Hier mal ein ergänzender kleiner Überblick.
http://www.textlog.de/5180.htmlSelbstbewußtsein - Moderne I
Nach KANT erkennt sich das Ich nur (vermittelst des inneren Sinnes, s. d.) als Erscheinung (s. d.), apperzipiert, denkt sich aber als Subjekt, formale Einheit des Bewußtseins, aktive Tätigkeit, ohne freilich vom reinen Ich eine »Erkenntnis« haben zu können. Wir schauen uns selbst nur so an, »wie wir innerlich von uns selbst affiziert werden« (Krit. d. rein. Vern. S. 675). »Dagegen bin ich meiner selbst in der transzendentalen Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen überhaupt, mithin in der synthetischen ursprünglichen Einheit der Apperzeption, bewußt, nicht wie ich mir erscheine, noch wie ich an mir selbst bin, sondern nur, daß ich bin. Diese Vorstellung ist ein Denken, nicht ein Anschauen. Da nun zum Erkenntnis unserer selbst außer der Handlung des Denkens, die das Mannigfaltige einer jeden möglichen Anschauung zur Einheit der Apperzeption bringt, noch eine bestimmte Art der Anschauung, dadurch dieses Mannigfaltige gegeben wird, erforderlich ist, so ist zwar mein eigenes Denken nicht Erscheinung (viel weniger bloßer Schein), aber die Bestimmung meines Daseins kann nur der Form des innern Sinnes gemäß nach der besondern Art, wie das Mannigfaltige, das ich verbinde, in der innern Anschauung gegeben wird, geschehen, und ich habe also demnach keine Erkenntnis von mir wie ich bin, sondern bloß wie ich mir selbst erscheine. Das Bewußtsein seiner selbst ist also noch lange nicht ein Erkenntnis seiner selbst« (l. c. S. 676. vgl. die Anmerk. daselbst. Anthropol. I, §1). »Der Mensch, der die ganze Natur sonst lediglich nur durch Sinne kennt, erkennt sich selbst auch durch bloße Apperzeption, und zwar in Handlungen und innern Bestimmungen, die er gar nicht zum Eidrucke der Sinne zählen kann, und ist sich selbst freilich einesteils Phänomen, andernteils aber, nämlich in Ansehung gewisser Vermögen, ein bloß intelligbler Gegenstand, weil die Handlung desselben gar nicht zur Rezeptivität der Sinnlichkeit gezählt werden kann« (l. c. S. 437 f.). Das Bewußtsein »ich bin« (s. Ich), das »reine Selbstbewußtsein« (s. Apperzeption), ist eine formale Bedingung des Erkennens.
Nach REINHOLD ist das Selbstbewußtsein das Bewußtsein des Vorstellenden als solchen (Vers. ein. neuen Theor. III, 317 ff.). Es ist Identität des Vorstellenden mit dem Vorgestellten (l. c. S. 334 ff.). Nach KRUG sind im Ich Sein und Wissen synthetisch geeint (Fundamentalphilos. S. 88 ff.). PLATNER erklärt: »Das allgemeine Bewußtsein der Existenz zeigt sich darin, daß die Seele alle Vorstellungen ihres ganzen Lebens, sofern sie dieselben rückwärts überschaut, auf sich beziehet, als auf das Subjekt, dem sie alle zugehören.« »Der Inhalt dieses allgemeinen Bewußtseins ist das Gefühl: Ich bin... Es ist kein Abstrakt, sondern a priori das Bedingnis alles Vorstellens, Denkens und geistigen Daseins« (Log. u. Met. S. 23 f.). FRIES versteht unter Bewußtsein das »Vermögen der Selbsterkenntnis«, Wissen um das Haben einer Vorstellung. Es liegt diesem Vermögen das »reine Selbstbewußtsein« zugrunde, welches mir sagt, daß, nicht was ich bin. »Soll aber dieses reine Selbstbewußtsein eine qualifizierte Selbsterkenntnis zeigen, so müssen erst innere Sinnesanschauungen durch den angeregten innern Sinn hinzugebracht werden« (Syst. d. Log. S. 50 f.. Neue Krit. I, 120 f.: das Selbstbewußtsein als unbestimmtes Gefühl. vgl. Psych. Anthropol. § 25. vgl. CALKER, Denklehre S. 210). Nach G. E. SCHULZE enthält »das Bewußtsein unseres Ich als des Mittelpunktes unseres geistigen Lebens« »ein Wissen erstens des Daseins dieses Ich, zweitens seiner Einfachheit und numerischen Einheit, drittens seiner Selbständigkeit..., endlich viertens seiner Beharrlichkeit« (Psych. Anthr. S. 20 f.). Das Selbstbewußtsein ist »nicht der Grund oder die Quelle unseres geistigen Lebens, sondern selbst auch ein Erzeugnis dieses Grundes oder eine Offenbarung desselben.