Freimaurer
25.07.2008 um 10:47
Welches sind diese "grundlegenden und unüberwindlichen Gegensätze"?
a) Unter Verweis auf den Einleitungspassus der "Alten Pflichten" wird als ein Grund das prinzipiell relativistische Religionsverständnis benannt, das nicht mit dem Glauben an das Geoffenbarte und vom Lehramt authentisch ausgelegte Gotteswort in Einklang zu bringen sei.
b) Die Ablehnung der Möglichkeit einer objektiven Wahrheitserkenntnis wird von Seiten der Freimaurer verneint . Damit ist nach Aussage der Kommission die Relativität jeder Wahrheit die Basis der Freimaurerei. Zurückgewiesen wird die Aussage im Freimaurer Lexikon von Lennhof Posner (Lennhof Posner, Internationales Freimaurer Lexikon Wien 1975, Spalte 374), dass "alle Institutionen auf dogmatischer Grundlage, als deren Hervorstechenste die kath. Kirche gelten kann, Glaubenszwang ausüben" a.a.O. 16).
c) Daneben wird der Religionsbegriff der Freimaurer als relativistisch kritisiert, da für die Freimaurer "alle Religionen konkurrierende Versuche, die letztlich unerreichbare Gotteswahrheit auszusagen"(a.a.O. 16/17) seien.
d) Der Begriff des "grossen Baumeisters aller Welten", wie er den Ritualen zu Grunde liegt, impliziere ein deistisches Gottesbild, das
e) "den Gedanken an eine Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus, wie er von allen Christen geglaubt und festgehalten wird, nicht zulasse"(a.a.O. 17).
f) Neben einer Kritik der Toleranzidee
g) wird aufmerksam gemacht, dass die Ritualien (erörtert wurden die ersten drei Grade: Lehrling, Geselle, Meister) "in Wort und Symbol sakramentsähnlichen Charakter" (a.a.O.17) hätten.
h) Auch bestehe das Bedenken, dass die ethische Vervollkommnung so isoliert werden könne, das kein Platz mehr bliebe "für die Rechtfertigung des Menschen im christlichen Verständnis"(a.a.O.18).
i) Die Spiritualität der Freimaurer wird kritisiert, da hier ein Totalitätsanspruch an ihre Mitglieder auf Leben und Tod abgefordert werde und damit die Unvereinbarkeit zwischen Freimaurerei und kath. Kirche besonders deutlich hervortrete.
j) Zugestanden wird, dass es unterschiedliche Ausprägungen der Freimaurerei gebe: neben einer atheistischen (genannt wird die Grand Orient de France) eine christliche, die aber ebenfalls nicht ausserhalb der freimaurerischen Grundordnung stehe. Daher müsse "eine theologisch zulässige Verwirklichung" (a.a.O. 18) verneint werden.
Nach einem Rückblick auf die Gespräche mit der evangelisch-lutherischen Kirche (EKD), die 1973 mit einem Gesprächsbericht zum Abschluss kamen und in der die Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft "dem freien Ermessen des Einzelnen überlassen" (a.a.O. 18) wird, kommt diese Stellungsnahme mit einem negativen Ergebnis zum Abschluss.
Im Rückblick und bei aufmerksamen Lesen fällt auf, dass
1. diese Erklärung mit deutlicher Entschiedenheit und apodiktischem Ton verfasst ist.
2. Es ist gleichfalls unverständlich, warum auf diese Weise, d.h. mit dieser schroffen Unvereinbarkeitserklärung, der eben erst begonnene Dialog abgebrochen wird.
3. Der Brief von Kardinal Seper an die Präsidenten der Bischofskonferenzen wird nicht erwähnt; ebenso werden die positiv ausgefallenen Entscheidungen anderer Bischofskonferenzen nicht zur Kenntnis genommen.
Einzig auf die Lichtenauer Erklärung wird in einem Anhang verwiesen und festgestellt, dass diese "keinerlei kirchliche Autorisierung erhalten" (Pressedienst des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz vom 12.5.1980) habe.
Reaktionen
Verständlich daher die Reaktionen der Freimaurerlogen in Deutschland. In der Stellungsnahme von Jürgen Holtorf, Grossmeister, wird bedauert, dass der begonnene Dialog mit einer derartig einseitigen Erklärung endet. Angefügt ist die Erklärung, "dass die Gesetze der Freimaurer jedem Katholiken gestatten, Freimaurer zu werden und zwar ohne Beeinträchtigung oder Beeinflussung in der Ausübung seines Glaubens!" (Una sancta 36 (1981) 19).
