@perttivalkonen Wenn's häppchenweise käme, würde der Thread 10 Jahre dauern, und so lange lebe ich vielleicht gar nicht mehr.
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3. These:Kann gesellschaftliches Wissen, etwa die Schreibkunst oder "das Rad" verloren gehen? Ich meine ja.
Die Nasa hat festgestellt, dass es ihren Ingenieuren nicht mehr möglich wäre, heute noch mal die Apollo-Rakete zu bauen, die vor knapp 50 Jahren die bemannten Mondflüge durchgeführt hat. Die Konstruktionspläne wurden irgendwann nach Beendigung des Apollo-Programms weggeschmissen; das Wissen ging nach Jahrzehnten verloren.
Bereits vor 150 Jahren wurden Elektromotoren für Fahrzeuge entwickelt. Wikipedia: "Werner von Siemens ließ im Jahre 1866 seine Dynamomaschine patentieren. Sie ermöglichte erstmals eine Erzeugung elektrischer Energie in größerem Umfang. Dies verhalf dem Elektromotor zum Durchbruch bei einer praxistauglichen breiten Anwendung. Daneben gab es zu jener Zeit auch einige technische Entwicklungen von Elektromotoren welche schlussendlich keine Bedeutung erlangten. Dazu zählt unter anderem der Egger-Elektromotor, welcher ähnlich wie eine Dampfmaschine aufgebaut ist, und das elektrische Kraftrad von Johann Kravogl."
Die Technik wurde schnell vergessen, weil man sich bei Kraftfahrzeugen für den Verbrennungsmotor entschied. Erst kurz vor der Jahrtausendwende, als man nach alternativen Antrieben suchte, befasst man sich wieder verstärkt mit Hybrid- und Elektrotechnik für Kraftfahrzeuge und staunte darüber, dass man alles andere als wissenschaftliches Neuland damit betrat. Und erst heute wieder gibt es auch erste "elektrische Krafträder" oder besser Fahrräder mit Elektroantrieb.
Wissen kann also schon innerhalb weniger Generationen verloren gehen, wenn es nicht in der Bevölkerung täglich benutzt und in der Schule gelehrt wird, denn wenn es die ältere Generation nicht mehr für wichtig hält, um weitergegeben zu werden, ist es der nachfolgenden Generation bereits völlig unbekannt, so als hätte es dieses Wissen niemals gegeben.
Wie oft wurde in der frühen Geschichte das Rad erfunden? Wahrscheinlich von fast jedem Volk, denn neben Sumer gab es auch Völker, die mit Sumer nicht den geringsten Kontakt hatten und dennoch das Rad besaßen, beispielsweise die Hyksos. Wahrscheinlich wurde das Rad schon wesentlich früher entwickelt, als wir für möglich halten, denn überall wo aus Bäumen Hütten oder Flöße gebaut wurden, stellte man schnell fest, dass sich die abgeschlagenen Bäume viel schneller ins Tal transportieren ließen, wenn man schon oben auf dem Berg die Äste abschnitt und die Baumstämme dann von selbst zu Tal rollen ließ. Und was gut rollt, das lässt sich auch praktisch anwenden, indem man einen Karren baut, der unten zwei Baumstämme hat, mit denen er rollen kann und damit den Bodenwiderstand weitgehend überwindet. Baumstämme sind aber recht schwer, und man stellte bald fest, dass man das viel leichter machen konnte, indem man einfach nur 2 Räder an die Enden einer Stange montiert und so massiv Gewicht einspart. Holzkarren sind äußerst geeignet für den Landtransport schwererer Güter und auch Handelsgüter. Vielleicht ist der Holzkarren als Transportmittel. und damit auch das Rad, schon zigtausende von Jahren alt, denn wir können es nur deshalb nicht wissen und halten es daher für schwer möglich oder gar "ausgeschlossen", weil sich Holz eben nicht allzu lange hält und spätestens nach 100 oder 200 Jahren so weit vermodert ist, dass man nicht mehr erkennt, was es ursprünglich mal darstellte. Solange wir uns aber bewusst sind, dass die Menschen vor 50.000 Jahren genauso intelligent waren wie wir heute, erscheint es eher unglaubwürdig, dass sie nicht damals schon auf solche doch relativ einfachen Ideen kamen, zumal ihnen die Naturbeobachtung – Baumstämme, ihrer Äste entledigt, etwa durch einen Blitzeinschlag, rollen den Hang hinab – die Analog-Idee gab.
