Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
05.02.2015 um 23:13
Verteidiger wollen Freispruch
Doppelmord: Was bedeutet die besondere »Schwere der Schuld« bei einer Verurteilung?
Gütersloh(WB). Der Bielefelder Staatsanwalt Christoph Mackel hat im Doppelmordprozess von Gütersloh eine lebenslange Gefängnisstrafe für den Tatverdächtigen Jens Sch. (29) aus Verl gefordert. Aufgrund der Brutalität dieser Tat hat er auch die besondere Schwere der Schuld beantragt. Doch was bedeutet das für den Angeklagten im Falle einer Verurteilung?
Von Wolfgang Wotke
»Die lebenslange Haft ist die härteste Strafe im deutschen Strafrecht. Erkennt ein Gericht bei einem erwachsenen und voll schuldfähigen Angeklagten, dass er einen Mord begangen hat, kann es keine andere Strafe verhängen«, erklärt der Gütersloher Strafverteidiger Dr. Peter Oberwetter. Das Strafgesetzbuch sehe jedoch vor, den zu lebenslang Verurteilten nach 15 Jahren Haft eine Chance zu geben. »Wiederum ein Gericht, nämlich die Strafvollstreckungskammer, muss dann entscheiden, ob der Rest der Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Dabei sind eine günstige Sozialprognose des Verurteilten und keine weitere Gefährdung der Allgemeinheit die Kriterien.«
Doch was ist, wenn dazu noch die »besondere Schwere der Schuld« von den Richtern bejaht wird? Dr. Peter Oberwetter: »Jedes Schwurgericht muss sich bei einer lebenslangen Haftstrafe automatisch mit der Frage der Schuldschwere auseinander setzen. Diese Regelung ist eingeführt worden, um bei besonders schlimmen Taten eine Differenzierungsmöglichkeit einzuführen.« Im Mittelpunkt der Prüfung würden die Gesamtumstände von Tat und Täter stehen. Mehrere Opfer, ein extrem brutales Vorgehen, verwerfliche Motive oder fehlende Reue könnten beispielsweise wichtige Gründe für eine besonders schwere Schuld sein. Fast alle diese Merkmale haben den Staatsanwalt in seinem Plädoyer dazu veranlasst, die Schuldschwere zu beantragen. Er sei sich ohne jeglichen Zweifel sicher, dass Jens Sch. die Morde an Dr. Helgard G. (74) und ihren Bruder Hartmut S. (77) begangen habe, und das mit einer furchtbaren Brutalität (jeweils elf Messerstiche) als auch heimtückisch.
Die durchschnittliche Haftdauer von Lebenslangen liegt heute nach Schätzungen bei etwa 23 Jahren, in Einzelfällen sitzen Gefangene bereits seit mehr als 40 Jahren in Haft. Sollte es in diesem Fall zu einem harten Urteilsspruch kommen, würde der 29-jährige Angeklagte frühestens im Alter von knapp 60 Jahren auf freien Fuß gesetzt. Seine Verteidiger, Dr. Carsten Ernst und Sascha Haring, bereiten ihre Schlussworte für den 18. Februar vor. Haring: »Es ist kein Geheimnis, dass wir auf Freispruch plädieren werden, weil die Indizien in diesem Prozess zu mager sind. Diese Strategie verfolgen wir von Anfang an.«
So stand's gestern im WB
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
06.02.2015 um 19:44
Ab 5 rundet man auf und mit 52 hat er die 5 ja vorne..
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
06.02.2015 um 19:49
Ich finde solch Prognosen sowieso fragwürdig, das kann doch keiner wissen, wie er sich im Knast entwickelt, wie seine Sozialprognose in 15 Jahren ist, wieviel Reue er bis dahin zeigt. Er kann nach 15 Jahren rauskommen oder auch erst nach 30 oder gar nie. Abgesehen davon, ist noch nicht mal ein Urteil gefallen, Hauptsache die rechnen schon mal aus, in welchem Alter er wieder raus kommt.
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
12.02.2015 um 20:03
Die Haftzeit wird ab U-Haft gerechnet, also ab da erstmal 15 Jahre und dann kann erstmals geprüft werden frei zu kommen.
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
13.02.2015 um 23:54
doch können sie, aber eben nur eine Revision. Berufung gibt es am Landgericht nicht mehr.
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
14.02.2015 um 12:42
Unglaublich, sicherlich war er nach dem ersten Schlag gar nicht mehr in der Lage sich der Situation zu entziehen oder sich zu wehren. Was geht nur manchmal in den Köpfen der Richter vor.
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
17.02.2015 um 13:12
Die Glocke berichtete gestern:
Verteidiger wollen auf Freispruch plädieren
Gütersloh (rebo) - Nachdem Staatsanwalt Christoph Mackel vor gut zwei Wochen sein Plädoyer im Prozess um den Doppelmord an Heiligabend 2013 gehalten hat, stehen am Mittwoch die Schlussreden der Verteidiger an. Die wollen bei ihrer Strategie bleiben und auf Freispruch plädieren.
