Heide_witzka schrieb:Der soziale und/oder wissenschaftliche Konsens bildet in der Regel den Stand des aktuellen Wissens ab. Dem muss man nicht folgen, aber ich frage mich natürlich, ob es mehr als Bauchgefühl gibt, dass der Laie dem entgegenhalten kann.
Wie siehst du das?
Das scheint mir OT, aber eine sehr spannende Frage! Für mich selber habe ich da noch keine Antwort gefunden. Aber eminenz- und mehrheitsbasierte "Argumente", das ist ja eigentlich wiederum auch Konsens, sind ja
eigentlich keine Argumente. Hinzu kommt bei diesem Thema, dass die Ressourcen, die jeweils für die gesellschaftliche Auseinandersetzung zur Verfügung stehen, stark ungleich verteilt sind, die Pharmaindustrie ist halt finanzstark. Die Frage ist auch, was ein sogenannter "Experte" sein soll, man muss mMn aufpassen, dass man da nicht in einem mittelalterlichen Stil landet: Der Priester der lesen und schreiben kann, Latein beherrscht und die Bibel vielleicht auswendig kennt, ist auch Experte, "du hast ihm also zu glauben". Die Welt ist überkomplex geworden, die Wissenschaft scheint in eine Krise zu wandern oder schon dort zu sein, für jede Position lässt sich irgendwo ein "Experte" oder eine Publikation finden, welche die entsprechende Position bestätigt - eine Entropiesuppe in der man alles finden kann. Und mal ehrlich, wer informiert sich schon, wer liest mal ein medizinisches Fachbuch über Viren? Sitzt freiwillig ein Semester lang in eine Vorlesung rein? Nimmt sich ein Statistik-Lehrbuch vor? Nein, Aufmerksamkeitsökonomie und Zeitmanagement: Man schaut sich 15-Minuten youtube-Filmchen mit schnellen Schnitten und bunten Farben an, liest - oder überfliegt - einen Wiki-Artikel, folgt den ersten beiden Links eines Suchergebnisses, etc.
Man kann, muss wohl zumindest teilweise, dem Konsens folgen, aber dann muss man ja nicht so tun, als käme die eigene Position aus tiefgreifenden, rationalen, ausführlichen eigenen Überlegungen.
Heide_witzka schrieb:Es wäre sinnvoller eine rationale Risikoabwägung durchzuführen. Welches potenzielle Impfrisiko steht welchen Risiken bei der ungeschützten Erkrankung gegenüber. Die fehlt bei dir vollkommen.
Diese Dinge sind kompliziert und man sollte das mMn respektieren. Die Wahrscheinlichkeit beispielsweise bei Tollwut, dass ich die Krankheit überhaupt in meinem Leben bekomme, ist winzig. Wenn ich mich impfe, setze ich mich aber zu 100% dem Risiko von Nebenwirkungen aus. Eine Impfung wiederum setzt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung auch nicht auf 0, auch das müsste miteinfliessen, etc. Vielleicht ist die Impfung ja trotzdem sinnvoll, weil Tollwut wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit einen grossen Schaden anrichtet, ich weiss es nicht, will aber sagen: Eine halbwegs seriöse Risikoabwägung ist ganz und gar nicht trivial (wahrscheinlich in den meisten Fällen mangels Daten von hinreichender Qualität nicht mal möglich).
Es gibt also unzählige Abhängigkeiten, Neben- und Randbedingungen und das kann man ja immer weiter führen, bis man auf der Ebene der Philosophie angelangt ist, beispielsweise ob solche plumpen Betrachtungen von banalen Erwartungswerten überhaupt Sinn machen, oder ob man vielleicht eher irgendwelche "Grenznutzen / -kosten" Rechnungen machen müsste, etc. Es läuft aus meiner Sicht immer auf Modellierungsfragen hinaus, die sind aber mMn nie eindeutig, abhängig von der "Hintergrundphilosophie", deren Gültigkeitsbereiche müssen auch verstanden sein, etc.
alhambra schrieb:Auch hier: Maserparty = Schwere Körperverletzung und Misshandlung Schutzbefohlener. Da können und sollten Jugendämter durchaus aktiv werden.
Ich verteidige ja nicht diese Maserparty. Es scheint mir ausserdem ein Unterschied zu sein, ob man eine spezifische Handlung verbieten will, oder ob man Eltern wegen einer weltanschaulichen Geschichte
grundsätzlich die Vernunft und Selbstbestimmung abspricht.