AnGSt schrieb:Ich habe „Emergenz“ noch nicht verstanden und wiki ist mir da zu kompliziert. Was ist das in einfachen Worten?
Emergenz, so wie ich es verstanden habe, beschreibt die gewollte nahezu völlig Aufhebung von Fächergrenzen der einzelnen (Pseudo-)Wissenschaften. Diese gewollten Freiheiten erlauben dann in der Praxis alle möglichen Querverbindungen, mit dem Ziel, dadurch neue und fundierte Zusammenhänge zu erschaffen. Man nehme also völlig beliebige, durchaus auch bislang zusammenhangslose Ausgangskomponenten, werfe sie zusammen und schaue, ob dabei etwas entsteht, was einem vertraut vorkommt.
In der Praxis scheint das dann so abzulaufen, dass wir beispielweise die Zahl des goldenen Schnitts hernehmen und anstatt ihre berechtigte Existenz nur mit mathematischen Methoden, einem Stift und einem Zettel zu erklären, so nehme ich mir jetzt einen Stift, meinen Kaffeebecher, meinen Hausschlüssel, die Lottozahlen vom Mittwoch, lade einen Jursiten zu mir nach Hause ein und versuche mal, ob ich auch damit genauso irgendwie erklären könnte, wie der goldene Schnitt zu Stande kommt.
Wenn das gelingen sollte, dann hätte ich den selben Erkenntnisgewinn mit ganz anderen und ehemals völlig zusammenhangslosen Einzelkomponenten gezeigt und könnte diese Methodik dann emergent bezeichnen.
AnGSt schrieb:Und heißt „Kritikresistenz“, dass es wahr ist, oder nur dass man effektiv nichts daran bezweifeln kann, aber ohne Aussage über die Wahrheit.
Das Wort "kritikresistent" will ich mit dem altbekannten Kinderspiel "Ich sehe was, was du nicht siehst." beschreiben.
Spielen wir jetzt eine Runde. Ich sehe was, was du nicht siehst und das hat Ecken.
Der Tisch? Nein. Der Schrank? Nein. Die Tür? Nein. Der Fernseher? Nein. ... Mein Brillengestell? Nein. Dein Quadratschädel? Nein. ... Irgendein Knubbel auf der Raufasertapete? Nein. ...
Nach einer halben Stunde hat man dann alles nur denkbare und undenkbare Eckige im Wohnzimmer benannt und fängt an dem "Sehenden" zu unterstellen, dass es ansonsten gar nichts mehr gäbe, was noch eckig sein könnte und er uns doch nur an der Nase herumführt.
Er besänftigt uns nun aber, weil er meint, dass hier doch noch etwas Eckiges sei, was wir bislang übersehen hätten.
...
So. Was will man jetzt als "Nichtsehender" dagegen sagen?
Es ist zwar grundsätzlich im Bereich des Möglichen, dass er wirklich etwas meint, was wir selbst nach Stunden noch nicht benannt haben, aber er könnte uns auch anschwindeln und trotzdem Jahrelang mit uns in diesem Wohnzimmer sitzen und dieses Spiel mit uns spielen. Aus unserer Perspektive wissen wir es nicht und solange er uns nicht verrät, was er denn meint, solange bleibt für uns auch nur die Option irgendwann einfach aufzuhören.
Verlieren kann er in seiner Position nicht.
Spieltheoretisch clever, menschlich aber zutiefst zweifelhaft.
So etwas meine ich auch hier wiederzufinden.
Das Konstrukt steht im Raum und jemand meint darin etwas grandioses zu sehen. Als Umstehende sehen wir dies aber scheinbar einfach nicht.
Jetzt ist es legitim, wenn der Sehende wiederholt aussagt, dass er da etwas sieht. Dies allein bringt uns, die wir uns verwirrt fragen, was er denn nun meinen könnte, keinen Schritt voran, weil wir, die wir es allesamt nicht sehen, nicht mit Sicherheit sagen können, ob er vielleicht nur halluziniert oder dort doch ein unsichtbarer Schlumpf auf dem Schrank sitzt, der nur von ihm gesehen werden kann.
Da es bisher ja auch keine Anleitung dazu gibt, wie wir diesen Schlumpf auch erkennen können, so ist es bedingtermaßen naheliegender die Erklärung der Halluzination anzunehmen.
Letztlich steht dann eben Aussage gegen Aussage.
Wenn es Einbildung sein sollte, dann ist es Wurst, was wir schreiben, weil er die "Selbstverarschung" nur eigenständig auflösen kann.
Wenn es keine Einbildung sein sollte, so muss über kurz oder lang aber eine Möglichkeit her, wie auch Andere dieses Ding nun sehen können. Solange so etwas ausbleibt, weis man als Außenstehender irgendwann auch nicht mehr, was man noch dazu sagen sollte.