Plädieren auf Freispruch: die beiden Rechtsanwälte des Verlers, Dr. Carsten Ernst (l.) und Sascha Haring, bei einem früheren Prozesstermin vor dem Gerichtssaal im Bielefelder Landgericht. Bild: Dinkels
„Das war bisher unsere Marschroute und das ändert sich nicht“, sagte Rechtsanwalt Sascha Haring am Montag auf Nachfrage. Dr. Carsten Ernst werde voraussichtlich zuerst reden, erklärte Haring das Konzept der Verteidiger. Ernst werde darstellen, was für ein Mensch der angeklagte 29-jährige Verler sei, der am 24. Dezember 2013 die 74 Jahre alte Ärztin und ihren drei Jahre älteren Bruder sowie deren Hund erstochen haben soll. „Ich werde meinen Schwerpunkt anschließend auf die Indizien legen“, sagte Haring. Dabei sei nicht auszuschließen, dass sich einige Punkte in den Plädoyers überschneiden würden.
Staatsanwalt Mackel hatte am 2. Februar in seinem Plädoyer betont, dass er nicht den geringsten Zweifel hege, dass der Angeklagte der Mörder sei. Mackel hatte eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Dabei müsse die besondere Schwere der Schuld berücksichtigt werden. Mehr als zwei Stunden hatte das Plädoyer des Anklägers gedauert. „Ich gehe davon aus, dass wir insgesamt etwa anderthalb Stunden für die Reden brauchen“, sagte Rechtsanwalt Haring. Er selbst formuliere gern präzise und knapp.
Der angeklagte Verler hofft auch nach der Forderung des Staatsanwalts nach einer lebenslangen Haftstrafe auf einen Freispruch. „Er baut weiterhin auf einen positiven Ausgang“, erklärte Haring auf die Frage, wie sein Mandant auf das Plädoyer des Staatsanwalts reagiert habe. Ernst und Haring hätten den 29-Jährigen darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung möglich sei. „Wir müssen als Verteidiger schon über die Möglichkeit von Rechtsmitteln nachdenken“, betonte Haring. Aber es sei völlig offen, zu welchem Ergebnis die Zehnte Große Strafkammer schließlich komme. Der Prozess wird an diesem Mittwoch, ab 13.30 Uhr fortgesetzt.
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Weihnachts-Doppelmord an Geschwisterpaar in Gütersloh
18.02.2015 um 16:28
so, dann will ich mal zu meinem wahrscheinlich letzten Bericht schreiten...
Die Plädoyers waren wie erwartet mehr eine Reaktion auf die im Plädoyer der STA angesprochenen Punkte. Ich frage mich wirklich wie eine unabhängig davon vorbereitete Verteidigung ausgesehen hätte.
Zunächst hat Ernst argumentiert wieso er das Mordmerkmal der Heimtücke als nicht gegegeben ansieht. Die fehlenden Abwehrverletzungen der Opfer seien seiner Meinung nach nicht auf Arglosigkeit, sondern auf das hohe Alter der Opfer zurückzuführen. Auch führt er (wie wir hier ja schon am 14.2. mutmaßten) an, dass das zweite Opfer sich doch wohl eines Angriffs versehen haben muss als er seiner Schwester zur Hilfe eilte. Aber generell sei überhaupt nicht feststellbar welches Opfer zuerst angegriffen wurde. So seine Argumentation. Zudem sieht er hier eine Tateinheit und keine zwei eigenständigen Taten.
Das "komische" Verhalten des Angeklagten wurde durchweg mit "so ist er halt" begründet. Er sei "ein spezieller Mensch", jedoch machen ihn seine kauzigen Charakterzüge und Verhaltensweisen nicht automatisch zu einem Mörder. Dem Punkt stimme ich zu.
Warum er sich nicht selbst bei der Polizei wegen der Weinflasche gemeldet habe, wurde damit begründet, dass ihn eben niemand gefragt habe. Generell sei er ein Typ der zurückhaltend sei und auf Nachfrage Informationen geben, aber nicht selbstständig die Leute aufsuchen würde. Er empfand die Sache mit der Weinflasche als nicht so wichtig und wollte sich nicht unnötig in die Schusslinie bringen. Dann erwähnte Haring noch, dass ein befreundeter Kollege zu ihm gesagt hätte, dass er sich in der Situation des Angeklagten auch nicht bei der Polizei gemeldet hätte. Und der sei immerhin Staatsanwalt, wenn das mal kein Totschlagargument ist.
