Hast du einen Krieg hautnah miterlebt?

Doors schrieb:Alkohol hilft nicht, Erinnerungen zu ertränken. Die können nämlich verdammt gut schwimmen.

Ein kluger Spruch, mittlerweile ist mir das auch klar geworden!

@Doors
Was waren deine Eindrücklichen Ereignisse?
Hast du also auch zur Flasche gegriffen?
@vegan33
@Doors
Bereut ihr es, diesen Weg eingeschlagen zu haben?
Ich denke ihr habt auch einiges gelernt, gewisse Entwicklungen druchgemacht, von dennen ihr heute profitieren könnt, oder sehe ich das Falsch?
Kann man viele Parallelen aus den Verschiedenen Kriegen ziehen? Oder ist jeder Krieg etwas besonderes/eigenes?
Sind Tagebücher eine gute Therapie, also erlebtes niederzuschreiben? Haben ja viele Kriegsveteranen gemacht.
Was ist eure Meinung zu Kriegsspielen ala Call of Duty oder Battlefield? Man hört ja immer diese Kritik, doch die Meinung von jemanden, der selbst Kriege Miterlebte würden mich noch sehr interessieren.

@vegan33
@Doors
habt ihr viele Berufskollegen welche ebenfalls in Krisenregionen waren? Wie verarbeiten sie diese Geschehnisse?

@killimini

Zur Flasche gegriffen habe ich kurzfristig nach dem Tode meiner ersten Ehefrau, 1982, als ich als Alleinerziehender plötzlich vor dem emotionalen wie ökonomischen Aus stand.

Meine Motivation war seinerzeit eine politische. Damals gab es noch den Begriff der "Internationalen Solidarität", Menschen, die beispielsweise in Länder der sogenannten 3. Welt gingen, um dort entweder bei Befreiungsbewegungen mitzuarbeiten oder mitzukämpfen - oder wenigstens darüber zu berichten.

Was ich gelernt habe? Das der Mensch nicht nett ist - und das Leben von einer Sekunde zur anderen enden kann.

Jeder Krieg hat etwas gemeinsames: Menschen töten Menschen. Nur die Rahmenbedingungen sind höchst unterschiedlich.

Schreiben hilft einem, Ereignisse zu verarbeiten. Manchmal wird sogar ein Buch draus - das aber niemand lesen will.

Computerspiele haben mit echten Kriegen so lange nichts zu tun, wie der Computer Dich nicht wirklich töten kann, wenn Du einen Fehler machst.

killimini schrieb:Was ist eure Meinung zu Kriegsspielen ala Call of Duty oder Battlefield?

Was soll Ich dazu sagen, das einzige dessen Ich mir sicher bin ist das keiner der Jugendlicher, welcher so etwas spielt jemals den Mut hätte im Wahren Leben als Soldat zu dienen und allein deswegen halte Ich diese Spiele für dämlich. Ich glaube nicht, dass diese Spiele dafür sorgen dass Jugendliche gewalttätig werden, aber dafür verherrlichen sie den Krieg und stumpfen die Jugend ( oder die kleineren Zielgruppen, welche so etwas spielen ) ab.

killimini schrieb:Bereut ihr es, diesen Weg eingeschlagen zu haben?

Zu 100%. Doch als Anfänger hätte Ich nie gedacht dass es so schlimm ist einen Krieg mitzuerleben, denn immerhin sieht jeder die Journalisten im Fernsehen auch Ruhe bewahren, doch mittlerweile sehe Ich auch solche mit anderen Augen, denn Ich weiß wie Sie sich später fühlen.

killimini schrieb:Ich denke ihr habt auch einiges gelernt, gewisse Entwicklungen druchgemacht, von dennen ihr heute profitieren könnt, oder sehe ich das Falsch?

Wohl kaum, meiner Meinung nach können vom Krieg nur der Staat des jeweiligen Landes profitieren, welcher ihn begonnen hat. Für mich jedoch gab es keine Erfahrung, welche zur Entwicklung beigetragen hat oder auch nur ansatzweise einen Nutzen für mein Leben hatte.

killimini schrieb:Kann man viele Parallelen aus den Verschiedenen Kriegen ziehen? Oder ist jeder Krieg etwas besonderes/eigenes?

Jeder Krieg ist gleich, wobei es bei einigen um verschiedene Ziele geht, denn beispielsweise der Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und dem Irak war gedacht um an Öl zu kommen, jedoch der Nahost-Konflikt, von welchem Ich berichtet habe hat das Ziel das die Palästinenser Ihr Land zurückbekommen. Wie gesagt, der Krieg ist gleich, die Ziele sind verschieden!

killimini schrieb:Sind Tagebücher eine gute Therapie, also erlebtes niederzuschreiben? Haben ja viele Kriegsveteranen gemacht.

Ich habe nie Tagebuch geführt, wobei das wiederum als echtes Klischee der Filmproduktion begannt ist, dennoch... Nein!

killimini schrieb:habt ihr viele Berufskollegen welche ebenfalls in Krisenregionen waren? Wie verarbeiten sie diese Geschehnisse?

