Zellaktivator schrieb:Ich denke, dass ein wichtiger antreibender Faktor in der Intelligenzevolution des Menschen die sexuelle Selektion ist und über den gesamten Existenzzeitraum des Homo sapiens gewirkt hat und sogar immer noch wirkt.
So gesehen würde man vor 150.000 Jahren eben doch weniger (durchschnittlich) kreative und clevere Artgenossen antreffen.
Warum so weit zurückgehen; wie wäre es mit denen vor 75.000 Jahren, oder vor 50.000? Nun haben sich die (subsaharischen) Afrikaner und die Außerafrikaner bereits davor genetisch voneinander getrennt. Und getrennte Entwicklung bedeutet geradezu zwangsläufig auch unterschiedliche Ausprägung der separat erzielten Evolutionserfolge. Sind demzufolge die Afrikaner oder die Außerafrikaner in ihrer Intelligenz nicht so weit fortgeschritten wie ihre Kollegen? Studien - saubere Studien, die auch die soziale Situation von Probanden berücksichtigen, widersprechen dem.
Wieso haben wir heutigen Menschen dann auch noch im Schnitt hundert cm³ weniger als noch die Jungpaläolithiker unter unserer Hirnschale? Hat uns die sexuelle Auslese (dumm f*ckt gut) benachteiligt?
Realo schrieb:Da hast du allerdings recht. Es gibt da einen Anthropologenstreit, wann der moderne Mensch die Sprache (er)fand, die schwankt zwischen nur wenigen Jahrtausenden nach der Mutation zum anatomisch modernen Menschen, also bereits vor knapp 200.000 Jahren, und mit dem Beginn des Jungpaläolithikums vor knapp 50.000 Jahren. Die Wahrheit liegt wohl wieder irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Extrempositionen.
Das Zungenbein des Neandertalers wie sein erhöhter Rachenraum sagen da etwas anderes, nämlich daß bereits der letzte gemeinsame Vorfahre von Hs und Hn über Sprache verfügt haben muß (weil sonst diese beiden Merkmale nicht hervorgebracht worden wären; ihr Nutzen liegt einzig in der Sprache; das Nebeneinander von Luft- und Speiseröhrenzugang ist sogar nachteilig ohne Sprache). Auch die Neandertalerbestattungen zeigen, daß unsere Schwesterart bereits Vorstellungen pflegte und weitergab, die nur durch Sprache, nicht durch "Zeigen und Betrachten" vermittelbar waren. Sprache, wenngleich eine einfachere, dürfte damit wenigstens 500.000 Jahre alt sein.
Realo schrieb:Das liegt aber nicht daran, dass die Menschen damals dümmer waren, sondern weil sie praktisch ne carte blanche hatten und praktisch bei Null anfangen mussten. Da muss man erst mal drauf kommen, ne Sprache zu erfinden und sich mit allen anderen abzustimmen, auf welche Worte man sich für welche Begriffe einigt, und dann noch die ganzen Verben und Tempi. Das ist ein Prozess, der wohl immer wieder gescheitert ist, bis es eines Tages dann doch geklappt hat. Wenn wir heute in jener Zeit leben würden, täten wir uns aber sicherlich auch nicht klüger anstellen, denn dann wüssten wir erst mal gar nicht, was sprechen überhaupt ist.
Gar so ist es dann doch nicht. Zum einen haben auch Tiere eine Kommunikation, höhere sogar mit einer gewissen "Syntax". Vor allem aber haben wir Menschen geradezu eine "angeborene Syntax". Die Untersuchung von Pidgin- und Kreolsprachen hat da einiges zutagegefördert. In Regionen, in denen "Herren" zahlreichen "Untergebenen" ihre Sprache aufdrängen, meist solchen mit verschiedenen Muttersprachen, lernt die erste Generation diese Sprache nur sehr schlecht. Die "Herrensprache" wird geradebrecht. Fehler werden regelmäßig gemacht, aber immer wieder anders. Solche "Neumuttersprache" wird Pidgin genannt.
Die nächste Generation nun lernt dies als Hauptmuttersprache. Auch das klingt nach Radebrechen, doch werden die gemachten Fehler nun "normiert". Eine einheitliche Syntax bildet sich heraus, mit festen Regeln, Fällen, Präpositionen usw. Diese werden Kreolsprachen genannt. Sie nehmen auch diverse Wörter und Wendungen der Herkunftssprachen der Eltern auf. Aber die neue Generation verwendet dabei nicht nur das Vokabular und die Wendungen der Herkunftssprache der eigenen Eltern, sondern promiscue.
Witzigerweise ähneln sich die Kreolsprachen weltweit in auffallender Weise, unabhängig davon, welches die Herrensprache ist und aus welchen Sprachräumen die Unterprivilegierten ursprünglich stammten. Das spricht für jene "angeborene Syntax".
Sprachen verändern sich. Sie werden den sozialen, weltanschaulichen, technologischen usw. Bedürfnissen angepaßt, weichen so von der "angeborenen Syntax" mehr und mehr ab. Wo aber eine neue Sprache entsteht, bricht diese sich wieder Bahn - bis auch sie wieder dereinst überprägt wird.
Angeboren ist sicher nicht ein Vokabular. Und auch keine saubere Syntax. Aber sowas wie Boolesche Algebra, eine bestimmte Logik. Diese bildet dann das Grundgerüst, wie Sprache aufgebaut ist, welche Möglichkeiten und Nuancen ausgedrückt werden können.
Wie alt diese "angeborene Syntax" ist, keine Ahnung, nicht mal ansatzweise. Dies wäre womöglich das, was mal vor wenigen Jahrzehnten die Runde machte, ob nicht vielleicht der Hs vor vielleicht 50.000 Jahren eine Mutation durchmachte, die ihn zum Sprechen befähigte, sodaß er dadurch den Hn überflügelte. So isses natürlioch Quatsch; wie gesagt, Sprache ist älter. Aber ein verbessertes, vielfältigeres Sprechvermögen könnte dennoch irgendwann bei unseren bereits sprachbegabten Vorfahren aufgetreten sein. Wenn, dann aber auch nicht erst vor 50.000 Jahren. Da gab es bereits keine genetische Vermischung mehr zwischen Afrikanern und Außerafrikanern; da kamen gerade die ersten Leutz in Australien an. Da aber alle Menschen diese Sprachfähigkeit haben, muß diese schon vor der Aufspaltung aufgekommen sein. Und kann damit auch nicht verantwortlich für den "Sieg des Hs vor dem Hn" sein. Denn im Bereich des Nahen Ostens lebten HS und HN bis 50.000 Jahre nebeneinander, ohne daß eine Spezies die andere überflügelte oder verdrängte. Das Überflügeln ging nicht vor dem mittleren Jungpaläolithikum los.
Wenn diese "angeborene Syntax" im Mittelpaläolithikum keinen evolutiven Vorteil des Hs gegenüber dem Hn brachte, könnte auch jener eine ähnlich effektive Sprache gehabt haben. Womöglich ebenfalls als "angeborene Syntax". Und sollte diese nicht zweimal entstanden sein, so wäre die "angeborene Syntax" ebenfalls schon 500.000 Jahre alt, vom letzten gemeinsamen Vorfahren hervorgebracht. Die primitivere Sprach-Vorstufe müßte dann nochmals deutlich älter sein.
Sprachvorstufen werden von manchen bereits für den Australopithecus veranschlagt. Die Fähigkeit von Menschenaffen (alle drei Gattungen!) zum Erlernen von simpler Sprache mit Vokabular und rudimentärer Syntax (Dreiwortsätze) sprechen da Bände.