Atlantis – prähistorische Hochkultur oder frühester Science Fiction?
03.09.2015 um 23:02
Zur 1. These:
Entwicklung (Evolution) verläuft auf biologischer Ebene stets nach dem gleichen Muster: Selektion – Mutation – Rekombination, also praktisch in Entwicklungssprüngen (Mutation). Positive Mutationen, die den Organismus gegenüber der Umwelt erfolgreicher machen, werden angenommen und genetisch weitergegeben; der Teil der Population, der diesen Mutationssprung nicht mitmacht und daher nicht vererben kann, stirbt aus. Die Entwicklung verläuft stets von primitiveren zu komplexeren Strukturen.
Fragen, die bisher wohl noch nicht oder noch nicht befriedigend geklärt sind, beziehen sich auf die Dauer, in denen eine Spezies organisch relativ unverändert bleibt, obwohl auch bei dieser ab und zu Mutationen erfolgen. Beim Menschen z.B. hat es seit etwa 200.000 Jahren – je nachdem wie alt der "anatomisch moderne Mensch tatsächlich ist – keine grundlegende Veränderung gegeben, vergleichbar der vom Homo erectus zum Homo sapiens. Einige Jahrzehnte lang vertraten die (nicht die, einige, aber wohl die einflussreichsten) Anthropologen, der Mensch sei "fertig" bzw. "abgeschlossen" und könne sich nun nicht mehr grundlegend weiterentwickeln, sondern wenn überhaupt, würde sie mehr im "geistigen" Bereich vor sich gehen, etwa in Form einer langsamen Intelligenzsteigerung, was wiederum zu Fortschritten in Wissenschaft und Technologie führen würde, ohne dass sich am biologischen bzw. genetischen Grundgerüst noch viel ändern würde, da man sich schon längst nicht mehr an sich wandelnde Umweltverhältnisse anpassen müsse, die eventuell eine weitere biologische Evolution wünschenswert erscheinen ließen.
Inzwischen ist man von dieser ziemlich engstirnigen und dogmatischen Grundhaltung etwas abgekommen, aber natürlich kann man nicht sagen, wie es weiter geht, und ob wir als "Homo sapiens" nur eine Übergangsform zu einem Zukunftsmenschen sind, der auch biologisch weiter ist als der heutige anatomisch moderne Mensch. Aber dazu kann man nichts sagen. Man weiß nur, dass es ab und zu nicht nur kleine, sondern auch große, grundlegende Mutationen gibt, die sehr schnell gehen können. Nur, wie die aussehen könnten, darüber lässt sich natürlich nichts sagen. Wenn ich mir selbst was wünschen dürfte, wäre das eine bessere Verbindung der unteren Wirbelsäule zu den Gehgelenken. Jetzt, wo ich nicht mehr der jüngste bin, spüre ich meine Bandscheiben leider alles andere als angenehm und kenne die Defizite, und da dieses Leiden einen großen Teil der älter werdenden Bevölkerung betrifft, ist das für mich ein Hinweis, dass der menschliche Körper wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange sein dürfte und dass es hier noch Optimierungen gibt, die sich mit zukünftigen Mutationen wohl durchsetzen dürften.
Es gab in diesen schätzungsweise 200.000 Jahren des Homo sapiens eigentlich nur eine wirklich entscheidende Entwicklung, wobei die bisher ungelöst Frage ist, wann sie geschah, denn genau der Zeitpunkt ist wichtig für die Beantwortung der Frage, warum das Paläolithikum so schier endlos lange gedauert hatte, bis sich die Technologie endlich etwas schneller und sichtbar fortentwickelte. Ich meine natürlich den Beginn der Sprache. Sämtliche organischen Voraussetzungen für den Sprachgebrauch waren seit Beginn des anatomisch modernen Menschen komplett, und denn dauerte es noch eine ganze Weile, bevor die Menschen die Sprache als Kommunikationsmittel erfanden und erst in diesem Prozess soziale Wesen wurden, die sich nachhaltig von den Tieren unterschieden. Teile der Anthropologen sind der Ansicht, dass es nur ein paar Jahrtausende brauchte, ehe sich die Menschen sprachlich zu verständigen begannen und unspezifische Laute zu Wörtern und Begriffen weiterentwickelten. Andere glauben, dass es Zehntausende von Jahren dauerte. Einige Anthropologen glauben, dass die menschliche Sprach erst vor rund 50.000 bis 45.000 Jahren begann, was auch "zufällig" zusammenfällt mit dem Beginn des Jungpaläolithikums und der Besiedlung Europas durch den Cro-Magnon.
Sobald die Sprache entwickelt war, konnte man sich, anders als sämtliche bisherigen Spezies, über nahezu alles unterhalten. Zum ersten Mal in der biologischen Evolution der Arten war man nicht mehr ausschließlich Objekt der Natur (und der Umwelt), sondern Subjekt der (eigenen) GESCHICHTE und besaß damit die Fähigkeit, die Zukunft nicht allein durch die Natur als Geworfener hinzunehmen, sondern sie im Gegenteil selbst zu gestalten.