Nicht viele, aber seltsamerweise wird nie nach den Erfahrung der Kameramänner oder des Kamerateams gefragt, denn auch diese Kollegen hatten Probleme Kinder auf ihrem Schulweg neben Kriegsgebieten zu sehen...

@killimini

Du wolltest eine eindrückliche Geschichte?
Hier hast Du eine - ich hatte sie auf Allmy schon mal gepostet:


Ich war 21 und konnte die Schreie des angeschossenen Kindes eine ganze Nacht
und einen halben Tag lang hören. Dann ist es endlich gestorben.

Zunächst schreit ein Mensch nach Hilfe, dann nach Wasser, dann nach Gott und zuletzt nur noch nach seiner Mutter. Das kann man sogar ohne ausreichende Sprachkenntnisse verstehen.

Der Junge wollte Wasser holen an einer der wenigen intakten Zapfstellen im Palästinenserlager Tel
as Satar im Libanon 1975, als ihn ein Scharfschütze der christlichen Falange-Miliz anschoss.
Und ich hockte vielleicht 10, 15 Meter entfernt hinter einem Autowrack und traue mich nicht 'raus, weil ich weiss, dass ein Scharfschütze nur auf mich - und andere HelferInnen - lauert.

Das ist die perverse Logik dieser Leute: Verletze ein Kind so, dass es schreit, lange schreit und nicht so schnell stirbt. Diesem Geschrei kann keiner wiederstehen. Dann töte alle Helfer.

In dieser endlos langen Zeit, als ich dort lag und krass gesagt: Abwägen musste,ob das Kind stirbt oder ich - da, gebe ich zu, habe ich mir nichts sehnliche rgewünscht, als dass dieser mir unbekannte Junge sterben möge und sein Geschrei verstummen möge.
Ja, dafür schäme ich mich manchmal - und davon träume ich manchmal nach über dreissig Jahren immer noch.

@Doors
Mein Beileid.

Doors schrieb:um dort entweder bei Befreiungsbewegungen mitzuarbeiten oder mitzukämpfen

dachte immer das wären ganz wenige gewesen...
Du hast ein Buch verfasst?
Davon habe ich auch schon gehört. Also treiben die Schreie einen regelrecht in den Wahnsinn? Sassest du bis zur Nacht hinter dem Wrack oder wie konntest du flüchten?
@vegan33

vegan33 schrieb:Doch als Anfänger hätte Ich nie gedacht dass es so schlimm ist einen Krieg mitzuerleben

Wie kommt das? Auch heute wie du bereits erwähnt hast, insbesondere im Zusammenhang mit Videospielen und Filmen, denken irgendwie sehr viele Menschen Krieg wäre nicht so schlimm, ja manche haben doch tatsächlich die Vorstellung, es wäre cool. Wenigstens in der Heutigen Zeit wo man alles mitbekommt(dank Internet) müsste man doch klüger sein?

vegan33 schrieb:Nicht viele, aber seltsamerweise wird nie nach den Erfahrung der Kameramänner oder des Kamerateams gefragt, denn auch diese Kollegen hatten Probleme Kinder auf ihrem Schulweg neben Kriegsgebieten zu sehen...

Jaa, das habe ich mich auch schon gefragt. Eigentlich allgemein, über Journalisten, Soldaten etc. wird in den Medien sogut wie nie berichtet. Was das persönliche Angeht.

@vegan33
@Doors
Ich vertrette die Meinung, das Journalisten wie ihr, die eigentlichen Helden des Krieges sind(wen es den überhaupt Helden gibt). Ohne euch wüssten wir gar nicht was los ist auf der Welt. Andererseits ist es doch auch ziemlich leichtfertig, sich in solche Gefahren (freiwillig) zu begeben. Insbesondere in bezug auf die Familie und Bekannte. Wie standen sie eigentlich zu eurem Beruf?
und wurdet ihr mal verwundet bzw. beinahe getötet/verwundet?
Wie habt ihr diesen Stress bewälitgt, wärend ihr noch im Kriegsgebiet wart?

Ach ja, danke vielmal das ihr mir/uns so ausführlich Auskunft gebt, ist nicht selbstverständlich. Es gibt ja viele Menschen, die das alles in sich hineinfressen und kein Wort über ihr erlebtes sagen. Ist das nicht eine "selbstauferlegte Folter"?

@Doors

Mein Gott wie grausam, das macht einen ja shcon beim Lesen fertig.

@vegan33
@Doors

Fängt man nach solchen Kriegserlebnissen an, anders zu leben? Anders zu denken?
Wird man noch eine Spur menschlicher im fühlen und denken?