« Es ist »kein Anschauen, Vorstellen oder Denken des Ich« im eigentlichen Sinne, sondern »ein Wissen, woraus das Sein auch selbst mit besteht« (l. c. S. 21 f.). »Auf welche Art der Grund unseres geistigen Lebens das Bewußtsein des Ich erzeuge, läßt sich nicht beobachten. Wir haben es, ohne zu wissen, wie wir dazu gekommen sind. Zwar wird dasselbe immer begleitet von dem bald stärkern, bald schwächern Bewußtsein eines (innern oder äußern) Etwas, das nicht das Ich selbst ist, welches Bewußtsein mithin ein Unterscheiden beider enthält. Aber dieses Unterscheiden darf nicht einmal für den Anfang des Innewerdens unseres Ich gehalten werden..., sondern ist nur eine besondere Bestimmung und Einschränkung, womit das Bewußtsein des Ich stattfindet und vermöge welcher es nie aus einem bloßen oder reinen Wissen von dem Ich besteht« (l. c. S. 22 ff.. Üb. d. menschl. Erk. S. 14 ff.). - Nach BIUNDE entsteht das Denken der Innenwelt gleichzeitig mit dem der Außenwelt. Wir denken zu den innern Zuständen ein Selbständiges im Wechsel derselben hinzu (Empir. Psychol. I, 2, 39 ff., 44). Dieses Selbstbewußtsein ist mittelbar gebildet, wird erst durch ein Denken erzeugt (l. c. S. 46 f.). Das Gebundensein des Selbst- an das Außenweltsbewußtsein betont ANCILLON (Mél. de littér. et philos. I, p. 5. II, 85). Aus der Reflexion der Ich- (s. d.) Tätigkeit auf sich selbst leitet das Selbstbewußtsein J. G. FICHTE ab. Das Ich ist »das sich selbst Bestimmende und durch sich selbst Bestimmte.« Alles, wovon ich abstrahieren kann, ist nicht mein Ich (Gr. d. g. Wiss. S. 216 f.. WW. I, 247, 488 ff.). Die Identität von Sein und Wissen im Ich (s. d.) betont SCHELLING (Syst. d. tr. Ideal. S. 28 ff., 43). »Das Selbstbewußtsein ist der Akt, wodurch sich das Denkende unmittelbar zum Objekt wird,« durch eine »absolut freie Handlung« (l. c. S. 44). Der Satz: Ich bin ist »ein unendlicher Satz, weil es ein Satz ist, der kein wirkliches Prädikat hat, der aber deswegen die Position einer Unendlichkeit möglicher Prädikate ist« (l. c. S. 47). »Die Quelle des Selbstbewußtseins ist das Wollen. Im absoluten Wollen aber wird der Geist seiner selbst unmittelbar inne, oder er hat eine intellektuelle Anschauung seiner selbst«(WW.I 1, 401). Das Selbstbewußtsein bildet sich am fremden Willen, fremden Ich. Das lehrt auch BAADER, so auch ESCHENMAYER (Psychol. S. 29). ferner auch L. FEUERBACH (WW. VII, 29), E. v. HARTMANN (Rel. d. Geist. S. 151) u.a. Die unmittelbare Gewißheit des Ich lehrt CHR. KRAUSE (Vorles. S. 39). Das Ich ist ein »Selbstwesen« (l. c. S. 83), eine Kraft (l. c. S. 130). Zu unterscheiden sind urwesentliches und zeitliches Ich (l. c. S. 176). - Als Wahrheit und Grund des Bewußtseins bestimmt das Selbstbewußtsein HEGEL. Selbstbewußtsein besteht im Urteilen des Ich über sich selbst (Encykl. § 423). In der Existenz alles Bewußtseins eines Objektes ist Selbstbewußtsein enthalten. Der Ausdruck des Selbstbewußtseins ist Ich=Ich, »abstrakte Freiheit, reine Idealität« (l. c. § 424). Das Selbstbewußtsein tritt in verschiedenen Entwicklungsformen auf, bis zum objektiven