Zurückgewiesen wird die in der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz aufgestellte Behauptung, "die Zugehörigkeit zum Freimaurerbund stelle die Grundlagen der christlichen Existenz in Frage" (a.a.o. 19) und es wird darauf verwiesen, dass der weitaus grösste Teil der über 6 Mio. Freimaurer in der freien Welt sich zum Christentum bekennt.
Gegner des Dialoges
An dieser Stelle ist es, so denke ich, notwendig, einmal sein Augenmerk auf die Gegner des Dialoges zu werfen. Bereits während des zweiten vatikanischen Konzils hatte sich eine Gruppe von 10 Bischöfen u.a. Erzbischof Lefebvre gesammelt, die den Antrag auf eine erneute Verurteilung der Freimaurer während des Konzils einzubringen versuchten. Geprägt vom Verschwörungsdenken war und ist diese Gruppe auch später - bis in die Gegenwart - von dem Verschwörernetz der Freimaurer und der antikatholischen Bewegung überzeugt.
Vor allem sahen sie nachdem die Forderungen nach Dialog sich während des Zweiten Vatikanischen Konzils durchsetzten und eine ganze Reihe von Neuerungen erbrachte ihren Verdacht "bestätigt", dass die "kirchenzersetzenden Einflüsse" der Freimaurerei bereits die Spitze der katholischen Kirche erreicht und die römisch-katholische Kirche verändert hätten.
Geprägt von dieser Überzeugung wurden und sind nicht nur die Bewegung der Piusbruderschaft um Erzbischof Lefebvre, sondern auch die "Bewegung für Papst und Kirche", die in ihrem Publikationsorgan "der Fels" diese Verschwörungstheorien vertritt; wir finden solche Ideen auch bei Una Voce Helvetica; Bischof Graber schreibt in seinem "Athanasius" vom Einfluss der Freimaurer; eine ganze Reihe von konservativ-katholischen Kreisen vertreten bis heute diese Thesen.
Es ist die apokalyptische Vision einer Weltverschwörung "freimaurerisch-kommunistisch-zionistisch- progressistisch-modernistisch-satanistisch", wie sie Johannes Rothkranz in seiner Trilogie "Die kommende Diktatur der Humanität" vertritt, oder wie sie Hans Baum beschwört: "Vor allem enthalten die Konzilsdekrete nichts über den Burgfrieden mit der modernen Gnosis und dem modernen Satanismus, mit denen heute Bischöfe, Theologen und Laien, teils aus Unwissenheit, teils im Auftrag der Gegenkirche konspirieren und paktieren." (Baum H., Die apokalyptische Frau aller Völker, Stein am Rhein 6 (1983) 141.)
Es ist diese Idee einer konspirativen gnostischen Gegenkirche, die seit dem Vat. II die wahre Kirche im Verborgenen, nun aber offen bekämpft, und das Konzil selbst wird gesehen als die Versammlung, in der sich die verschwörerische Gegenkirche mit ihren Ideen durchsetzte und die wahre Kirche zur Katakombenkirche werden liess.
Weitere Entwicklungen
Vermutlich unter dem Eindruck der Stellungsnahme der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte die Glaubenskongregation, jetzt unter der Leitung von Kardinal Ratzinger, am 17.2.1981 eine Erkärung, in der sie feststellt: "Ohne mögliche Verfügungen des Kirchenrechts vorgreifen zu wollen, ist die diesbezügliche kirchenrechtliche Regelung (im Zusammenhang mit der Freimaurerei) in keiner Weise verändert worden und bleibt voll in Kraft".
In dem am 25.1.1983 veröffentlichten und am 26.11.1983 in Kraft getretenen neuen Codex Iuris Canonici werden die Freimaurer im neuen CIC nicht mehr namentlich erwähnt. Damit ist der Kirchenbann von 1917 aufgehoben.
Dennoch werden die strafrechtlichen Bestimmungen über die Freimaurer nicht einfach aufgehoben Die Mitgliedschaft bei einer Gesellschaft , die gegen die Kirche agiert, bleibt weiterhin mit "gerechter Strafe" bedroht (CIC 1364/74). Diese Strafe tritt allerdings nicht mehr von selbst ein.
