simulakron schrieb:Meiner Meinung nach müsste man genau das theoretisch eigentlich machen.
Ohne Vorwissen versteht man das aber nicht. So kommt es zu Fehlschlüssen, weil man mit dem eigenen Wissen und der eigenen Logik Dinge aus einem Text heraus liest, die dort gar nicht drin stehen.
Je komplexer und je spezieller ein Sachverhalt ist, desto mehr Vorwissen braucht man, um das einordnen und verstehen zu können.
simulakron schrieb:Teilweise ist die eigene Einschätzung dann Zweifel, ob die Autoren die mathematischen Werkzeuge, die sie verwenden, halbwegs verstanden haben. Ob sie sich nicht einfach nach dem Machtgradienten ausrichten, oder ob es womöglich nur um das Publizieren um des Publizieren willens geht, etc.
Praktisch funktioniert das nicht. Mit dem "gesunden Menschenverstand" kann man das leider nicht bewältigen. Schlimmer noch: Man erhält natürlich ein Ergebnis, das für einen selbst gut und schlüssig klingt - das aber schlicht falsch sein kann, ohne dass man es merkt.
Als Laie auf einem komplexen Gebiet besteht die beste Möglichkeit darin, nicht verarscht zu werden, nur darin, vertrauenswürdige Experten zu finden. Das geht z.B., indem man entsprechende Rahmenbedingungen schafft, die fremdgesteuerte Expertisen erschweren.
simulakron schrieb:Gerade bei komplexen Sachverhalten zeigt sich ja häufig, und das macht eigentlich auch Sinn, dass einfache Heuristiken elaborierte Methoden auch outperformen können.
Das macht werder Sinn noch passiert das häufig. Es passiert natürlich manchmal, weil Expertisen nie perfekt sind und reines Raten manchmal eben zufällig richtig ist.
simulakron schrieb:Es kommen Erfahrungswerte dazu, Finanzexperten welche die Finanzkrise nicht kommen sahen, Militärexperten, laut denen der Ukrainekrieg schon vor einem Jahr hätte vorbei sein sollen, Ingenieure die ihr Produkt zurückrufen müssen, Pädagogen, nach deren Modellen die Pisa-Ergebnisse von Mal zu Mal schlechter statt besser werden, etc. Eine der schönsten und eindrücklichsten Beispiele ist die Geschichte um das Monty-Hall-Problem.
Anektodische Evidenz ist ein sehr schlechter Rartgeber.
Aus dem Umstand, dass Expertisen manchmal falsch sind, kann man nicht den Rückschluss ziehen, dass sie grundsätzlich schlecht sind. Das muss man statistisch auswerten. Triff 1.000 Entscheidungen und beobachte, was erfolgreicher ist.
simulakron schrieb:Wie man mit fehlendem Vertrauen in Institutionen, wie mit Wissen und Wahrheit und der enorm hohen Entropie in unserer Gesellschaft etc. umgegangen werden soll, das lässt sich nicht mit einem Satz abbügeln
Das stimmmt.
Aber ein wichtiger Grund für fehlendes Vertrauen ist die Abweichung der Sichtweise von der eigenen.
Wenn Du von Deiner Meinung überzeugt bist und eine Expertise steht dazu im Widerspruch, wirst Du die Expertise anzweifeln. Egal wie sachlich falsch Deine Meinung ist.
Das wichtigste ist, die eigene Kompetenz zu erkennen und zuallererst seine Sichtweise zu hinterfragen.
Typisches Beispiel: Googlen und dann zum Arzt.
Klar hat manchmal der Arzt unrecht und die eigenen Recherche war richtig. Aber viel öfter stört es, wenn der Arzt erst mal eine Überzeugung widerlegen muss, die sich ein Patient auf Basis fehlenden Wissens und einer fehlerhaften Einordnung angeeignet hat.
Im Netz kursieren dann die Fälle, in denen Dr. Google zufällig richtig lag und nicht die vielen Fälle, in denen es einfach nur Unsinn war.