Selbstbewußtsein (l. c. § 426 ff., 436 f.. vgl. MICHELET, Anthropol. S. 270 ff.. J. E. ERDMANN, Gr. d. Psychol. § 82 ff.. G. BIEDERMANN, Wissenschaftslehre I, 1856, S. 279. Philos. als Begriffswiss. I, 29 ff.). Nach K. ROSENKRANZ ist das Selbstbewußtsein »die sich unaufhörlich erneuernde Tat des Geistes, wodurch er, sich in sich selbst unterscheidend, das Unterscheiden von anderem, was er nicht ist, erst möglich macht« (Psychol. S. 289). Objekt des Selbstbewußtseins ist die »abstrakte Freiheit des Geistes« (ib.). »An sich ist das Selbst schon in allen Akten des Bewußtseins da, aber es muß auch in seiner Einheit mit der gegenständlichen Welt sich für sich setzen« (l. c. S. 290 ff.). Nach SCHALLER ist das Selbstgefühl das in jeder Empfindung gegenwärtige Allgemeine (Psychol. I, 210). Nach HILLEBRAND ist das Selbstbewußtsein »das Bewußtsein der subjektiven Allgemeinheit gegenüber der gegenwärtigen Unmittelbarkeit des Objektiv-Wirklichen« (Philos. d. Geist. I, 179). Zu unterscheiden sind reales, formales, substantielles Selbstbewußtsein (l. c. S. 180 ff.). - Nach SCHLEIERMACHER ist das Selbstbewußtsein der Punkt, in welchem Denken und Sein identisch sind (Dial. § 101). Es ist ursprünglicher Natur (Psychol. S. 9, 159 f.). So auch GEORGE (Lehrb. d. Psychol. S. 233).
Selbstbewußtsein - Moderne II
Den sekundären Charakter des Selbstbewußtseins lehrt SCHOPENHAUER. Es ist »durch das Gehirn und seine Funktionen bedingt«. »Indem der Wille, zum Zweck der Auffassung seiner Beziehungen zur Außenwelt, im tierischen Individuo ein Gehirn hervorbringt, entsteht erst in diesem das Bewußtsein des eigenen Selbst, mittelst des Subjekts des Erkennens, welches die Dinge als daseiend, das Ich als wollend auffaßt. Nämlich die im Gehirn aufs höchste gesteigerte, jedoch in die verschiedenen Teile desselben ausgebreitete Sensibilität muß zuvörderst alle Strahlen ihrer Tätigkeit zusammenbringen, sie gleichsam in einen Brennpunkt konzentrieren... Dieser Brennpunkt der gesamten Gehirntätigkeit ist das, was Kant die synthetische Einheit der Apperzeption nannte: erst mittelst desselben wird der Wille sich seiner bewußt, indem dieser Focus der Gehirntätigkeit, oder das Erkennende, sich mit seiner eigenen Basis, daraus er entsprungen, dem Wollenden, als identisch auffaßt und so das Ich entsteht« (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 22). Sich selbst kann das erkennende Subjekt als solches nicht erkennen, wohl erkennt es aber den Willen als Basis seines Wesens. dieser ist das einzige Erkannte im Selbstbewußtsein (l. c. II. C. 19. Parerg. II, § 32). Das Ich erkennt sich nur in seinem Intellekt, »Vorstellungsapparat«, »durch den äußern Sinn als organische Gestalt, durch den innern als Willen« (Parerg. II, § 65). Das Subjekt (s. d.) erkennt sich »nur als ein Wollendes, nicht aber als ein Erkennendes. Denn das vorstellende Ich, das Subjekt des Erkennens, kann, da es als notwendiges Korrelat aller Vorstellungen Bedingung derselben ist, nie selbst Vorstellung oder Objekt werden«. Es gibt kein Erkennen des Erkennens (Vierf. Wurz. § 41). Das Erkannte in uns ist nicht das Erkennende, sondern das Wollende. »Wenn wir in unser Inneres blicken, finden wir uns immer als wollend,« wobei zu betonen ist, daß auch die Gefühle Zustände des Wollens sind. Die Identität des Subjekts des Wollens mit dem erkennenden Subjekt »ist der Weltknoten und daher unerklärlich« (l. c. § 42). Das Ich entsteht »erst durch den Verein von Wille und Erkenntnis« als ein »Zentrum des Egoismus« (Neue Paralipom. § 360).