200.000 Jahre Homo sapiens sind gesellschaftlich gesehen eine arg lange Zeit, knapp 10.000 Generationen. Da kann sich so einiges entwickeln – und verloren gehen, sei es, weil es durch "Besseres" ersetzt wird und nicht mehr gebraucht wird, sei es, weil das betreffende Volk degeneriert oder in einem Krieg umkommt und die Überlebenden von den Siegern assimiliert werden, oder sei es, weil es eine Katastrophe gab, und wenn es eine globale Katastrophe ist, verschwindet das Wissen abrupt weltweit.
So eine Situation gab es bekanntlich vor 73.000 Jahren mit der Toba-Explosion in Indonesien. Dabei kam bis auf einige tausend oder 10.000 Leute die gesamte Weltbevölkerung um und die Überlebenden gingen durch einen "genetischen Flaschenhals" und ihre Nachkommen mussten noch mal ganz von vorn bei Null anfangen. Man weiß nicht, wie die kulturelle Entwicklung der Zeit davor war; immerhin hatte die Menschheit bis Toba rund 130.000 Jahre oder 6.000 Generationen Zeit gehabt, "etwas aus sich zu machen". Woher wollen wir wissen, ob es davor nicht bereits Kulturen gab? Angenommen, es gab schon Steinhäuser, dann liegen deren Überreste metertief im Boden und übrig sind wohl kaum mehr als Grundmauernreste. Selbst wenn wir durch Zufall so etwas finden würden, könnten wir es nicht zuordnen, da sich Steine bekanntlich nicht datieren lassen, und würden es wohl für wesentlich jünger halten.
Wissen, das nicht gebraucht und täglich gepflegt wird, geht verloren. Wir versuchen heute alles Mögliche auf digitalen Datenspeichern festzuhalten, aber die haben alle nur eine begrenzte Lebensdauer. Gleichzeitig schreitet die Technik weiter voran und alle diese CDs und DVDs mit gespeichertem Wissen sind schon heute prekär, und spätestens nach weiteren 30, 40 Jahren wird die Information darauf verschwunden sein, noch lange bevor das Material selbst beginnt sich zu zersetzen, aber dann könnten wir mit diesen CDs ohnehin nichts mehr anfangen, weil die Technik weiter fortgeschritten ist. Schon heute gibt es keine Computer mehr mit Diskettenlaufwerken, und wer seine einstigen Daten nur auf Diskette gespeichert hat, steht heute dumm da. Worauf wird heute das Wissen gespeichert? USB-Sticks? Denen ergeht es genauso wie zuvor den Disketten und den CDs. Schon allein, weil es die Hardware-Geräte, an die diese Datenträger angeschlossen werden konnten, nicht mehr gibt, da die Technik längst über andere Speichermittel verfügt, die die alten obsolet gemacht hat.