@Solita

Man muss aufpassen, dass man seine Menschlichkeit nicht verliert. Wenn ich mich an Geschichten von Soldaten oder Zivilisten erinnere, die ich im Laufe meines Lebens gehört habe, von Grabenkämpfen, von Bombenangriffen, von Konzentrationslagern, dann kommen mir meine eigenen Erlebnisse vergleichsweise banal vor. Ich war immer freiwillig irgendwo, ich unterstand keinen (oder kaum) Befehlen - und ich hatte ein Rückflugticket, um wieder nach Hause zu fliegen. Alle anderen hatten diese Option nicht. Bis auf den Libanon - da hatte ich die Ärzte ohne Grenzen - und eine liebevolle Ärztin in Zypern.

@killimini

Nein, als "Held" sehe ich mich ganz und gar nicht. In manchen Situationen sogar eher als Feigling oder Angsthase. Natürlich habe ich mich freiwillig in Krisengebiete begeben, weil mir die Berichterstattung wichtig war. Opfer hätten sonst keine Stimme. Ob ich allerdings etwas bewirkt habe...? Keine Ahnung. Meine Familie hielt mich für verantwortungslos und "völlig bekloppt". Aber das hat mich weniger geschert. Aus dem Libanon habe ich mir eine verschobene Halswirbelsäule mitgebracht und aus Nicaragua eine leichte Form von Malaria. Dem Libanonkrieg verdankt meine Älteste ihr Leben, ohne ihn wäre ich ihrer Mutter nie begegnet. Aus meinem Einsatz in Nord-Irland ergab sich eine Begegnung, mit der ich jetzt schon seit über zwanzig Jahren verheiratet bin.

@Doors

Danke für deine Antwort.
Ich denke Krieg dürfte es heutzutage gar nicht mehr geben, nach all dem was schon alles in der Menschheitsgeschichte passiert ist. Ich verstehe einfach nicht, warum die Menschen nicht dazulernen??

@Solita

Ich fürchte, Menschen lernen nicht. Einzelne vielleicht. Aber Kriege erzeugen eine heftige Form von Massenhysterie, in der jede Vernunft zum Untergang verdammt ist - ebenso wie Menschlichkeit, obwohl es auch da seltene Ausnahmen gibt.

Doors schrieb:In manchen Situationen sogar eher als Feigling oder Angsthase.

Alleine deshalb, das du freiwillig in solche Gebiete gegangen bist, lässt dich nicht als Feigling dastehen. Und Angst ist etwas völlig natürliches, wen man im Krieg keine Angst hat ist man doch eh schon tod.

Ich denke jeder Journalistische Beitrag aus einer Krisenregion bewirkt etwas. Und sei es nur in dem Zusammenhang, das es ein Beleg dafür ist, das es Menschen gibt, die Licht in das dunkle bringen wollen, und dafür auch ihr Leben riskieren, ohne das sie persönlich etwas dafür bekommen.

Doors schrieb:Nein, als "Held" sehe ich mich ganz und gar nicht.

Doch, ihr seit der Lebende Beweis dafür, das selbst in den dunkelsten Orten der Welt, Hoffnung nicht ganz verloren ist. Alleine eure Anwesenheit schenkt so manchen Menschen Mut, denke ich.

killimini schrieb:Wenigstens in der Heutigen Zeit wo man alles mitbekommt(dank Internet) müsste man doch klüger sein?

Kommt darauf an wie man mit dem Internet umgeht, denn 85% der Deutschen nutzen das Internet für Spiele und Pornographisches Material, was nur 15% die Möglichkeit gibt sich zu informieren.

killimini schrieb:wurdet ihr mal verwundet bzw. beinahe getötet/verwundet?

Ich wurde ein einziges mal wirklich schwer verletzt und lag bewusstlos dar als ein Stein, welcher nach dem Israelischen Panzern geworfen werden sollte mich am Kopf traf. Zum Glück war in diesem Stein nicht besonders viel Kraft, sonst wäre es wahrscheinlich noch viel schlimmer gewesen, doch das ist nichts im Vergleich zu dem was den Menschen in diesen Gebieten passiert.

@Solita
Die Geschichte lehrt uns, das sie uns nichts lehrt. -> Mahatma Gahndi

Ich frage mich jedes mal, wen ich die Zeitung aufschlage, weshalb der Mensch nichts dazulernt. Eine Antwort werde ich niemals erhalten... Das Böse ist leider viel zu stark...

@Doors
in der jede Vernunft zum Untergang verdammt ist - ebenso wie Menschlichkeit

.....Ich bin irgendwie ganz tief innen überzeugt, daß gerade diese Menschlichkeit, die heutzutage vom Aussterben bedroht ist, am Ende siegen wird. Frag mich nicht warum, ich hoffe und wünsche und glaube daran!

@Solita

Ich hoffe und wünsche, Du mögest Recht behalten.

@killimini
Das Böse ist leider viel zu stark...

....noch! Ich glaube an das Gute und das siegt sogar im Märchen. :)

@Doors

Dann sind wir schon zu zweit. :) schönen Abend noch!

@Solita
Das Gute siegt immer. Die Frage ist nur Wann und mit welchem Opfer.

@Doors
@vegan33
Als Journalist muss man ja sachlich und Neutral berichten. hattet ihr oft mühe damit?