Zu der manipulierten Gasleitung nahmen die Verteidiger auch Stellung. Als Mann mit Sachkunde hätte er natürlich gewusst wie wenig zielführend eine Manipulation hier sei. Das Gas würde ja nach oben strömen usw. Die Auskunft der Feuerwehrmitarbeiterin, nach der die Situation durchaus gefährlich und geeignet zur Herbeiführung einer Explosion war, wurde ausgespart. Es wäre doch, laut Verteidiger, viel effektiver gewesen direkt ein Feuer zu legen. Das halte ich persönlich für das genaue Gegenteil von effektiv. Hätte man ein Feuer gelegt, dann wären die Leichen sofort entdeckt worden, der Tatzeitpunkt wäre viel genauer eingrenzbar, deutlich weniger Spuren wären vernichtet worden als bei einer Hausexplosion. Der Argumentation, dass der Gasherd nur von Bekannten als dieser zu erkennen gewesen sei, stimmte der Verteidiger zu und merkte aber an, dass die Deckelklappe zum Zeitpunkt der Tat ja vlt geöffnet war und erst nach der Manipulation geschlossen wurde. Dann wäre der Gasherd schon als solcher erkennbar gewesen. "Wer weiß es? Kann doch sein."
Dann beharrte die Verteidigung darauf, dass nicht einwandfrei feststellbar sei ob die DNA wirklich UNTER und nicht auf oder neben dem Fingernagel war. "Unter" klinge so nach kratzen, "auf" und "neben" sei besser mit harmloser Alltagsinteraktion vereinbar. Die fehlende Verwischung der DNA als Indiz für deren Frische wurde als Mutmaßung bezeichnet. Sie könne innerhalb der Zwischenzeit verwischen, müsse es aber nicht.
Dann wurde sich noch auf die "Bewirtungssituation" mit herumstehenden Stühlen und Wasserglas konzentriert. Auch hier wurde gesagt, dass nicht sicher sei ob nach dem Besuch des Angeklagten nicht nochmals Besuch empfangen worden sei. Auch standen 2 Weingläser und Kuchenteller+Kuchengabel in der Küche. Dies wären doch sicher keine Spuren vom Morgen und daher müsse zwischen dem nachmittäglichen Besuch und der Tat doch viel Zeit vergangen sein. Da muss ich dem Verteidiger zustimmen, Kuchengeschirr und Weingläser sprechen durchaus eher für eine Tat in den Abendstunden, aber es erklärt nicht wieso sein Wasserglas dort immernoch auf dem Tisch stand. Stammt das Glas also vlt doch nicht vom 13-15 Uhr Zeitraum sondern aus den Abendstunden? Auch wurde überlegt ob die beiden abgerückten Stühle nicht vlt von den Opfern stammen könnten. Schließlich hätten auf dem Tisch Zeitschriften gelegen und das männliche Opfer habe ja seine Lesebrille getragen.
Dann wurde festgehalten, dass beim Angeklagten kein Motiv bestünde. Sein Studienkredit sei erst später fällig, er erhielt finanzielle Unterstützung durch die Eltern und seine angebliche Krebsneigung sei ja auch nicht akut behandlungsbedürftig gewesen. Objektiv stimmt dies natürlich, die Frage ist jedoch, ob der Angeklagte die Dringlichkeit seiner Krebsbehandlung auch so gering und harmlos einschätzte. Zumal seine Verteidiger den Besuch beim ehemaligen Vermieter und die Bitte um Geld für die Behandlung in den USA ja bestätigten.
Außerdem wurde auf sein geringes Gewaltpotential hingewiesen. Dies wurde ja in (Selbsteinschätzungs)test durch den Psychologen festgehalten.
Warum der Angeklagte sich nicht so genau an den Zeitpunkt seines Besuchs erinnern konnte, wurde mit der fehlenden Routine in seinen Tagesabläufen erklärt. Er sei ein Mensch ohne Uhr und versuche immer wieder Routine in seinem Alltag zu vermeiden. Daher könne er sich nur schlecht an Zeiten genauer Ereignisse erinnern. Daher habe er auch bei der Nachbarin nach den Routeraufzeichnungen nachgefragt.
Das Geldversteck im Erdbunker habe er dem Hauptbelastungszeugen für den Falle einer nötigen Flucht nach einer Verurteilung verraten. Generell wurde auf diesem Versteck sehr lange "herumgeritten". Fand ich relativ überflüssig, da ja selbst die Anklage dem keine Beweislast zuspricht. Es wurde angemerkt, dass der Hauptbelastungszeuge ihrer Einschätzung nach ansonsten nur über Aktenwissen verfügte.
Sein fehlendes Alibi spreche für seine Unschuld. Als Täter hätte er sich im Vorfeld um ein Alibi bemüht und es wäre ein leichter gewesen eben dies über fingierte Rechneraktivitäten zu faken.
Hier stellten sie zudem einen Hilfsbeweisantrag für den Falle einer Verurteilung. Ein Gutachter solle bestätigen, dass die fehlenden Rechneraktivitäten nicht besagen, dass er nicht dennoch über den Privatmodus am Rechner tätig war.
Wie gesagt, ich empfand das Plädoyer mehr eine Reaktion als Aktion. Aber das liegt wahrscheinlich in der Natur der Dinge. Es ist eben schwierig zu beweisen wieso man etwas nicht getan hat. Insgesamt wurde sehr viel Energie aufgebracht um zu erklären, dass der TV nicht der Typ für sowas sei. Dies betonte er auch nochmals in seinem "letzten Wort". Er sei keiner ihrer Kunden und hoffe auf die richterliche Intuition zu wissen mit wem sie es zu tun haben.
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