Slaterator schrieb:Was man hätte finden können/müssen wenn man gründlich genug, weitestgehend pannenfrei und in alle Richtungen ermittelt hätte, kann man deshalb nicht sagen, weil die Ermittlungen eben nicht gründlich genug, weitestgehend pannenfrei und in alle Richtungen geführt wurden.
Du wiederholst diesen Vorwurf mehrfach, insbesondere die "Ermittlungen in alle Richtungen".
Wir hatten hier schon das Thema, inwieweit es
ex post zulässig ist, davon zu sprechen, wenn
ex ante - zum Zeitpunkt der Ermittlungen bestimmte Annahmen und Prognosen zulässig waren. Ich wäre da aus Laiensicht immer vorsichtig. Ob etwas kriminalistisch zum Zeitpunkt der Ermittlungen geboten gewesen wäre, hängt davon ab, wie die Spurenlage war und ob diese Spuren angesichts des Gesamtbildes mit gebotener Gründlichkeit ausermittelt worden sind.
Generalstaatsanwalt
Rex schreibt dazu:
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Hotelzimmer keine besonderen Auffälligkeiten
aufwies. Die Tür wies keinerlei Spuren von Gewaltanwendung auf,
das Schloss war funktionsfähig, es gab keine Abwehrspuren an den Wänden
oder an sonstigen Gegenständen, die Hotelzimmereinrichtung war geordnet. Im
gesamten Bereich des Flures konnten an den Wandflächen bzw. Zargen keine
daktyloskopischen Spuren festgestellt werden, die auf ein Abrutschen von
Handflächen etwa durch Festhalten aufgrund von Gewalteinwirkung hindeuten
würden. Verschmutzungen pp. konnten im Bereich des Flures ebenfalls nicht
festgestellt werden.
Wenn es also um Spuren für Mord geht, so muss nach sehr kleinen unauffälligen,
damit aber auch mehrdeutigen Spuren gesucht werden. Es müsste sich
dann um Spuren handeln, die evtl. auch ein hochprofessioneller Mörder, dessen
Aufgabe es ist, den Mord als Selbstmord erscheinen zu lassen, versehentlich
hinterlassen hat.
Die Genfer Polizei hat nach
offensichtlichen Spuren für einen Mord gesucht. Das tut man bei jedem unnatürlichen Tod. Aber sie haben nicht nach verdeckten oder versteckten Spuren für einen Mord gesucht. Warum sollten sie? Dafür hätte es eine Auffälligkeit geben müssen, die zumindest den Verdacht hätte entstehen lassen müssen, das Suizidszenario verdecke eine Tötung. So wie ich den nicht erkennen kann, erkannten ihn die Beamten der Polizei auch nicht. Sowohl die Schuhe, als auch das "blasse Hämatom" sind neutrale Anhaltspunkte, sie alleine reichen nicht für einen Anfangsverdacht.
Ich würde von Panne oder Versäumnissen sprechen, wenn sie Barschel nicht obduziert hätten. Das haben sie. Sie haben sogar eine Liste von allen Medikamentenverpackungen angefertigt, die sich im Zimmer befanden. Diese Asservate wurden nicht an die StA Lübeck übermittelt, was ich für einen sehr verzeihliches Versäumnis halte. Schließlich sind da 1000 km zu überbrücken. Der Leiche von Barschel hat der Transport im Übrigen auch nicht gut getan.
Slaterator schrieb:Auch hierzulande wurde nicht gründlich genug, weitestgehend pannenfrei und in alle Richtungen ermittelt.
Das erschließt sich mir nun erst recht nicht. Aus Sicht der StA Lübeck hat man jahrelang alles getan, was möglich war, um ein Tötungsdelikt aufzuklären. Man hat jeden Hinweisgeber abgeklappert, von der Stasi bis in den Iran. Auch angebliche Verbindungen Barschels zur "Gesellschaft für Humanes Sterben" (ergebnislos). Dass sie nicht den Suizid selbst nicht aufgeklärt haben, war formal richtig, weil es eben nur um die Aufklärung eines Tötungsdelikts ging. Ich hätte mir dennoch mehr in diese Richtung gewünscht, will mich aber nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen.
Es bleiben einfach Erkenntnislöcher, die sich nicht füllen lassen. Da muss nicht immer jemand Murks gemacht haben. Diese Haltung haben wir Sicherheitsbehörden gegenüber meiner Ansicht nach eh immer zu häufig, so als ob sich alles aufklären oder verhindern ließe, wenn man sich nur genügend anstrengen würde (siehe NSU oder Anis Amri). Sorry, es gibt nun mal das Leben, das sich trotz DNA-Tests und Elektronenmikroskopen nicht immer sicher genug wissenschaftlich aufklären lässt. Insbesondere menschliche Motivlagen.
Damit müssen wir leben. Die Strafgerichte sind angesichts von offensichtlichem Unrecht eh schon früh genug dabei, eine innere Tatsache wie den Vorsatz aus den äußeren Tatumständen zu konstruieren (Mord bei Raserei in Berlin, Mittäterschaft bei Zschäpe).