Die Kommission, die den Kodex überarbeitet hatte, hat den Antrag, den alten Kanon über die Freimaurerei im Wortlaut beizubehalten, einstimmig abgelehnt. Die Begründung dazu lautet: Die Unvereinbarkeit mit dem katholischen Glauben sei ja unabhängig davon schon mit Strafe bedroht. Die tatsächliche Aktivität einzelner Gruppen - gemeint ist hier die kirchenfeindliche Handlung - könne durch partikuläre Gesetze gesondert berücksichtigt werden. Damit wird der erkannten und akzeptierten Unterschiedenheit des Freimaurertums in der Welt Rechnung getragen.
Die deutsche Bischofskonferenz spricht sich für ein (moralisches) Verbot einer Mitgliedschaft in der Freimaurerei aus. Unter dem Einfluss dieses Verbotes erklärt am Tag vor dem Inkrafttreten des neuen Kodex die Glaubenskongregation:
"Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerische Vereinigung bleibt also unverändert, weil ihre Prinzipien immer als unvereinbar mit der Lehre der Kirche betrachtet wurden und deshalb der Beitritt zu ihnen verboten bleibt. Die Gläubigen, die freimaurerischen Vereinigungen angehören, befinden sich also im Stand der schweren Sünde und können nicht die heilige Kommunion empfangen. Der Autorität
der Ortskirche steht es nicht zu, sich über das Wesen freimaurerischer Vereinigungen in einem Urteil zu äussern, das das oben bestimmte ausser Kraft setzt, und zwar in Übereinstimmung mit der Erklärung dieser Kongregation vom 17. Februar 1983" (Osservatore Romano dt. 2.12.1983).
Mit dieser Entscheidung wurden die von den regionalen Bischofskonferenzen (Beschluss der Skandinavischen Bischofskonferenz und der Englischen und Walisischen Bischofskonferenz u.a.) ausser Kraft gesetzt und die weltkirchliche Einheitlichkeit festgesetzt.
Damit ist einerseits zwar bestätigt, dass die alte Strafandrohung der Exkommunikation und damit des Kirchenbannes nicht mehr in derselben Weise besteht, denn die Strafandrohung greift auf Grund der Unvereinbarkeit alleine nicht mehr; auch darf eine schwere Sünde nicht vorausgesetzt, sondern muss bewiesen werden: es könnte durchaus sein, dass der Katholik, der in eine Freimaurerloge eintritt, bona fide handelt, also der Meinung ist, mit seinem Eintritt in die Loge nichts Böses zu tun. Andererseits hat das moralische Verbot einer Doppelmitgliedschaft immer noch seine weltweite Gültigkeit.
Die anderen christlichen Bekenntnisse
Mit anderen christlichen Bekenntnissen scheint die Freimaurerei weniger Schwierigkeiten in Dialog und auch in der Anerkennung gehabt zu haben. Gespräche zwischen der EKD und der Freimaurerei von 1973 ergaben für Gottesverständnis und ethisches Wollen keinen ausschliessenden Gegensatz, da es hier seitens der Freimaurer keine insgesamt bindende Interpretation gebe. Auch wurde erwähnt, dass "die Aussagen über Gott und Jesus Christus, über die Bedeutung der Bibel und über das Verständnis vom Menschen.... von den einzelnen Freimaurern unterschiedlich akzentuiert (wird)" (Gesprächsbericht vom 13.10.1973, Una sancta 36 (1981)13).
Erwähnt wird, dass man sich auf kirchlicher Seite über das Ritual kein abschliessendes Urteil hätte bilden können, und die Frage einer möglichen Konkurrenz zur Rechtfertigung aus Gnaden wird gestellt, doch wird von der EKD folgendes Ergebnis festgehalten: "Ein genereller Einwand gegen eine Mitgliedschaft evangelischer Christen in der Freimaurerei kann nach Meinung der evangelischen Gesprächsteilnehmer nicht erhoben werden. Die Entscheidung über die Mitgliedschaft in der Freimaurerei muss dem freien Ermessen des Einzelnen überlassen werden".
Doch in den 80iger Jahren änderte sich auch hier das Dialogklima und wird frostiger: 1985 raten die Methodisten ihren Gläubigen vom Beitritt bei den Freimaurern ab; 1987 werden deutliche Bedenken gegen die Freimaurer von anglikanischer Seite artikuliert. Diakon Holloway formuliert an der Generalsynode: „Das Wichtigste im Leben eines Christen ist der Kontakt mit Gott über Jesus Christus. Die Freimaurer haben den Namen Christi und sein Werk aus ihren Riten ausgeschlossen".
Mit 394 : 52 Stimmen beschliesst die Generalsynode der Anglikaner, das einige Riten dieses Bundes „gotteslästerlich und mit dem christlichen Leben nicht zu vereinbaren seien“.
