Andante schrieb:Noch mal zu Prof. Müller und seiner Anmerkung im Beck-Blog zum Beschluss des LG Hamburg: Ich frage mich, ob Prof. Müller ernsthaft meint, dass es für die Zulässigkeit eines WA-Antrag ausreicht, nur neue Tatsachen oder Beweismittel zu bennenen, ohne darüber hinaus die Geeignetheit nach § 359 Nr. 5 StPO deutlich zu machen.
Was er nun genau meint, ist wirklich nicht so leicht zu erfassen.
Auf jeden Fall hast du recht, das ergibt sich aus der Vorschrift, aus der Kommentierung und der Rechtsprechung. Verweis auf BVerfG, 2 BvR 93/07:
Ebenso sind die Wiederaufnahmegerichte verfassungsrechtlich nicht gehindert, im Rahmen des Additions-, aber auch des Probationsverfahrens zu prüfen, ob eine vorgetragene neue Tatsache oder ein benanntes neues Beweismittel geeignet ist, für den Antragsteller die Freisprechung, in Anwendung eines milderen Gesetzes eine geringere Bestrafung oder eine im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung herbeizuführen.
Man muss womöglich die gerichtliche Prüfung und die Darlegungspflicht des Antragstellers unterscheiden.
Bei offensichtlich nutzlosen neuen Vorträgen obliegt dem Antragsteller eine Darlegungspflicht hinsichtlich der Eignung, weil das Gericht nicht genötigt sein kann, die Wiederaufnahme aufgrund offensichtlich aus der Luft gegriffener Behauptungen zuzulassen.
Prof. Müller:
Das LG Hamburg legt nun die Zulässigkeits(!)-Hürde noch höher, indem es verlangt, der Antragsteller müsse sich mit der ganzen Indizienkette auseinandersetzen, wenn er die Eignung darlegt.
Ich sehe darin absolut keine zu „hohe Hürde“. Warum sollte es dem Antragsteller, der ja fachkundigen Rechtsbeistand hat, bei auf den ersten Blick fraglich geeigneten Beweisbehauptungen nicht zuzumuten sein, deren Eignung zum Freispruch zu erläutern? Und dies unter Wiedergabe der die Beweiswürdigung tragenden Gründe des Urteils? Die sollte er ja kennen und verstanden haben.
Übertragen auf den Fall hieße das, AD müsste nicht nur schlüssig vortragen, dass das Spurenbild am Tatort nach den neuen Gutachten nicht mit einem selbstgebauten Schalldämpfer in Einklang zu bringen ist, sondern auch, warum das zu einem Freispruch führen sollte.
Genau das kann verlangt werden und ist m.E. keine „zu hohe Hürde“.
Wenn man sich das Urteil, auf das sich Prof. Müller bezieht, durchliest (BGH, StB 11/74), dann kommt man auch nicht zu dem Ergebnis, dass der BGH die Hürde besonders niedrig setzen wollte. Im Gegenteil. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Antrag u.a. deswegen keinen Erfolg, weil der Vortrag des Antragstellers eben nicht erkennen ließ, dass das von ihm genannte Beweismittel geeignet ist, dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen.
Zwar wird die Darlegungspflicht auf die (Ausnahme-)fälle begrenzt, in denen die Eignung nicht klar ersichtlich ist, aber das ist sie nun mal zumindest im Mordfall Babenhausen auch nicht.
Für mich ziehe ich den Schluss, dass die Hinweise von Prof. Müller, soweit man sie überhaupt diskutieren muss, jedenfalls für den Fall hier keine Bedeutung haben.