Vermisstenfall Madeleine McCann
02.07.2020 um 09:13abberline schrieb:Frage an die Experten. Man hat einen Klischee-Bösewicht, auf den alles passt, nur der finale Beweis fehlt. Ohne finalen Beweis aber würde es maximal einen Indizienprozess geben. Nun sitzt der TV ja sowieso schon wegen anderer Dinge im Knast. Haben die Ermittler nicht dennoch Zeitdruck? Und sich vor allem durch die (sinnvolle) Einbeziehung der Öffentlichkeit, nochmal einen erhöhten Druck? Man stelle sich vor, am Ende kommt sowas raus wie "wir ahnen so einiges, aber der finale Beweis fehlt, also müssen wir ihn, was den Fall angeht, laufen lassen"?Die Frage nach Zeitdruck kann man so und so sehen. Aktuell ist es zumindest so:
Ganz ungefährlich ist der Herr ja scheinbar auch nicht.
Wie geht sowas weiter und vor allem wie lange?
C.B. sitzt in der JVA Kiel und verbüßt seine Strafe aus dem Urteil Niebüll 2011 (Drogendelikte). Er hat nun 2/3 der Strafe abgesessen, und hat entsprechend das Recht gehabt, einen Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zu stellen ("auf Bewährung rauskommen). Dies hat er getan.
Schon vor Wochen reichte er diesen Antrag in Braunschweig ein - nämlich rund um Mai 2020, als er noch in der JVA Wolfenbüttel untergebracht war.
Den Antrag nahm er selbst zurück, denn er wurde in die JVA Kiel verlegt. Nun reichte er dort besagten Antrag ein.
Nun sagte aber das dortige Landgericht, dass sie nicht zuständig sind, da man sich ja schon in Braunschweig mit dem Thema befasst habe.
Die Braunschweiger wiederum sehen das anders Deshalb liegt diese Thematik nun aktuell beim Bundesgerichtshof: dieser muss entscheiden, wer zuständig ist.
Wenn diese Entscheidung gefallen ist (schaue quasi jeden Tag in die aktuellen Entscheidungen des BGH, ist noch nix da), kann das entsprechende Landgericht über die Aussetzung entscheiden.
Da der TV allerdings zur Zeit eine Haftstrafe verbüßt, die ursprünglich zur Bewährung ausgesetzt war & zwischenzeitlich mindestens ein weiteres Delikt (Kindesmissbrauch - Urteil 2016) in seiner Strafakte hinzugekommen ist, ist meine persönliche Einschätzung, dass der TV eine sehr geringe Chance auf eine für ihn positive Entscheidung des Landgerichts hat. Dies würde ich im übrigen auch bei jedem anderen Straftäter so sehen, der nicht mit einem derartigen Ermittlungsverfahren in der Öffentlichkeit steht.
Ergo käme der TV "erst" im Frühjahr 2021 raus, sollte das LG entsprechend entscheiden.
Aber das ist ja nicht das Ende der Fahnenstange, denn:
Ende 2019 wurde das Urteil gesprochen im Fall der Vergewaltigung von 2005. Das Urteil ist (noch) nicht rechtskräftig, da seitens der Verteidiger Revision eingereicht wurde.
Der BGH lässt aktuell aber das Revisionsverfahren ruhen, da er beim EuGh ein Vorabentscheidungsersuchen im Eilverfahren gestellt hat.
Hierzu ist vom EuGH ein Termin angesetzt: 16.07.2020
Nach Entscheidung des EuGH gehts zurück an den BGH, der wiederum dann die Frage Revision ja oder nein beantwortet.
Der Senat des BGH hat in seinem Entscheidungsersuchen recht klar formuliert, dass sie keinen Grund für das Zulassen einer Revision sehen - ich persönlich gehe soweit davon aus, dass der EuGH das bestätigen wird. Aber man hat ja schon alles erlebt.
Sollte die Revision also verworfen werden, bleibt der TV weitere 7 Jahre in Haft, da das Urteil dann rechtskräftig werden würde.
Sollte die Revision erfolgreich sein, darf man davon ausgehen, dass es zu einer Neuverhandlung kommt. Dass der BGH unmittelbar eine neue Entscheidung trifft, den TV z.b. direkt freispricht, kommt äußerst selten vor.
Also m.E. nach gibt es in sofern Zeitdruck, dass die EB natürlich keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen der Gerichte in bereits verhandelten Fällen haben.
Realistisch betrachtet dürften sich alle, zumindest erst mal bis Frühjahr 2021, "entspannen". (das ist jetzt ein nicht allzu großes Zeitfenster für die StA, wiederum aber ermitteln sie ja auch schon seit 2 Jahren)