Auf »Widersprüche«, die sich aus dem Begriff der Reflexion des Ich (s. d.) auf sich ergeben, macht HERBART aufmerksam. »Das Ich stellt vor sich, d.h. sein Ich., d.h. sein Sich-vorstellen, d.h. sein Sich-als-sich-vorstellend-vorstellen u.s.w. Dies läuft ins Unendliche« (Lehrb. zur Einl.5, S. 189 ff., 193). Das Ich ist so, als Vorstellen ohne Vorgestelltes, ein Widerspruch (ib,. Psychol. als Wiss. § 132 ff.. Encykl. S. 236. vgl. SCHELLING, Lehrb. d. Psychol, S. 165 ff.). Das Ich (s. d.) ist als solches Resultat des Vorstellungsprocesses. Nach VOLKMANN ist das Selbstbewußtsein »die innere Wahrnehmung innerhalb des Ich«. »Das Ich wird zum Ich-selbst, indem es sich erst differenziert, dann aus dieser Differenzierung wieder integriert« (Lehrb. d. Psychol. II4, 217). Auch R. ZIMMERMANN betont, die Vorstellung des Ich sei Entwicklungsprodukt. Ich ist zuerst der Leib, dann das Vorstellende, dann die Einheit von Vorstellen, Fühlen, Begehren (Philos. Propäd.1867, S. 302, 305, 307 ff.). Nach WAITZ ist der Wille der Kern des Selbstbewußtseins: Inhalt desselben ist, »daß man sich vorstellt als ein einziges und unteilbares Subjekt zu einer großen Menge von verschiedenen wirklichen und möglichen Prädikaten« (Lehrb. d. Psychol. S. 679). Nach A. SPIR ist das Ich ein Komplex, welcher sich ab Einheit, Substanz setzt, was eine notwendige Täuschung ist. Vorstellendes und Vorgestelltes sind nicht identisch (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 6. Bd., f3, 368 ff.. 376 f.. vgl. Denk. u. Wirkl. II, 55). - Nach BENEKE ist die Vorstellung von uns selbst nicht angeboren, sondern bildet sich als ein Aggregat, sich langsam zur Klarheit entwickelnd (Lehrb d. Psychol.3, § 150). Vorstellendes und Vorgestelltes, d.h. die Begriffe, durch welche die Vorstellung geschieht, und die vorgestellten Seelenzustände sind nicht eins Angeboren ist nur die »allgemeine Einheit des Seelenseins« (l. c. § 151. vgl. Psychol. Skizz. II, 258 ff.. Syst. d. Met. S. 171 ff.. Pragmat. Psychol. II, 1 ff.. Psychol. Skizz. II, 616 ff.. Die neue Psychol. S. 198 ff.). Auch nach ULRICI ist das Selbstbewußtsein nicht angeboren. es ist Produkt der unterscheidenden Denktätigkeit (Leib und Seele S. 67 ff.). LOTZE erklärt, nicht in dem Zusammenfallen des Denkens mit dem Gedachten, sondern als »Ausdeutung eines Selbstgefühls« besteht das Selbstbewußtsein (Mikrok. I2, 280 f.. vgl. Med. Psychol. S. 493 ff.). Auf das Selbstgefühl führt das Selbstbewußtsein TH. ZIEGLER zurück. G. THIELE bemerkt: »Im Fühlen weiß die Seele ursprünglich, unmittelbar von sich, das Ich ist Selbstgefühl« (Philos. d. Selbstbew. S. 303 ff.). In diesem Seelengefühl muß die Seele »ihr umwandelbares, beharrliches stets mit sich identisches Selbst gesichert wissen« (l. c. S. 311). G. GERBER unterscheidet »Ichbewußtsein«, als Folge eines Aktes der Selbstbestimmung. und »Ichgefühl« (Das Ich, S. 213). Die Ichheit ist das »Sein des Universums« (l. c. S. 425). Keine Welt ohne Selbstbewußtsein (l. c. 9. 