Euer letzter Traum
15.09.2015 um 02:10
Der Weg ist teuer und selbst im Anfang dem Ziele nicht ferner als die Wärme der Sonne.
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Wir spielen Fussball.
A. ist da und viele Gesichter aus der Vergangenheit und S. natürlich, die alles vom Wiesenrande aus betrachtet.
Bei jedem Abschlag dehnt sich der Raum in die Horizontale, bei jeder Bogenlampe in die Vertikale, grausige Sache das.
Nebenher entwickelt sich schlimmes Gezänk in den Köpfen, unausgesprochen von den Zungen, hinabgedrückt in die Herzen, sauer und bitter werdend wie verdorbener Wein.
Das Äußere faltet sich nach innen, in einen dunklen Raum voller Nebel und darin gebrochene Dämmerung, Gesichter werden zu aschfahlen Schemen, Augen zu toten Höhlen, Münder zu wild bewegten Spalten, eine schwere, feuchte Decke liegt auf uns, unerträgliche Hitze und erzwungene Starre steigert sich in's Unerträgliche, A. und ich beschließen eine Klärung herbei zu führen und verlassen die Kaverne der ewig dräuenden Gewitter um einen einsamen Ort zu suchen an dem wir handgemein werden können.
Draußen liegt Schnee, wie dicker Schimmel sieht er aus, stumpf, schmutzig grün, es staubt bei jedem Schritt und uns wir übel.
Schwäche bemächtigt sich unserer Körper, die Schädel beginnen zu schmerzen, flau wird's im Magen, eigentlich haben wir nun schon die Lust auf Ehrenhändel verloren jedoch, gesagt ist gesagt und abgemacht ist abgemacht.
So schleppen wir uns von Ort zu Ort, von Platz zu Platz, alles schon bevölkert, keine Einsamkeit, graue Puppen stehen oder staksen hier und dort, dunkle Gemenge geschlechtsloser Symbionten.
Also fahren wir, S. ist dabei und W. sitzt am Steuer, bärbeißig und wortkarg wie eh und je.
Der einsame Ort, die Brache unserer Kindheit ist das Ziel aber, was Wunder, es wird gebaut.
Fast steht das verloren geglaubte Gebilde wieder, Handwerkszeug an allen Ecken und in den Zimmern und Stuben und, indem ich mich umblicke, ist A. auch schon verschwunden.
Dort aber, im Esszimmer, steht wieder der große, runde Tisch aus dunklem Holze, Teller und Kristallgläser darauf, dazwischen auf weißem Tuche, ein Tier das mir als solches erscheint denn niemals hat mein Auge etwas dergleichen erblickt, eingerollt, verkapselt und verpuppt, in stumpfen staubgrau und glitzernder Silbrigkeit liegt es da wie tot.
So wende ich mich nun S. zu und sage ihr Worte die niemals ein Sohn der Mutter gesagt, Schwall auf Schwall, Tirade auf Tirade ergießt sich über sie.
Endlich sinke ich erschöpft zusammen, falle auf den Stuhl am Esstisch, mein müder Blick gleitet träge auf das Tier, diesen unsäglichen Homunculus und es entwickelt sich, entfaltet sich vor meinen Augen, Stück für Stück, von den Gliedmaßen bis zum Leib und hin zum Kopfe, feucht glitzernd entsteigt ein Waran in den Farben eines Feuersalamanders der zitternden, triefenden Membran ungenannter Form.
Bruder Ungeschlacht dreht mir den massigen Rücken zu, schlägt heftig mit dem Schwanze und vollführt
mit seiner tiefschwarzen, gespaltenen Zunge dieselbe Bewegung am gegenteiligen Ende.
S. nun strebt steifbeinig der Türe zu, nicht ohne das ich sie vor der Giftigkeit meines neuen Gefährten im Geiste warne, und verlässt unbehelligt und wie in Trance den Raum.
Ich bleibe, bleibe sitzen, schwer ist mein Körper, der Wille könnte ihn wohl ein weiteres Mal hochwuchten jedoch, wozu?
Ich bin nicht mehr gelitten, weder dort noch überall sonst, außer hier, am langsam verlandenden Rinnsal der gestohlenen Träume.
So verbleibe ich hier in der Betrachtung des schwärzesten Schwarzes, des gelbsten Gelbes und
wellenförmiger Bewegungen die, rauchlosen Flammen gleich, beglückend das Innerste verzehren.