OpLibelle schrieb:Wenn wir einmal annehmen, ein Geheimdienst habe den Mord begangen, dann war aber kaum ein anderer Ort oder eine andere Zeit möglich.
Das Argument zieht nicht. Ich hätte ihn in Cran Canaria die Hoteltreppe runter- oder von einer Klippe fallen oder einen Autounfall erleiden lassen. Oder als Opfer eines Raubmordes inszeniert. In einem Hotelzimmer einerseits großkotzig Badewannensuizide zu inszenieren und andererseits recht stümperhaft rumzurandalieren (Schuhe, Fußabdrücke usw.) ist kein Ausweis professioneller James Bonds.
2800 schrieb:Selbstmord ist schwer möglich, eben aufgrund der zeitlichen Abstände der Medikamenteneinnahme inklusive Bewusstlosigkeit.
Nein, das stimmt nicht. Das toxikologische Gutachten, auf das Du Dich beziehst, konnte dies nicht nachweisen. Es hat es (aufgrund der von der Familie vorgegebenen Fragestellung) es für nicht ausgeschlossen (also möglich) gehalten, dass die tödlichen Medikamente auch NACH Eintritt der Bewusstlosigkeit eingenommen worden sein könnten. Aber nicht müssen. Genauso lassen es die Obduktionsergebnisse zu, dass die tödlichen Stoffe VOR Bewusstseinsverlust vom Opfer willentlich selbst eingenommen wurden.
2800 schrieb:Selbstmord mit Hilfe - so spontan? Keine seriöse Stelle hätte ihm geholfen, eine weniger seriöse Hilfe wäre mittlerweile an die Medien gegangen bei all dem Interesse - und auch die hätte Herr Barschel erst finden müssen.
Kein Argument. Die Helferthese speist sich aus den Todesumständen und -ort. Assestierter Suizid ist in der Schweiz schon im Angebot von Organisationen, die diskret agieren. Ein dort tätiger Arzt oder Assistent wäre an seine Schweigepflicht gebunden. Ich halte die These für nicht abwegig, aber unwahrscheinlich.
2800 schrieb:Folglich fehlt das Motiv für einen Mord.
Richtig.
Wir haben dagegen auf der Hand liegende Motive für einen Suizid und können auch das Legen falscher Spuren (angeblicher Informant) erklären, die der Entlastung von den Vorwürfen dienen sollten. Dementsprechend klammern sich die Familie und Sympathisanten an ein Verbrechen, was zeigt, wie wichtig aus dieser Sicht diese Inszenierung Barschels war.
Zugleich haben zwei Untersuchungsausschüsse festgestellt, dass Barschel von den Machenschaften Pfeiffers gegen Engholm zumindest wusste (streitig ist, ob er sie explizit beauftragt hat). Er hätte vor dem Untersuchungsausschuss unter strafbewehrter Wahrheitspflicht darüber Auskunft geben müssen, was er tatsächlich wusste. Er hätte dann entweder lügen müssen - oder zumindest zugeben müssen, dass er diese "schmutzigen Tricks" kannte. Ein politisches Todesurteil. Es wäre nur noch das Auswandern nach Kanada geblieben, immer verfolgt von der Boulevard-Presse, als
persona non grata im eigenen Land. Nicht jeder hat die Rossnatur eines Hochstaplers Guttenberg...
So bleibt ein Geheimnis. Und ich glaube, Barschel wollte das auch so, als er in die Badewanne stieg. Er war verzweifelt, sah für sich keine Zukunft mehr, nicht ohne die Droge Politik und Aufmerksamkeit, von denen er so abhängig war, wie von seinen hohen Dosen Lorazepam-Tabletten. Er hatte erst wenige Monate zuvor als Einziger ein schweres Flugzeugunglück überlebt. Wir wissen nicht, wie sehr ihn das traumarisiert hat. Zugleich wollte er mit seinem Tod seinen Namen irgendwie reinwaschen. Das tat er - meine Spekulation - vorrangig der Familie wegen. Sie sollte sich sagen können, der Ehemann und Vater sei kein Verbrecher sondern ein Opfer gewesen.
Barschel war hochintelligent und krankhaft ehrgeizig. Er war es gewohnt, seine Ziele zu erreichen. Es ist ihm auch im letzten Akt gar nicht mal so schlecht gelungen, wenn man sich die Irrungen der StA Lübeck, die Diskussion hier oder in diversen Medien ansieht.