendes moniert:
„Der Beschwerdeführer hat - mit neuen Tatsachen unterlegt - geltend gemacht, dass sich die von der erkennenden Strafkammer des Landgerichts Aachen festgestellte Schussreihenfolge nicht halten lasse. Der erste Schuss könne nicht in den Rücken des Opfers eingedrungen sein. Würde diese Behauptung zutreffen, hätte dies die Konsequenz, dass sich die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Mordes mit der Begründung des Landgerichts Aachen nicht mehr halten ließe, da dieses gerade wegen des Schusses in den Rücken eine Heimtücke angenommen hat. Das Landgericht Köln hat im Wiederaufnahmeverfahren dieses Vorbringen aber lediglich unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, dass die benannten Sachverständigen keine neuen Beweismittel seien. Eine Prüfung des Vortrages des Beschwerdeführers, ob dieser auch neue Tatsachen enthält, hat das Landgericht nicht angestellt. Es hat damit den Vortrag des Beschwerdeführers nur einer unzulänglichen Bewertung zugeführt und mit der Nichtberücksichtigung des Gesichtspunkts, der Vortrag des Beschwerdeführers enthalte auch diesbezüglich neue Tatsachen, das Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers nicht in dem gebotenen Maße erfasst. Damit aber ist das Wiederaufnahmeverfahren in einem zentralen Punkt entwertet worden, so dass dem Beschwerdeführer ein effektiver Rechtsschutz nicht zu Teil wurde.“
Quelle:
https://strate.net/verfahren/wiederaufnahmeverfahren-fuer-andreas-darsow/Das Gericht hätte also die Tatsachen auf ihre Beweiskraft (Geeignetheit) prüfen müssen. Hier ist die behauptete Tatsache, dass
eine mit gehärtetem Bauschaum gefüllte PET-Flasche bei der Tat nicht zum Einsatz gekommen ist.
Das ist natürlich durch die Sachverständigen und den neuen Beschusstest erstens nicht nachgewiesen worden, zweitens bliebe immer noch der Bauschaum am Tatort. Irgendwas Selbstgebasteltes als Schalldämpfer mit Bauschaum gefüllt, wäre immer noch hochwahrscheinlich und würde die tragenden Schuldfeststellungen um die Internetrecherche bestehen lassen. Das Strafgericht wäre zum gleichen Ergebnis gekommen, wenn es die Art der Schalldämpferkonstruktion offengelassen hätte. Die Bauschaumverteilung war nur ein Zusatzindiz.
Im Ergebnis würde sich also nicht ändern, aber mMn ist es zu bemängeln, hier neue Tatsachen zu verneinen und darauf nicht weiter einzugehen. Da die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main darauf wieder nicht konkret eingegangen ist und auch nicht auf den von ihm zitierten Beschluss des BVerfG, kann ich Strates Unmut über "formelhaftes Zitieren von Kommentarstellen" ein wenig verstehen. Er dringt mit seinen Beweisen ja nicht durch, aber auf sein Vorbringen eingehen müsste man zumindest.