An wen denkt ihr gerade?

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand.
Und kam die goldne Herbsteszeit
und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll.

Und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief er:
"Junge, wiste 'ne Beer?" ['deutsch-Übersetzung' ;): Junge, willst/möchtest du eine Birne?]
Und kam ein Mädchen, so rief er:
"Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn." ['deutsch-Übersetzung' ;): Kleines Mädchen, komm' mal rüber, ich gebe dir eine Birne.]

So ging es viel Jahre, bis lobesam
der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende; 's war Herbsteszeit,
wieder lachten die Birnen weit und breit.
Da sagte von Ribbeck:
"Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab."

Und drei Tage darauf aus dem Doppeldachhaus
trugen von Ribbeck sie hinaus.
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
sangen: "Jesus meine Zuversicht"
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He ist dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?" ['deutsch-Übersetzung' ;): Nun ist er tot. Wer gibt uns nun eine Birne?]

So klagten die Kinder. Das war nicht recht.
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht.
Der neue freilich, der knausert und spart,
hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
der wusste genau, was er damals tat,
als um eine Birn' ins Grab er bat.

Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
ein Birnbaumsprössling sprosst heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab.
Und in der goldnen Herbsteszeit
leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
da flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's:
"Lütt Dirn, kumm man röwer, ick gew di 'ne Birn."

So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
 

[von Heinrich Theodor Fontane – * 30. Dezember 1819 in Neuruppin; † 20. September 1898 in Berlin]

Anmerkungen:

> Der Dichter Theodor Fontane hatte den Ort vor über 100 Jahren mit seinem Gedicht »Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland« und den darin besungenen Birnbaum in ganz Deutschland bekannt gemacht, obwohl er nie selber in Ribbeck gewesen ist.
Seit Generationen gehört das Gedicht zum Schulstoff und trägt damit den Namen des kleinen Dörfchens und mit ihm das ganze Havelland in die Welt.
Es gilt als das wohl bekannteste Gedicht aus der Feder Theodor Fontanes.

> Den Birnbaum gab es wirklich in Ribbeck.
Er stand vor der Kirche des Ortes.
Im Februar 1911 hat leider ein Sturm diesen Baum umgeworfen.
Den Stumpf bewahrt man bis heute in der Kirche auf.
In den 1970er Jahre pflanzte man einen neuen Birnbaum, der jedoch nie den gewünschten Birnenertrag erbrachte.
Im April 2000 entschied man daher, einen neuen Baum zu pflanzen.
 
> Der Birnbaum symbolisiert Wachstum, Entwicklung und Nachhaltigkeit.
Die Birnenfrucht ist ein Symbol für Güte und Sinnlichkeit.
Das Birnbäumchen trägt bereits nach wenigen Jahren süße, essbare Früchte.
 

Quellen: www.gedichte7.de / www.vonortzuort.reisen / www.reiseland-brandenburg.de / de.ezgardentips.com