41). Nach R. HAMERLING ist das Kind sich seiner Existenz vom ersten Augenblicke an bewußt, nur fehlt ihm das rechte Wort dafür (Atom. d. Will. I, 238 ff.). - J. H. FICHTE erklärt: »Selbstempfindung mit stets wechselndem Gehalte ist der unterste, aber schlechthin unabstrahierbare, in alle höheren Zustände mit hineinscheinende Ausgangspunkt des Bewußtseins« (Psychol. I, 212). Allmählich findet das »Zu-sich-selbst-kommen« des Geistes statt (l. c. S. 213 f.). »Der Geist selbst ist ursprünglich das eine Wesen, welches zufolge des Bewußtseinsaktes genötigt ist, sich (sein ›Ich‹) zu unterscheiden von einem andern in ihm« (ib.). Auch nach M. CARIERE ist das Selbst nicht als fertiger Geist geboren, sondern kommt nur durch eigene. Denken und Wollen zu sich (Sittl. Weltordn. S. 158). »Das Selbst kommt zum Bewußtsein, indem es sich als die einwohnende und bleibende Einheit der mannigfaltigen und wechselnden Gedanken, als die reale Macht und hervorbringende Ursache von ihnen als den Erzeugnissen und Äußerungen der Denktätigkeit unterscheidet« (Ästhet. I, 37). »Das Selbst ist... ein ursprünglich Reales, das fähig ist, für sich zu werden, sich selbst zu erfassen. das Ich, das Selbstbewußtsein ist als solches nicht das Wirkliche, Seiende, sondern die Selbstbespiegelung, Selbstverdoppelung eines solchen. es ist das Sein, das seiner bewußt wird« (Sittl. Weltordn. S. 98). W. ROSENKRANTZ betont: »Der Geist kann sich... nicht seiner bewußt werden, ohne sich selbst ins Sein zu versetzen« (Wissensch. d. Wiss. I, 252. vgl. S. 242 ff.).
Als Fähigkeit, die Beziehungen der Dinge zu uns zu empfinden, bestimmt das Selbstbewußtsein MOLESCHOTT (Kreislauf d. Leb. S. 144). ÜBERWEG unterscheidet drei Momente in der Entwicklung des Selbstbewußtseins: 1) die Einheit eines bewußtseinsfähigen Individuums, 2) das Bewußtsein des einzelnen von sich als einem Individuum, 3) die Wahrnehmung, daß das vorgestellte und das vorstellende Wesen ein Wesen ist (Log. S. 74. vgl. Welt- u. Lebensansch. S. 30 f.). Nach L. KNAPP ist das Ich der Leib als Träger der Empfindungen (Syst. d. Rechtsphilos. S. 49 f.). Das Selbstbewußtsein ist »der logische, d.h. abstrahierend und associierend tätige Bezug des Ich mit einer andern Vorstellung« (l. c. S. 52 ff.). Nach C. GÖRING ist Selbstbewußtsein Wahrnehmung der Person, nicht der Identität (Syst. d. krit. Philos. L, 162 ff.. s. Ich). F. A. LANGE bemerkt gleichfalls: »Selbsterkenntnis kann niemals etwas anderes sein als Erkenntnis seiner Person, wie sie als leibhaftes Ich den übrigen Gegenständen der Außenwelt handelnd und duldend gegenübersteht« (Log. Stud. S. 138). Nach CARNERI ist das Selbstbewußtsein »die gefühlte Zentralisierung der mannigfaltigsten Vorstellungen« (Sittl. u. Darwin. S. 160).
