@geeky Ich kann dir niemanden nennen, der im Kontext Nahtoderfahrungen eine bereits fertige Theorie präsentiert, weil diese fertige Theorie nicht existiert.
Die Frage ist doch eine ganz andere, nämlich, ob aufgrund der Daten z.B. von Nahtoderfahrungen überhaupt soviel Druck entsteht, dass man sich genötigt fühlt, nach einer alternativen Theorie zu suchen. In dieser Phase befinden wir uns.
Du würdest nun sagen: "Nö, kann man alles so erklären", ich würde sagen, dass die Daten insgesamt stark genug sind, um Zweifel zu haben, ob die biochemische Interpretation reicht.
Mit "insgesamt" meine ich nicht die Daten der Parnia-Studie, da die mich vermutlich so wenig beeindrucken, wie dich. Die Studie war so angelegt, dass sie einen Erfolg hätte bringen können, wenn bessere Daten dabei herausgekommen wären, als es sind, so ist die Studie insofern völlig unbefriedigend, weil sie weder belegt, noch widerlegt.
Wenn du auf einen Schulsportfest die Hochsprunglatte auf 2 Meter legst und niemand rüberhüpft, kann man mit Fug und Recht sagen, dass hier und heute es niemand geschafft hat, 2 Meter doch zu springen, man kann nicht daraus schließen, dass Menschen nicht in der Lage sind, 2 Meter hoch zu springen.
Mit „insgesamt“ meine ich, das was mir bekannt ist und das erstreckt sich über ein Spektrum von eigenen Erfahrungen, den Berichten von Freunden, Bekannten, Familie und der Literatur. Speziell auf diesen Kontext bezogen sind alle Fragen die in die Richtung „Ich habe das Gefühl, dass ich ...“ gehen, für mich einerseits vollkommen uninteressant, zum anderen interessanter als alles andere.
Uninteressant sind sie deshalb, weil bestimmte Gefühle zu haben erst mal nichts darüber aussagt, ob etwas wirklich so gewesen ist. Ob ich meine, dass ich schwebe, mich von oben sehe, verstorbene Verwandte treffe … kann man m.E. alles so, im naturalistischen Kontext, erklären.
Was man nicht erklären kann, sind Wahrnehmungen über Entfernung oder eben Ereignisse, die stattfinden, wenn das Gehirn außer Betrieb ist.
Für dich scheint das nur relevant, wenn dieser Ereignisse und Laborbedingungen reproduziert werden können, ich glaube, dass es eine ganze Reihe Alltagserfahrungen nicht im Labor reproduziert werden können. Besondere Highlights des Lebens zeichnen sich dadurch aus, dass man sie vermutlich nie wird wiederholen können.
Die legendäre Klassenfahrt, eine besondere sexuelle Erfahrung, eine plötzliche Einsicht, eine überwältigende Begegnung mit Natur oder Kunst. Das wirst du in der Form nicht reproduzieren können, was man aber machen kann, ist die Daten von scheinbar übersinnlichen Erfahrungen zu überprüfen, falls welche auftreten, die man überprüfen kann. So ist es richtigerweise ja in der Studie angelegt gewesen.
Wenn ein füherer Verstorbener sagt: „Übrigens, im Keller sind hinter den Rohren ein paar Steine locker, dahinter liegt ein Goldbarren“ und jemand findet dort einen Goldbarren, dann ist das schon nicht schlecht, ich wäre aber skeptisch, denn das könnte im Unbewussten abgelegt sein.
Wenn jemand seinen Körper verlässt und sagt, in der Stadtmitte habe sich gerade ein schwerer Verkehrsunfall ereignet und die Farbe der beteiligten Autos beschreiben kann, das hat eine andere Qualität.
Interessant sind die subjektiven Empfindungen mMn deshalb, weil sie mein gesamtes Leben und Erleben verändern können, auch das kann man wissenschaftlich untersuchen und hat es längst getan. Mir ist es völlig egal, ob eine effektive Hilfe nun synthetischer, natürlicher oder „übernatürlicher“ Art wäre. Wenn einer im Rahmen einer NTE seine Todesangst verliert, super. Wenn man jemanden dafür auf einen DMT-Trip schicken muss, kein Problem.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass die biochemische Deutung in zig Bereichen des Lebens nichts erklärt, schon längst nicht das, was man zu erklären zu können ankündigte. Wie so etwas:
„Die zunehmende Verfeinerung neurobiologischer Messverfahren hat nun mehr die Möglichkeit eröffnet, auch die neuronalen Mechanismen, die höheren kognitiven Leistungen komplexerer Gehirne zugrunde liegen. Somit werden auch diese, auch als psychisch bezeichneten Phänomene zu objektivierbaren Verhaltensleistungen die aus der Dritten-Person-Perspektive vertraut sind und beschrieben werden können. Zu diesen mit naturwissenschaftliche Methoden untersuchbaren Leistungen zählen inzwischen auch solche, die uns bereits aus der Ersten-Person-Perspektive vertraut sind, darunter fallen Wahrnehmen, Vorstellen, Erinnern und Vergessen, Bewerten, Planen und Entscheiden, und schließlich die Fähigkeit Emotionen zu haben. Alle diese Verhaltensmanifestationen lassen sich operationalisieren, aus der Dritten-Person-Perspektive heraus objektivieren und im Sinne kausaler Verursachung auf neuronale Prozesse zurückführen. Somit erweisen sie sich als Phänomene, die in kohärenter Weise in naturwissenschaftlichen Beschreibungssystemen erfasst werden können.“
(Wolf Singer in
Hirnforschung und Willensfreiheit, Hrsg. Christian Geyer, Suhrkamp 2004, S.35)
Da möchtest du aber nicht überprüfen, wie weit die Biochemie uns diesbezüglich etwas erklärt und was alternative Ansätze, die in diesem Kontext bereits sehr präzise vorliegen.