Der Fall Uwe Barschel
22.10.2020 um 11:01monstra schrieb:Und das Schlimme dabei waren nicht nur die Verfehlungen oder die Verantwortung, sondern die gewaltige Diskrepanz zwischen konservativen Image und schmutzigen Tricks.Ich würde sogar von einem "Saubermann-Image" sprechen, ein Saubermann, der sich als schmieriger Politganove mit schmutzigen Tricks entpuppt hat. Die alte Geschichte von "Außen hui und innen ......." ... na ja.
Irgendwie passt alles ins Bild, bis hin zum feigen Selbstmord. Und auch, dass die Witwe Barschel von Anfang an auf Mord gesetzt hat. In dieser Familie war der Schein offensichtlich unglaublich wichtig, weitaus wichtiger als die Wahrheit!
"Ausspionieren, denunzieren, vertuschen - so beschreibt ein einst enger Mitarbeiter die Methoden Uwe Barschels schon zehn Jahre vor seinem Rücktritt und Tod. Der CDU-Politiker habe "Krieg gegen politische Gegner" geführt."Quelle: https://www.spiegel.de/fotostrecke/eid-ehrenwort-tod-eines-politikers-tricky-barschel-fotostrecke-162881.html
Weitere Zitate aus dieser Quelle:
"[...]Noch Fragen?
Von 1975 bis 1979 war Günther Potschien (rechts) Geschäftsführer der CDU-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag und damit die rechte Hand des Fraktionsvorsitzenden Uwe Barschel.
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Schon in den Siebzigerjahren, schreibt Potschien jetzt, habe für Barschel die "Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner Krieg" bedeutet.
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In den Neunzigerjahren, nach Barschels Tod, traf Günther Potschien (2. von links, hier 1976 im Gespräch mit Marinereserveoffizier Hartwig Niewerth, einem Schulfreund) nach eigenem Bekunden zweimal einen BND-Agenten. Dieser, schreibt Potschien, habe geäußert, dass Barschel beim illegalen Verkauf von U-Boot-Plänen der Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft an den damaligen Apartheidstaat Südafrika nur eine nachrangige Rolle gespielt habe; ein Motiv für einen Mord sei darin nicht ersichtlich.
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Um sich selbst zu inszenieren und politische Gegner ins Zwielicht zu rücken, schreibt Potschien, habe Barschel handverlesene Journalisten an fingierten "Bürgersprechstunden" teilhaben lassen.
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Der ehrgeizige CDU-Mann wurde 1979 in Schleswig-Holstein zunächst Finanz-, dann Innenminister und im Oktober 1982 Ministerpräsident.
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Er werde, schwor der Barschel vor dem Landtag, seine "Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen Menschen üben".
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Helmut und Hannelore ("Loki") Schmidt waren 68 Jahre lang verheiratet, als sie 2010 starb (Foto von 1979). Ihre Ehe galt in der Öffentlichkeit als vorbildlich. Nur wenige wussten, dass Schmidt jahrelang eine heimliche Geliebte hatte, was er selbst 2012 in seinem letzten Buch bekannte. Die Frau wohnte in den Siebzigern in Hartenholm, wo der damalige Kanzler sie oft besuchte. Dies wurde 1977 in der Kieler CDU-Landtagsfraktion bekannt, worauf Uwe Barschel seinen Fraktionsgeschäftsführer Günther Potschien nach dessen Angaben beauftragte, Schmidt nachzuspionieren.
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Der von Barschel als "Medienreferent" in die Kieler Staatskanzlei geholte Journalist Reiner Pfeiffer bezichtigte sich, auf Weisung des Ministerpräsidenten Barschel den SPD-Spitzenmann Björn Engholm durch eine anonyme Steueranzeige wegen angeblicher Steuerhinterziehung denunziert sowie eine Bremer Detektei beauftragt zu haben, Engholm wegen vermeintlicher "homosexueller Neigungen" und außerehelicher Beziehungen zu Frauen auszuspähen.
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Bei einer Pressekonferenz am 18. September 1987 erklärte Uwe Barschel unter großem Medienandrang im Kieler Landeshaus, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe "haltlos" seien. Er bekräftigte diese Behauptung pathetisch mit seinem "Ehrenwort". Kurz darauf kam heraus, dass er enge Mitarbeiter zu falschen eidesstaatlichen Versicherungen gedrängt hatte, die seine Verteidigung untermauern sollten.
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In der Badewanne von Zimmer 317 des Genfer Hotels "Beau Rivage" wurde der zurückgetretene Ministerpräsident Uwe Barschel am 11. Oktober 1987 tot aufgefunden.