Selbstbewußtsein - Moderne III
Nach GUTBERLET schließt jedes Bewußtsein »die Wahrnehmung des eigenen Selbst ein«, denn Bewußtsein ist »jene ursprüngliche Fähigkeit des Geistes, durch die er das, was in ihm selbst vorgeht, wahrnimmt, erfährt« (Log. u. Erk.2, S. 170 f.). Aber Selbstbewußtsein ist erst dann da, »wenn ich mein Ich für sich auffasse und es dem Zustande in ihm entgegenstelle« durch Urteil und Unterscheidung der Vernunft (l. c. S. 171. Psychol. S. 162 ff., 168 ff.). Auf der niedrigsten Stufe »weiß die Seele bloß von ihrem Akte. höher steht das Selbstbewußtsein, in welchem sie sich als Träger ihres Aktes, als Ich erfaßt. Die Selbsterkenntnis endlich dringt auch in das Wesen der Seele, ihre Beschaffenheit ein« (Psychol. S. 167). W. JERUSALEM erklärt: »Die psychischen Vorgänge gelangen zum Bewußtsein dadurch, daß sie bloß erlebt, zum Selbstbewußtsein dadurch, daß sie beurteilt werden« (Urteilsf. S. 167). O. SCHNEIDER meint: »Erst mit der Bildung von Gemeinvorstellungen und gemeinwertigen Sprachzeichen stellt sich ein wirkliches Ichbewußtsein ein« (Tranecendentalpsychol. S. 119). Das naive Ichbewußtsein ist da, weiß aber noch nicht um sich selbst (l. c. S. 123). DESSOIR erklärt: »Wodurch ein sog. selbstbewußter Akt sich von dein bloß bewußten unterscheidet, ist neben einer Intensitätserhöhung vornehmlich das Hinzutreten interpretativer Empfindungen zu der Hauptempfindung« (Doppel-Ich, S. 75 ff.). Nach J. BERGMANN denken wir unser Ich als daseiend dadurch, »daß wir es, das die Welt und Dinge in der Welt Denkende, identifizieren mit dem a selbst Denkenden« (Begr. d. Daseins S. 295. vgl. Grdl. ein. Theor. d. Bewußts. S. 77, 80, 85 ff.). Nach NATORP gibt es kein Selbstbewußtsein ohne Entgegensetzung und positive Beziehung zu anderem Bewußtsein (Socilialpäd. S. 75). - SIGWART erklärt: »In unserer unmittelbaren Selbstauffassung werden... alle unsere einzelnen Vorgänge auf ein einheitliches Subjekt bezogen« (Log. II3, 203). Das Ich können wir nie vollständig zum Objekt machen (l. c. S. 203 f.. vgl. I2, 90, 231, 243, 310, 391). Nach HUSSERL liegt das Ich in der eigenen »Verknüpfungseinheit« der Erlebnisse, es ist »einheitliche Inhaltsgesamtheit« (ib.). - Nach ILARIU-SOCOLIU ist das Ich eine psychische Synthese. Der »Ich- Wahn« besteht darin, »daß das Individuum (das in Wirklichkeit nur relative Individualität besitzt) sich seiner selbst als eines aus eigener Initiative handelnden, wollenden, zu seiner Umgebung in einem schroffen Gegensatz stehenden, in sich selbst abgeschlossenen ›Ich‹ bewußt ist« (Grundprobl. d. Philos. S. XIV). Auch nach HELLENBACH u.a. (s. Ich) ist das Ich eine »Illusion« (Das Individ. S. 156). Dagegen lehrt AD. STEUDEL, das Ich sei das Etwas, das denkt u.s.w., sich aber nur in seinen Äußerungen zu erkennen gibt (Philos. I 1, 85). Alles, was im Ich vorgeht, ist von selbst Objekt des Bewußtseins, ohne Reflexion (l. c. S. 100). »Das Selbstbewußtsein ist wesentlich nichts anderes, als daß die Daseins- und Lebensäußerungen des Ich in dessen ungeteilter empirischer Totalität ein Gegenstand des Bewußtseins werden« (l. c. S. 102)
Während viele Psychologen das Selbstbewußtsein auf Assoziation (s. d. u. Ich) zurückführen, setzt es WUNDT in Beziehung zur Apperzeption (s. d.) und zum Willen. Von Anfang an ist das Selbstbewußtsein das »Produkt meherer Komponenten, die zur einen Hälfte den Vorstellungen, zur andern dem Fühlen und Wollen angehören«. Ein lückenhaftes Selbstbewußtsein tritt schon sehr früh auf, aber es entwickelt sich erst allmählich, parallel mit dem Objektbewußtsein. Selbstbewußtsein nennen wir den »aus dem gesamten Bewußtseinsinhalt sich aussondernden, mit dem Ichgefühl verschmelzenden Gefühls- und Vorstellungsinhalt«. Es ist der einheitliche Zusammenhang von Bewußtseinsvorgängen selbst (Gr. d. Psychol.5, 6. 264). Die erste Entstehung des Selbstbewußtseins beim Kinde kann dem Gebrauche des Fürwortes vorausgehen. Auch die Unterscheidung des eigenen Leibes von andern Gegenständen ist nur ein Symptom eines schon bestehenden Selbstbewußtseins (l. c. S. 348 f.). Das Selbstbewußtsein ruht auf einer Reihe psychischer Prozesse, es ist ein Erzeugnis, nicht die Grundlage dieser Prozesse (l. c. 6. 265). Die Kontinuität dieser ist die Grundbedingung des Selbstbewußtseins.
