Gefahren von AKW: Der Super-GAU
27.03.2011 um 14:50
Hallo,
ich wollte ja eigentlich nicht mehr schreiben. Da aber einige Leute mich darum baten, dachte ich mir, hin und wieder ein paar Details einzuwerfen. Ich bin selbst natürlich weiterhin dabei, Informationen zu sammeln.
Die Information über die zehnmillionenfach höhere Strahlung, von der Spiegel und Focus berichten, sind falsch und wenig informativ. Die erste Frage, die sich mir stellte, war, was "zehnmillionenmal höher" denn eigentlich bedeutet. Zehnmillionen mal höher als was? Und die zweite Frage, die ich mir eigentlich schon seit einer Woche stelle und die jetzt dringend wird, ist die Frage, was diese Strahlung absondert. In der internationalen Presse fanden sich dazu einige Berichte.
Unglücklicherweise sagt niemand, welches Strahlenniveau derzeit dort gemessen wird; man erhält immer nur Faktoren von irgendwelchen nicht näher benannten "Normalwerten". Aufgrund der Daten (genauer gesagt, aufgrund der Arbeiter die Hautverbrennungen erlitten haben) muss man aber davon ausgehen, das sich das Strahlungsniveau im ganzzahligen Sievertbereich pro Stunde bewegt. Eine weitere Erhöhung um den Faktor 1.000 halte ich daher für vergleichsweise unwahrscheinlich; wahrscheinlich korrigieren sich hier nur Pressemeldungen des Vortages. Alternativ hätten wir Wasser das mit mehreren hundert oder sogar tausend Sievert pro Stunde strahlt. Das wäre in der Tat ein Problem. Es scheint mir aber wahrscheinlicher, das hier fachliche Imkompetenz auf Seiten einiger Reporter mit Übersetzungsproblemen kollidiert sind. Seriösere Publikationen sprechen auch nicht von 10.000.000 fach höherer Strahlung, sondern von einer 10.000.000 fach höheren Belastung durch das Isotop Iod 134 im Wasser, das innerhalb des Reaktors 2 steht.
Die Belastung des Wassers mit solchen Mengen dieses Isotops ist... schlecht. Erschwerend hinzu kommt, das im Reaktor 2 außerdem noch Cäsium (wenig überraschend), Cobalt, Molybdän, Technetium, Barium und Lanthan gefunden wurde. Ergo stellt sich nicht mehr wirklich die Frage, ob es ein Leck gibt, sondern nur noch wo dieses Leck liegt. Es gibt eine sehr naheliegende Vermutung, nämlich, das die Brennstäbe selbst beschädigt sind. Das ist insofern nicht einmal unwahrscheinlich, das dies bei TEPCO offensichtlich in den letzten Jahren häufiger geschehen ist. Die Brennstäbe waren offenbar nicht sauber genug und mit allerlei Materialien vermischt. Das führte natürlich dazu, das bei der Kettenreaktion Stoffe entstanden, mit denen man nicht rechnete was letztlich dazu führte, das die Kernhüllen selbst versagten, da sie Belastungen außerhalb der Spezifikation ausgesetzt waren.
Das einzige, was man bis jetzt noch nicht gefunden hat, ist Plutonium. Laut dem Regierungssprecher Yukio Edano sind entsprechende Untersuchungen im Gange - es dauert aber, bis Ergebnisse vorliegen, weil der Nachweis entsprechender Isotope etwas schwieriger ist als die schlichte Strahlenmessung mit einem Geigerzähler.
Das Hauptproblem liegt nicht mal in dem belasteten Wasser selbst. Verglichen damit, worauf es hindeutet, sind das schon beinahe Peanuts. Das Problem ist, das radioaktives Jod oder Cäsium sich relativ einfach erklären lassen. Diese werden bei vergleichsweise (!) niedrigen Temperaturen freigesetzt. Cäsium hat beispielsweise einen Schmelzpunkt von 29 ° C und einen Siedpunkt, der bei 671 ° C liegt. Technetium hingegen, das nachgewiesen wurde, hat einen Schmelzpunkt von 2.157 ° C und einen Siedepunkt von 4.265 ° C. Selbst mit sehr viel Fantasie und Goodwill kann ich mir kein Szenario ausdenken, bei dem sich solche Stoffe im Wasser finden dürften, das man nicht als sehr schlecht bezeichnen dürfte. Die Temperaturen dürften über dem Schmelzpunkt der Brennstäbe liegen (ich muss gestehen, genau weiß ich es nicht, vielleicht hat ja hier jemand eine Idee, wo diese Temperatur bei den dort verwendeten Brennstäben liegt). Und die Tatsache, das es in Wasser gefunden wurde, das außerhalb des Reaktorkerns liegt, deutet darauf hin, das es dort ein Leck geben muss. Es ist sehr wahrscheinlich, das es sich "nur" um ein Leck des primären Kühlsystems handelt, also vereinfacht ausgdrückt dem System, das Flüssigkeit direkt zu den Brennstäben führt. Das alleine wäre halb so wild, nur, wie gesagt, dürften sich in der dort austretenden Flüssigkeit nicht die eben benannten Isotope finden lassen.
Die jetzt notwendige Vorgehensweise ist immerhin leicht zu beschreiben: Das Wasser muss abgepumpt werden, damit Techniker den Bereich betreten können, um sodann das Leck zu finden und es abzudichten. Wie das genau funktionieren soll, ist mir aber schleierhaft. Und ich fürchte, ich befinde mich da in vergleichsweise belesener Gesellschaft.
Einen Nachsatz möchte ich noch anhängen. Ich war gestern auf einer Anti-AKW-Demo (ich hoffe, ihr auch). Ein Bekannter von mir kam auch und brachte seinen Vater mit, der schon sehr lange gegen AKWs protestiert. Er weiß auch warum, ist er doch Professor der Biologie, der auch als Strahlenschutzbeauftragter tätig war. Die Wahrscheinlichkeit, das eine relevante (sprich gesundheitsschädigende) Menge der dort freigesetzten Isotope bis nach Deutschland kommt liegt schlicht bei Null. Geräte, mit denen entsprechende Messungen vorgenommen werden, wurden ursprünglich dazu entwickelt, herauszufinden, ob irgendwo auf der Welt Atombombentests gemacht wurden. Die Geräte sind also dazu konstruiert, Isotope am Rande der Nachweisgrenze anzuzeigen. Es ist nicht verwunderlich, das Isotope hier ankommen. Wir leben schließlich alle auf einer Welt. Aber diese ist so erstaunlich groß, das sich die "Strahlenwolke" aus Fukushima auf ihrem Weg hierhin so sehr verteilt, das es keine relevanten Steigerungen geben wird. Selbst der unmittelbare Austritt des Plutoniums wäre ein japanisches Problem.