@skagerak Ja natürlich projizieren viele Menschen in andere nur das hinein, was sie selbst zwar gern wären, aber nicht hinbekommen. In die edlen Wilden, die eins sind mit sich selbst und der Natur, die dieser nicht schaden und so. Und die ohne Geld und materielle Güter leben und glücklich sind. Ist zwar in der Realität zumeist beileibe nicht so rosig wie geglaubt, und vor allem bleibt man selbst hinter diesem Ideal meilenweit zurück, aber es hilft den Menschen durchaus, mit sich selbst besser klarzukommen.
Ebenso hilft der unzivilisierte Wilde, der keine Gesetze und kein moralisches Verhalten kennt, als Kontrastfigur, sein eigenes kümmerliches Leben mit kleinen Unmoralitäten und großen Lügen dennoch für besser halten zu können als das Leben jener anderen. Womöglich spricht Ausländerfeindlichkeit deshalb auch besonders Underdogs an, die "Kleinen Leute", die mit ihrer gesellschaftlichen Stellung usw. unzufrieden sind. "Ja, aber wir sind dennoch mehr wert als die da (und die sind auch noch schuld, daß es uns so geht)".
So reden sich auch Verbrecher ihr Verbrechersein schön. "OK, ich hab mal was gemopst im Laden, aber ich hab nie einem Menschen was gewaltsam geraubt." - OK, ich habe mal ner Oma die Handtasche gewaltsam weggerissen, was Raub ist, aber ich hab ihr nix gebrochen." - "OK, ich hab jemanden schon mal so zusammengeschlagen, daß der mehrere Brüche hatte, aber ich hab nie einen Menschen getötet." - "OK, ich hab auch schon mal wen umgebracht, aber ich vergeh mich nicht an Kindern." Man ist zwar nicht gut, aber es gibt eine Grenze zum Schlechtsein, für die man noch gut genug ist, sie nicht zu überschreiten. Sowas nennt man Gaunerehre, die vor allem nur eines ist, sich selbst besser zu fühlen, mit sich selbst besser leben zu können. (Der KiFi im Knast hat dann niemanden mehr, der noch tiefer steht als er selbst, der kann dann nicht mehr sagen "OK, ich hab mich zwar an Kindern vergangen, aber...")
Es geht ums Wohlfühlen, ums Besserfühlen, ums Klarkommen in dieser Welt. Um meine Stellung in der Welt, um den Sinn, um die Richtigkeit dessen, was mit mir ist und passiert. Und die Antworten darauf, die ich mir gebe, sind die Mythen unserer Zeit.