Zunächst ist das Ich ein Mischprodukt äußerer Wahrnehmung und innerer Erlebnisse, später ein Vorstellungskomplex samt Gefühlen und Affekten, endlich zieht sich das Selbstbewußtsein völlig auf den Willen (die Apperzeption) zurück, der schon undifferenziert den Keim des Selbstbewußtseins ausmacht, aber erst durch apperzeptive Zerlegungen für sich zur Geltung kommt (Grdz. d. phys. Psychol. II4, 302 ff.. Vorles.3, S. 269 ff.. Eth.2, S. 448. Log. II2 2, 246 f.. Syst. d. Philos. 2, S. 40, 565). Nach KÜLPE ist »die Erfahrung, daß man nicht widerstandslos den Einflüssen und Eindrücken von außen her preisgegeben ist, sondern sich wählend und handelnd ihnen gegenüber verhalten kann, also die Tatsache der Apperzeption oder des Willens... eines der wichtigsten Motive für die Sonderung des Ich und Nicht-Ich« (Gr. der Psychol. S. 465. vgl. STÖRRING, Psychopath. S. 280 ff.). Nach GALUPPI ist das Selbstbewußtsein ein Innewerden dessen, was in der Seele vorgeht, zugleich das Gefühl seiner selbst als Substanz. Es ist die Quelle aller Erkenntnisse. - Nach CESCA ist das Selbstbewußtsein Produkt einer psychischen Entwicklung, der Unterscheidung des wollenden Ich vom Nicht-Ich (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. XI, 409 ff.). Das Ich ißt erst der Leib, dann die psychische Innerlichkeit. die Einheit des Ich ist Produkt der verschmelzenden Funktion der Apperzeption (l. c. S. 413). Die Identität des Ich wird durch das Gedächtnis festgehalten (ib.. so auch FERRI, Filos. delle scuole ital. XI, 277, XVI, 167 ff., nach welchem das Ich die Seele ist und der sonst ähnlich wie M. de Biran lehrt). Nach G. VILLA ist das Selbstbewußtsein »ein Komplex mehr oder minder miteinander vereinigter psychischer Elemente« (Einl in die Psychol. S. 374).
