15. April 2005, 13:19, NZZ Online
Falsche Virenproben laut WHO zum Grossteil vernichtet Labors folgten dem WHO-Aufruf
Die weltweit verschickten Proben gefährlicher Grippeviren sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen zum Grossteil vernichtet worden. (ap) Zwei Drittel der Proben seien zerstört worden, teilte die WHO am Freitag in Genf mit. Zwei Sendungen, die für Mexiko und den Libanon bestimmt gewesen seien, würden noch vermisst. Die WHO hatte die fast 5000 Forschungslabors in 18 Staaten, die den Erregertyp H2N2 seit September 2004 erhalten hatten, aufgefordert, die Proben zu vernichten.
Die Virenproben waren im Auftrag des Verbands Amerikanischer Pathologen (CAP) vom Unternehmen Meridian Bioscience in Cincinnati fälschlicherweise verschickt worden.
Schweizer Labors nicht betroffen Die Proben des potenziell gefährlichen Virenstamms wurden vom College of American Pathologists (CAP) vom Oktober 2004 an in einem Ringversuch an über 3700 Labors in 18 verschiedenen Ländern verschickt. Die Schweiz steht nicht auf der vom CAP erstellten Liste der betroffenen Länder. Wie Werner Wunderli, der Leiter des schweizerischen nationalen Influenza-Zentrums in Genf auf Anfrage erklärte, dienen solche Ringversuche der obligatorischen externen Qualitätskontrolle von Labors. Dabei würden von einer Verteilerorganisation, in diesem Falle vom CAP, an alle Teilnehmer dieselben Proben versandt, ohne dass diese irgendwie gekennzeichnet seien. Es sei nun die Aufgabe des Labors, die Proben zu identifizieren und das Resultat der Analyse an die Verteiler zurückzusenden, wo dieses anschliessend auf seine Richtigkeit geprüft und mit den Resultaten der anderen teilnehmenden Labors verglichen würde.
Trotz den bei einem solchen Routineverfahren üblichen Sicherheitsmassnahmen sei es, so Wunderli, bei einer so grossen Zahl von betroffenen Labors nicht ganz auszuschliessen, dass ein Mitarbeiter sich mit dem Grippevirus anstecke. Der vorliegende Virusstamm gilt laut der WHO deshalb als so gefährlich, weil er seit dem Abebben der asiatischen Grippe im Jahr 1968 nicht mehr in Menschen zirkuliert. Deshalb nehme man an, dass Personen, die nach 1968 geboren worden seien, keine oder nur eine sehr geringe Immunabwehr gegen das Virus hätten. Weil das Virus schon lange nicht mehr zirkuliere, sei es zudem in derzeitigen Impfstoffen gegen Grippe nicht berücksichtigt.
Der Grund für das Versehen der CAP ist zurzeit noch unklar. Die WHO erklärt, sie habe davon erst am 26. März erfahren, als die kanadische Gesundheitsbehörde sie darüber informiert habe, dass in einer Probe eines kanadischen Labors der Virus vom Typ A/H2N2 identifiziert worden sei. Am 8. April seien daraufhin alle betroffenen Labors vom CAP aufgefordert worden, die Proben mit den Erregern zu vernichten. Wenig später sei zudem der Aufruf ergangen, die Vernichtung der Viren zu bestätigen und jedes Auftreten von Atemwegserkrankungen bei den Mitarbeitern aus Sicherheitsgründen zu melden. Die Gefahr, dass Personen ausserhalb eines Labors mit dem Virus angesteckt werden könnten, wird von der WHO als gering eingestuft.
(Quelle:
http://www.nzz.ch/2005/04/15/vm/newzzE7KB2HHP-12.html (Archiv-Version vom 17.04.2005))
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