@wolf359 wolf359 schrieb:Unsere Existenz erzwingt hier weitere Überlegungen bezüglich der Existenz der anderen.
Eben nicht. Unsere Existenz zieht den Schluss, dass es noch anderswo Leben geben muss, nicht zwingend nach sich. Damit erledigen sich zugleich weitere Überlegungen, die sich aus diesem Schluss ergeben würden.
wolf359 schrieb:Es kann dutzende anderer Ansätze gegeben haben, und ob die "Funktionalität der Prokaryotenzelle" tatsächlich nur einmal enstanden ist, kann niemand mit hinreichender Zuverlässigkeit behaupten. Nur eines dürfte klar sein: der erfolgreichste Lebensprozess setzte sich durch. Wenn also keine anderen Prozesse mehr zu finden sind, dann nur, weil sie schon vor hunderten Millionen von Jahren dem erfolgreichsten Lebensprozess unterlegen waren...
Das ist richtig. Dieses Szenario ist durchaus denkbar, aber es ist eben nicht alternativlos denkbar. Die Alternative ist die einmalige Entstehung eines evolutionsfähigen Organismus, der sich dann nach und nach auf der gesamten Erde verbreitet hat, weil konkurrierende Lebensformen fehlten. Insofern muss hier eine Entscheidung einstweilen offen bleiben, bis entsprechende Belege, die für ein häufiges Entstehen von Leben sprechen, vorliegen. Anderenfalls ist im Zweifel die einfachere Variante vorzuziehen - also die Vermutung, dass der Einzelfall gegeben war.
wolf359 schrieb:Etwa der Robert Shapiro, ...
Genau den meine ich, aber ob der Weg über einfachere Moleküle als RNA zugleich die Chancen auf Erfolg erhöht, möchte ich bezweifeln, denn dann müssten andere Matrizenmoleküle gefunden werden, die die Rolle des Genoms übernehmen. Nicht, dass es die nicht geben könnte, aber es könnte sein, dass der Weg jenseits von RNA im Durchschnitt noch länger dauern würde als mit RNA.
wolf359 schrieb:Es müssen sicher bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit sich "der Kreis schließt", aber nur weil sie nicht überall anzutreffen sind, oder teilweise vom Zufall abhängen, heißt das noch lange nicht, das sie nicht eintreten. Das Leben auf der Erde beweist, das sich der Kreis geschlossen hat. Die Umstände unter denen das passierte, sind uns nicht bekannt, und so müssen wir eben weiter nach Antworten suchen. Solange wir diese Antworten aber nicht haben, ist es nicht sicher, wie oft sich der Kreis tatsächlich geschlossen hat.
Eben. Nichts anderes schreibe ich hier die ganze Zeit. Wenn ich nun annehme, dass das "Schließen des Kreises" im Durchschnitt so selten ist, dass wir allein im All sind, dann kann man diese Vermutung leicht widerlegen, aber aus praktischen Gründen wahrscheinlich nicht abschließend belegen. Die entgegengesetzte Annahme, dass Leben häufig im All vorhanden ist, kann man vergleichsweise einfach belegen, aber aus denselben praktischen Gründen wie bei meiner Annahme wahrscheinlich nie widerlegen. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist eine falsifizierbare These wertvoller als eine nicht falsifizierbare These, daher ziehe ich bis zum Beweis des Gegenteils die These vor, dass wir allein im All sind. Das erscheint mir vernünftiger und deckt sich zugleich mit den bisher vorliegenden Beobachtungstatsachen.
wolf359 schrieb:Die 20 gebräuchlichen Aminosäuren sind das Ergebnis eines Auswahlprozesses.
Das ist zweifelsohne richtig, hilft uns aber nicht weiter in der Frage, ob dieses Ergebnis eine einzelne Ursache hat oder mehrere. Primitivere Codevarianten wurden mehrfach diskutiert. Eine Minimalvariante sieht z.B. vor, dass ursprünglich nur vier Aminosäuren codiert wurden, die sich in zwei Klassen und zwei Unterklassen chemischer Eigenschaften einordnen: Alanin (wasserabstoßend), Serin (wasseranziehend, polar), Asparaginsäure (wasseranziehend, sauer), Glutaminsäure (wasseranziehend, sauer). Verglichen mit den gegenwärtigen Stoffwechselwegen, die zur Synthese von Aminosäuren im Organismus führen, sind diese vier die Ausgangsstoffe, so dass diese Überlegungen zum Urcode durchaus plausibel sind.
Die Auswahl, die dazu führte, dass der Code zunehmend eindeutiger und zugleich fehlertoleranter wurde, lief über eine bestimmte Proteinklasse, die dafür zuständig ist, dass Aminosäuren an tRNA gebunden wird, die sogenannten AARS (= Aminoacyl-tRNA-Synthetasen). Je spezifischer diese AARS wurden, um so eindeutiger wurde die Zuordnung von Basentripletts zu Aminosäuren, da die eigentliche Verknüpfung zu Proteinen an den Ribosomen ablief. Ribosomen widerum führen keine Fehlerkontrolle mehr durch, sondern arbeiten stur ihr Programm ab, das heißt, sie bringen Codons und Anticodons zur Passung, binden die bereits verknüpfte Aminosäurenkette an die Aminosäure an und lösen den verlängerten Strang von der tRNA. Sie funktionieren also wie eine Maschine.
Damit aber zumindest halbwegs funktionierende AARS entstehen konnten, musste ein primitiver Translationsmechanismus bereits vorhanden sein. Anderenfalls wäre mit jeder Vesikelteilung eine neue Zufallsverteilung an Proteinen in den Tochtervesikeln vorhanden gewesen, die sich aufgrund der sich häufenden Fehlvarianten nicht weiterentwickeln könnten. Funktionierende Lösungen würden nicht weitergegeben werden können, da der Vererbungsmechanismus ja noch nicht da war.
Angenommen, es hätten sich mehrere voneinander unabhängig entstandene Translationsmechanismen entwickelt, dann wäre zu erwarten, dass verschiedene Aminosäuren als Basis für einen Urcode ausgewählt worden wären - also auch andere als die genannten vier. Diese alternativen Codes müssten ebenfalls in Richtung Eindeutigkeit evolviert sein, einschließlich der sich daran anschließenden Stoffwechselprozesse, die aus unseren vier Basis-Aminosäuren insgesamt zwanzig werden lassen. Wir müssten also erwarten, dass diese Urzellen mit alternativen Codes alternative Stoffwechselwege mit alternativen Aminosäuren und folglich Proteine mit anderen als unsere zwanzig Aminosäuren aufweisen. Wir kennen keine derartigen alternativen Proteine, die z.B. nur in einer Domäne oder nur in einem Reich der Organismen vorkommen. Der genetische Code ist universell über alle Domänen hinweg, also lässt sich schlussfolgern, dass alle Organismen eine einzige gemeinsame Wurzel haben.
Dieser Schluss ist vereinbar mit der Annahme, dass das Leben nur ein einziges Mal auf der Erde entstanden ist. Dieser Schluss verbietet nicht, dass die Universalität des genetischen Codes das Resultat eines Ausleseprozesses ist, der alle alternativen Varianten hat aussterben lassen - er lässt diese Möglichkeit offen - aber da die dazu nötigen Belege fehlen (und wahrscheinlich nie erbracht werden können), ist die Annahme des einmaligen Zufallstreffers die einfachste mögliche, die mit den Beobachtungsdaten in Übereinstimmung steht.
Monod