Ahnlich wie M. DE BIRAN (s. Ich) lehrt u.a. DEILBOEUF (La psychol. comme une science nat. 1876, p. 14 f., 18). Die Unmittelbarkeit des Selbstbewußtseins im Denken betont ROYER-COLLARD. Phänomenalen Charakter hat das Ich nach BOUILLIER (Du princ. vital. p. 321 ff.), LELUT (Physiol. de la pensée I, 91) u.a. Wie nach Biran, Jouffroy u.a., ist auch nach WADDINGTON das Selbstbewußtsein die Quelle der Kategorien (Seele d. Mensch. S. 250). Nach RABIER ist das primäre Ich »le corps anime par la pensée, la sensibilité et la volonté« (Psychol. p. 421, 438 ff.). Die Vorstellung des Ich ist nicht ursprünglich (l. c. p. 439). »L'idée du moi est une synthèse: l'association des idées fournit les éléments de la synthèse. et la synthèse s'opère par l'unité d'aperception« (l. c. p. 446). Eine sichere Tatsache ist nur die »identité morale« (l. c. p. 447 ff.). Nach FOUILLÉE ist das Ich »une idée dominatrice et un fait dominateur« (Sc. soc. p. 223 f.). Dem Ich entspricht die Permanenz des Organismus und des Zerebralsystems (Psychol. des id.-forc. II, 67). Das Ich ist eine »idée-force« (l. c. p. 69 ff.). »le moi, le sujet, dès qu'il devient par l'idée un objet de conscience distincte, devient du même coup un motif« (l. c. p. 70). »La conscience de soi enveloppe: 1) la conscience de la totalité de nos activités. 2) la consciense de l'unité de cette totalité. 3) la vue anticipée d'une continuation de ce tout-un pendant un avenir plus ou moins incertain« (l. c. p. 70). Zu unterscheiden ist zwischen »moi individuelle« und »moi soziale«, letzteres ist »la partie soziale de notre moi« (l. c. p. 72). Als Gruppe von psychischen Vorgängen faßt (wie J. ST. MILL, s. Ich) das Ich auf TAINE (De l'intell. I, 211, 215, 230), LITTRÉ (Fragm. de philos. posit. 1876, P. 578 ff.). Nach BEAUSSIRE ist Selbstbewußtsein in jedem Bewußtsein enthalten (Rev. des deux Mond. 1883, P. 318, 320, 324). Als aktuale Einheit bestimmt das Ich PAULHAN (La Personnalité, Rev. philos. X, 50, 63. vgl. RICHET l. c. XV, 227 ff.. RIBOT l. c. XV u. XVIII, 426, 430, 442 ff.. Psychol. d. sent. p. 236 ff.. vgl. RAVAISSON, Franz. Philos. S. 255).
Die Korrelation von Selbst- und Objektsbewußtsein lehrt u.a. J. F. FERRIER (Inst. of Met.2, 1856). Die Ewigkeit des Selbstbewußtseins lehrt GREEN (Prolegom. to Ethics, p. 119). W. JAMES versteht unter denn »spiritual self« »a man's inner or subjektive being, his psychical faculties or dispositions, taken konkretely« (Princ. of Psychol. I, 296 ff., 329 ff.). »Ressemblance among the parts of a continuum of feelings... thus constitutes the real and verifiable ›personal identity‹ which we feel« (l. c. p. 336). Nach LADD liegt im Für-sich-sein die Realität der Seele (Philos. of Mind 1896, p. 147 ff.). SULLY bemerkt: »Das Kind hat zweifellos ein rudimentäres Selbstbewußtsein, wenn es von sich selbst als von einem andern Gegenstand spricht. der Gebrauch der Formen ›ich‹, ›mir‹ mag aber die größere Bestimmtheit der Vorstellung vom Ich bezeichnen, mund zwar nicht bloß, als körperliches Objekt und gerade so nennbar wie andere wahrnehmbare Dinge, sondern auch als etwas, das von allen Objekten der Sinne verschieden und diesem entgegengesetzt ist, als das, was wir ›Subjekt‹ oder ›Ich‹ nennen« (Unt. üb. d. Kindh. S. 168. vgl. Illus. 1880, p. 285). ROMANES versteht unter rezeptivem Selbstbewußtsein die praktische Erkennung des Ich als eines aktiven und empfindenden Agens, während die introspective Erkenntnis daß Ich als Objekt und Subjekt der Erkenntnis auffaßt (Entwickl. S. 195 ff.). Vgl. J. WARD, Encycl. Brit. XX, 83 f.. BALDWIN, Handb. of Psychol. I2, p. 143 f.. Mental devel. ch. 11, § 3, und andere unter »Psychologie« verzeichnete Autoren. - Nach BOSTRÖM ist alles Leben Selbstbewußtsein. - Aus rotierenden Bewegungen leitet das Selbstbewußtsein materialistisch ab CZOLBE (Entsteh. d. Selbstbew. S. 11 ff.). Vgl. Ich, Bewußtsein, Identität, Person, Apperzeption, Reflexion, Erkenntnis, Kategorien, Sein, Substanz, Kausalität.