Da sich seither organisch nichts getan hat, war der anatomisch moderne Mensch von Anfang an gleich intelligent wie wir heute. Solange er aber noch keine Sprache hatte und außer durch Gestik und Mimik nichts über das biologisch Grundlegende hinaus mitteilen konnte – und sich daher rein sozial nicht vom Neandertaler unterschied – war er über viel Jahrzehntausende hindurch, nämlich so lange wie er die Sprache noch nicht hatte, einer scheinbar unkontrollierbaren Invasion von Gedanken ausgeliefert, die er nicht fassen, nicht benennen, und über die er eben mangels Sprache auch nicht mit anderen reden konnte. Ich tendiere daher, weil dieser Zustand ziemlich unerträglich gewesen sein muss, zu der Ansicht, dass er die Sprache so schnell wie möglich, d.h. innerhalb weniger Jahrtausende nach der "Menschwerdung" erfand, quasi aus der Not heraus, denn ohne Sprache erscheinen einem die Gedanken als Heimsuchungen fremder Geister und Dämonen.
Wenn diese Annahme stimmt, besitzt der Mensch die Sprache seit mindestens 150.000 Jahren. Und damit die Möglichkeiten, sich mit seinen Gefährten darüber zu unterhalten, wie wir leben und "die Welt gestalten wollen". Ideen werden ausgetauscht. Wie sollte es möglich sein, Jahrzehntausende lang die gleichen Steinwerkzeuge und -waffen immer und immer wieder zu bauen ohne Innovationen bzw. Weiterentwicklungen, wenn der Kopf doch voller Ideen steckt und man auch darüber reden kann? Was sollte eine Gruppe von Leuten (Sippe, Stamm, Volk) davon abhalten den Ort zu wechseln, wenn aufgrund veränderter Klimabedingungen das Jagdvieh bereits davon wandert?
Es ist unvorstellbar, dass ein Volk, das ja ohnehin aus Nomaden besteht, an Ort und Stelle bleibt, wenn sich die Umweltbedingungen kontinuierlich verschlechtern. Und wir wissen ja aus der Klimageschichte längst, dass die Leute deshalb Nomaden blieben statt feste Siedler, weil sich das Klima permanent veränderte; zwar nicht innerhalb von Jahren, aber doch innerhalb von 3, 4 Generationen. Allerdings beziehen sich die Klimaschwankungen primär auf die Regionen mit den höheren Breitengraden und auf das Kontinentalklima, während sie in den tropischen und subtropischen Zonen nur minimale Auswirkungen hatten, auch wenn sich die Niederschlagsverteilung wohl änderte.
Es spricht daher nichts dafür, dass sich unsere Altvorderen über weit mehr als 100.000 Jahre oder 5.000 Generationen hinweg ohne die geringste Entwicklung immer nur im Kreis gedreht hätte auf niedrigstem Altsteinzeitniveau, obwohl sie genauso intelligent waren wie wir heute. Es liegt einfach im Wesen des Menschen, schon allein aus Neugier, seine Kreativität zu entfalten und Neues auszuprobieren.
Ich bin daher überzeugt davon, dass es in diesem 150.000 bis 200.000 Jahren der Altsteinzeit immer wieder Entwicklungen hin zu Kulturbildung gegeben haben muss, von denen wir nur nichts wissen, da die archäologischen Belege fehlen. Fast alle archäologischen Nachweise wurden in Höhlen gefunden, die aber von den Nomaden immer nur sporadisch benutzt wurden, wahrscheinlich nur drei, vier Monate der dunkelsten Zeit zum Überwintern, ehe es dann wieder nach draußen ging. In den Höhle konnte man eben nur das finden, was die Menschen in der Winterzeit, als sie dort ums Feuer saßen, zurückgelassen haben. Das gibt aber nur sehr bedingt Aufschluss über ihre kulturelle Entwicklungsstufe. Offenbar kannten sie noch keine Keramik, waren aber teilweise kulturell schon sehr hoch entwickelt (Willendorf, Lascaux, Altamira). Aber die Höhlenfunde beinhalten ja nur maximal 1% des tatsächlichen archäologischen Nachlasses, da die Höhlen eben nur der Aufenthaltsort war, wo die Menschen die kürzeste Zeit der jahreszeitlich bedingten gezwungenen Unbeweglichkeit verbrachten. Der weitaus größte Teil der Gegenstände, mit denen sie es im Leben zu tun hatten, liegt metzertief unter der Erde oder im Schlamm des Schelfmeerbodens.
Mir ist hier wiederholt vorgeworfen worden, ich würde zu viel spekulieren. Ich tue das allein schon deshalb, weil ich überzeugt davon bin, dass es wiederholt Versuche zur Kulturbildung gegeben haben muss, von denen wir nur nichts wissen, weil es zeitlich so weit zurückliegt und archäologisch so schwer zu fassen. Wir lernen aber durch die Erkenntnisse der Populationsgenetik immer präziser die Bewegungen der prähistorischen Völker in Raum und Zeit kennen und wissen daher in etwa, wo wir zu suchen haben, wenn wir archäologischfündig werden wollen. Auch wenn wir nur in etwa die Gegenden kennen, aber sie sollten in jener Region wohl an einem Fluss liegen, möglichst noch an einem Zufluss durch einen Nebenfluss und auch über Land verkehrsmäßig einigermaßen zugänglich sein. Neben dem Nil bieten sich für prähistorische Lebensgebiete und "Jagdgründe" die großen Ströme Euphrat/Tigris, Wolga, Indus, Bramaputra, Jangtsekiang, Gelber Fluss, Mekong und Donau an – letztere allerdings nur bezogen auf die letzten 45.000 Jahre, denn davor war Europa ausschließlich von Neandertalern besiedelt. Entlang dieser Flüsse müsste man halt an strategisch günstig erscheinenden Stellen auf gut Glück mal zu graben versuchen. Leider sind die meisten strategisch wichtigen Stellen heute von Großstädten überbaut.