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Todesursache war eine Vergiftung durch Medikamente. Ob Barschel Suizid beging oder ermordet wurde, ist bis heute umstritten.
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Der ehemalige schleswig-holsteinische Generalstaatsanwalt Erhard Rex erteilte 2007 in einem 50-seitigen Bericht allen publizierten Verschwörungstheorien eine klare Absage: "Wer Geld verdienen will, der tut gut daran, Mordthesen nach vorn zu stellen und einen Suizid herunterzuspielen oder sogar auszublenden.".
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Der aus Hamburg stammende CDU-Politiker Jürgen Westphal war noch von Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg 1973 als Wirtschaftsminister ins Kabinett berufen worden. Er stimmte nach eigener Aussage 1982 nur deshalb für Barschel als Stoltenbergs Nachfolger, weil die CDU lediglich über einen Sitz mehr im Landtag verfügte als die Opposition. Die "charakterliche Eignung" für das Amt sprach ihm Westphal ab.
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Bei der ersten Sitzung des vom Kieler Landtag eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der "Waterkantgate"-Affäre sagte Finanzminister Roger Asmussen (CDU) am 7. Oktober 1987 aus, Barschel habe sich bei Finanzstaatssekretär Carl Hermann Schleifer bereits Anfang des Jahres nach der Steueranzeige gegen Engholm erkundigt; also musste der Ministerpräsident entgegen seiner Beteuerung von Pfeiffers anonym versandter Denunziation gewusst haben. Deshalb wurde Barschel, der auf Gran Canaria Urlaub machte, nach Kiel zitiert, wo er am 12. Oktober hätte aussagen sollen.
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Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses wurde einstimmig, auch von den Mitgliedern der CDU-Fraktion, festgestellt, dass bei vielen Machenschaften Pfeiffers zumindest eine Mitwisserschaft Barschels erwiesen oder jedenfalls sehr wahrscheinlich sei.
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Nach jahrelangen Recherchen, mit denen er einen Mord an Uwe Barschel nachweisen wollte, musste der Lübecker Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Wille (rechts) sein Scheitern eingestehen. An der Seite von Landesjustizminister Gerd Walter (SPD) stellte er am 7. Mai 1998 der Öffentlichkeit seinen Abschlussbericht vor. Darin heißt es, die entscheidende Frage - Suizid oder Tötung - müsse offenbleiben. Auch die Frage nach möglichen Tatmotiven oder Tätern sei nicht zu beantworten, weiterer Erkenntnisgewinn nicht mehr zu erwarten.
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Obwohl er und sein Team die Mordthese nicht erhärten konnten, publizierte Heinrich Wille nach seiner Pensionierung als Leitender Oberstaatsanwalt ein Buch mit dem Titel "Ein Mord, der keiner sein durfte". Am 24. August 2011 präsentierte er es in Lübeck. Darin wirft er Vorgesetzten und Politikern vor, seine Ermittlungen behindert zu haben - nach Ansicht von Günther Potschien "unprofessionelle Einseitigkeit und Schaumschlägerei"; Wille habe sich "verrannt".
[...]"
Man beachte auch die Daten "11. Oktober" und "12. Oktober 1987": Barschel verstarb einen Tag bevor er sich dem UA im Kieler Landtag hätte stellen müssen, also zu einem Zeitpunkt zu dem er bereits der Lüge überführt war (s. o. roter Text).
Zumindest die Variante "Unschuldslamm" fällt für mich damit aus. Ich halte die Vorwürfe Pfeiffers - was immer man vom ihm halten mag - für (zumindest im Großen und Ganzen) berechtigt. Die Kernbotschaft dürfte stimmen. Gleichzeitig ergibt sich für mich damit ein gravierendes Selbstmordmotiv Barschels.
Natürlich schließen Getrickse und Mord einander nicht aus. Für mich stellt sich dennoch die Frage, was der Wahlkampfskandal 1987 mit einem etwaigen Mord zu tun haben soll. Außer natürlich, dass ein evtl. inszenierter Mord einen feigen Selbstmord kaschieren sollte.
Also wenigstens noch "würdig" abtreten, und nicht als Selbstmörder. Wo Selbstmord doch gerade in konservativen Kreisen als unehrenhaft galt (und in Barschels Fall auch einem Schuldeingeständnis gleich kam). Wenn denn seitens Barschel ein Mord überhaupt zu inszenieren versucht wurde. Schon das halte ich für fraglich.