@georgerus Wikipedia: Positives DenkenEine weltweit erste umfassende Kritik des Positiven Denkens auf der Basis der wissenschaftlichen Psychologie wurde von dem deutschen Psychotherapeuten Günter Scheich vorgenommen.[1] Sein Buch »Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen« gilt schon seit der Erstauflage von 1997 als Standardwerk.[2]
Psychologen und Psychiater warnen ausdrücklich davor, dass die Methoden labile und depressive Patienten weiter schädigen können. Besonders bei unkritischen Menschen können sie auch zu einem Realitätsverlust führen. Der Realitätsverlust kann durch das Vermeiden von kritischen Fragen und der damit einhergehenden teilweisen Leugnung von vorhandenen Schwächen entstehen. Vernachlässigt werden zudem die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen, ihre unterschiedliche Persönlichkeitsstruktur sowie die Wechselwirkung zwischen individueller Psyche und sozialer Umgebung.
Problematisch wird positives Denken insbesondere dann, wenn Unglück und Leid als vom Menschen selbst verschuldet gelten.
Ein Experiment von Joanne Wood mit Kollegen von der University of Waterloo zeigte, dass Teilnehmer mit gering ausgeprägtem Selbstbewusstsein alleine durch das Aufsagen allgemein positiv konnotierter Sätze ihre Stimmung, ihren Optimismus und ihre Bereitschaft, an Aktivitäten teilzunehmen, messbar verschlechterten. Personen mit gutem Selbstbewusstsein würden zwar leicht von der Autosuggestion profitieren, der Effekt war jedoch kaum ausgeprägt.[3]
Oswald Neuberger, Professor für Psychologie an der Universität Augsburg, sieht in der Methode des Positiven Denkens eine zirkuläre Falle: „Wenn du keinen Erfolg hast, dann bist du eben selber schuld, weil du es offensichtlich nicht richtig probiert hast. Der Trainer aber bleibt unfehlbar.“ Zudem werde das Problem des Versagens individualisiert, Misserfolge personalisiert, das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aber von Schuld freigesprochen.
Colin Goldner, Leiter des Forums Kritische Psychologie e. V., diagnostiziert „Denk- und Wahrnehmungsdefizite“ zunehmend bei Personen, die den „trivialisierten Hypnosuggestionen“ und „pseudodialektischen Heilsversprechen“ tingelnder „Drittklassgurus“ auf den Leim gingen, und kritisiert den „psycho- und sozialdarwinistischen Machbarkeitswahn“ der Motivationstrainer.[4]
Die wichtigsten Kritikpunkte an dem „ zwanghaft aufgesetzten positiven Denken“ sind nach Scheich:
Positives Denken basiert nicht auf der psychologischen Wissenschaft.
Es handelt sich um ein esoterisches Ratgebergebilde.[5][6][7]
Aufgrund unreifer Ziele und mangelnder Fähigkeiten kann das willentlich aufgesetzte, zwanghafte Positive Denken nicht nur nutzlos sein, sondern auch erheblichen Schaden für die Psyche des (fanatischen) „Positiv-Denkers“ anrichten. Zugleich zeigt sich nach Scheich auch, dass viele Menschen, die bewusst positiv denken wollen, noch nie so stark negativ gedacht haben. Es ist ein Paradoxon der „entgegengesetzten Wirkung“ von Abschottung, Realitätsverlust und Bewusstseinsspaltung in das „positiv denkende Ich“ und den „übermächtigen Rest der Seele“.[8][9]
Das „Positive Denken“ kontraindiziert die besondere Errungenschaft der aufkommenden Seelenheilkunde Ende des 19. Jahrhunderts. Hier wurde u. a. von Freud u. a. die besondere seelische sowie evolutionäre Bedeutung der negativen Gefühle und Gedanken erkannt. Das Wahrnehmen und Ausdrücken negativer Gefühle und Gedanken wird bis in die Gegenwart als Hilfe, Befreiung und Problemlösestrategie bei psychischen Belastungen und Erkrankungen von den unterschiedlichsten psychotherapeutischen Schulen genutzt.
Das zwanghaft aufgesetzte Positive Denken wird aufgrund der vorliegenden Schriften und Äußerungen der Verfechter als eine Art Religion postuliert. Der Glaubensanspruch besteht darin, dass das Positive Denken ein anscheinender Weg der Selbsterlösung auf Erden ist. Diese Selbsthilfemethode des Zwangsoptimismus hat nichts mit einem durchaus berechtigten gesunden Optimismus zu tun.[10][11]
Kritisch zu sehen ist nach Scheich ebenfalls das dem „Positiven Denken“ immanente Menschenbild der ungehemmt-grenzenlosen sowie moralfreien permanenten Absicht der Selbst- und Fremdmanipulation. Der Mensch wird so zur Marionette von unreifem Wunschdenken und Egotrips. Er verliert dabei jegliche Wertvorstellungen und zwischenmenschlich notwendige Ansprüche im gegenseitigen Umgang.[12]