Also selbst in einer Schriftkultur geht Wissen permanent verloren, selbst wenn es im Ganzen weiter voranschreitet. Schriftkulturen, soweit sie uns bekannt sind, gibt es aber erst seit gut 5.000 Jahren. Davor wurde das Wissen mündlich überliefert mit dem bekannten entstellenden und informationszersetzenden Datenverlust bei der oralen Übermittlung, die nicht 1:1 weitergegeben werden kann und die Information von Generation zu Generation entstellt und dabei stets neue Vorstellungen, die nichts mit der ursprünglichen Information zu tun haben, sondern Hinzudichtungen sind, aufnimmt und die ursprüngliche Information damit bereits nach wenigen Generationen bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Platon seine Atlantisgeschichte aus einer Unzahl von Gerüchten bzw. Geschichten, die zu seiner Zeit in den Kneipen und auf den Marktplätzen Athens umgegangen sein dürften, zusammengesetzt hat. Jede dieser Geschichten hatte wohl etwas mit dem Untergang einer sehr frühen, großartigen Kultur, entweder durch einen verheerenden Krieg oder durch eine noch verheerende Naturkatastrophe zu tun. Wahrscheinlich waren beide Versionen en vogue, daher hat er sie auch beide nicht alternativ, sondern kumulativ in seine Erzählung eingebaut: Erst wurde Atlantis vom tapferen Ur-Athen und dessen Verbündeten im Krieg besiegt, anschließend wurde es von einer verheerenden Naturkatastrophe binnen eines Tages und einer Nacht im Meer versenkt wie ein getroffenes Kriegsschiff. Möglicherweise beruhten die Geschichten, die sich zu seiner Zeit über diese untergegangene Hochkultur erzählt worden sein mochten, auf von Generation zu Generation weitergegebenen und entsprechend entstellten Erzählungen, die auf ein reales Geschehen hinweisen, aber im Lauf der Zeit so entstellt worden waren, dass es unmöglich war, Ort und Zeit der Katastrophe noch bestimmen zu können. Vielleicht handelte es sich tatsächlich um die Thera-Eruption 1300 Jahre vor Platon. Sie mag vielleicht dermaßen schlimm für die Bevölkerung des östlichen Mittelmeer gewesen sein, dass sie sich derart fest eingeprägt hat, dass sie tatsächlich so lange, wenn auch furchtbar entstellt und zu Hunderten verschiedener Versionen bzw. Sagen zerfasert, auch noch zu Platons Zeiten, kaum mehr als "Seemannsgarn", im Umlauf war. Angeblich begab sich Solon zu den Ägyptern, um von einem Priester – heute würde man sagen, von einem Fachwissenschaftler, von einem Geologen – mehr darüber zu erfahren. Möglicherweise wussten die Ägypter tatsächlich mehr, wenn es sich um die Thera-Katastrophe gehandelt hat, denn die Minoer, die erste bekannte europäische Hochkultur, die auf Kreta lebte und vor dessen Haustür auch Thera/Santorin lag, ging wenige Jahrzehnte danach zugrunde, aber es gab damals sicherlich genügend Beziehungen zwischen den Minoern und Ägypten, dass die Ägypter bereits kurz nach der Katastrophe informiert waren, was da geschehen war. Zu einer Zeit, als die Griechen sich als Volk gerade erst herausbildeten.
Wenn wir also heute so gut wie gar nichts über die Lebensweise und "Kultur" der Völker Eurasiens von 80.000 (geschätzter Zeitpunkt der Erstbesiedlung Asiens) und 12.000 vor heute wissen, heißt das nicht, dass sie 70.000 Jahre lang quasi auf der Nullstufe lebten, sondern dass es vor 73.000 Jahren eine Weltkatastrophe gab, die sämtliche kulturellen Entwicklungen, besonders in Afrika, das zu dem Zeitpunkt schon seit 130.000 Jahren vom anatomisch modernen Menschen bewohnt war, mit einem Schlag vernichtet hat, und dass wir nicht den Hauch einer Ahnung haben, ob es in der Zeit danach bis 12.000 vor heute schon Ansätze von Kulturen, Kulturen oder gar Hochkulturen gab. Zumal außer Stein alles frühzeitig verfällt. Wenn in 10.000 Jahren unsere Zivilisation zerstört ist und irgendwelche Aliens die Erde besuchen, stellen sie wahrscheinlich fest, dass es eine Hochkultur gab, die sich offenbar selbst vernichtet hat. Außer ein paar Pyramiden, die von dieser Hochkultur wohl errichtet worden waren, ist nichts übrig geblieben. Ob sie es bis zur Entwicklung des Rads und einer Schrift gebracht hat, lässt sich nicht mehr feststellen, daher ist man geneigt es zu negieren.
;)