(ein Literaturhinweis: Pöhlmann Matthias, Verschwiegene Männer. Freimaurer in Deutschland, EZW-Texte 182, Berlin 2005)
Einige abschliessende Bemerkungen und (An-)Fragen
• Die Schwierigkeit der Beurteilung der Freimaurerei aus der Sicht christlicher Kirchen, vor allem aus römisch-katholischer Sicht, liegt darin, dass zahlreiche Logen die Freimaurerei sich nicht als Religion betrachten und daher in keinen Religionsdialog treten wollen/können.
• Nicht nur ihre Arkandisziplin, sondern auch ihre Vielfalt und Unterschiedlichkeit machen eine Einschätzung der Freimaurerei schwierig.
• In fundamentalistischen kirchlichen Kreisen ist die Vorstellung einer freimaurerischen „Weltverschwörung“ oder „Gegenkirche“ immer noch weit verbreitet.
• Die Freimaurer haben immer erklärt, keine besonderen Lehren und vor allem keine Dogmen zu haben. Dagegen hat die Kirche die Wahrheitsfrage selbst thematisiert.
• Eine Reibungsfläche aus der Sicht der katholischen Kirche besteht darin, dass sie die Freimaurerei als "natürliche Religion", die allen gemeinsam ist, betrachtet und sich davon als "positive Religion" absetzt. Die Glaubenskongregation erklärt dazu: "Für einen katholischen Christen ist es nicht möglich, seine Beziehung zu Gott in einer doppelten Weise zu leben, gespalten in eine humanitäre, überkonfessionelle und eine innere, christliche Form" (L´Osservatore Romano dt. Ausgabe vom 22.3.1985,5).
• Die Riten der Freimaurer erwecken den Eindruck eines ganzheitlichen Anspruches auf den Menschen. In der Erklärung der deutschen Bischofskonferenz wurde den Freimaurern vorgeworfen, ihre Ritualhandlungen zeigen in Wort und Symbol einen sakramentsähnlichen Charakter. Hier wäre ein offenes Gespräch notwendig.
• Eine Frage eigener Art stellt sich auch im Zusammenhang mit den in verschiedenen Logen bestehenden Hochgraden und nach hier eventuell bestehenden esoterischen Implikationen.
Grundsätzlich kann die Frage des Dialoges jedoch nicht generalisierend und mit Unterstellungen oder Verschwörungsprojektionen angegangen werden, auch wenn die Erklärung von 1983 in ihrer Entschiedenheit die augenblickliche Situation im Verhältnis zwischen römisch-katholischen. Kirche und Freimaurerei bestimmt. Vielmehr muss es darum gehen, die menschliche wie gesellschaftliche Entfremdung wie auch den Mangel an gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Information zu überwinden.
Brücken zueinander zu bauen sollte - trotz winterlicher Dialogtemperaturen - nicht nur heissen, sich Freundliches zu sagen, sondern offen Sachprobleme zu erörtern und Aufgaben, die gemeinsam gelöst werden können, aufzugreifen.
Einige Ziele nennt auch die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz:
Freiheit der Menschen
Eintreten für die Menschenrechte
Hilfsaktionen für leidende Menschen
Erziehung des Menschen zu Symbol, Kult und Musse
Wenn die beiden gegensätzlichen Brüder (und Schwestern) auf gemeinsame Aufgaben in der Zukunft sehen, können alte Schwierigkeiten, können Vergangenheit und Gegenwart, überwunden werden. Dialog wagen beinhaltet immer ein: Trotzdem.
Joachim Müller, Kath. Arbeitsstelle ‚Neue religiöse Bewegungen’ der SBK, Balgach publiziert im Kanisius-Verlag 1995/überarbeitet 2004/2005.
Literatur:
Quellen: Baresch K., Katholische Kirche und Freimaurerei, Wien 1983.
Lehnhoff E. Posner O., Internationales Freimaurerlexikon, Wien 1932
(Nachdruck 2, 1975)
Literatur in Auswahl:
Kirche und Freimaurerei (Dokumente), Una Sancta 36 (1981) 10-19.
Stimpfle J., Freimaurerei und katholische Kirche, in: IKZ 13 (1984) 166-174.
Kehl A., Christlicher Glaube und Freimaurerei unvereinbar.
Ueberlegungen, L´Osservatore Romano dt., 22.3. 1985,5.
Nedbal J., Artikel: Freimaurer, im: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen 5, 1994.
Quelle: Infosekten, 26.10.2005
Mittwoch, 26. Oktober 2005