Kephalopyr schrieb:Gab es da schon "natürliche" Pestizide oder dergleichen?
Ich meinte übrigens Herbizide. Pestizid ist der Oberbegriff für Herbizid (Pflanzengift), Insektizid (Insektengift), Fungizid (Pilzgift). Und selbstverständlich wußten sich auch frühere in der Landwirtschaft beschäftigte Menschen zu helfen, wie sich unliebsame Pflanzen, Insekten und Pilze durch den Einsatz bestimmter Mittlchen unterdrücken ließen. Brennesselsud gegen Blattlausbefall ist der noch bekannteste Klassiker.
Kephalopyr schrieb:Warum macht man das jetzt nicht mehr? Irgendwo eine Wiese extra nur für Insekten allerlei.
Weil jeder für Blühpflanzen genutzte Quadratmeter Boden keinen Weizen bringt und somit kein Geld - bzw. die Weizenpreise erhöht, um den Ertragswegfall finanziell auszugleichen. Wegen der Weizenknappheit dank des Ukrainekrieges haben selbst grüne Regierungsleute darüber nachgedacht, die gesetzliche Verpflichtung zur Anlage von Blühstreifen um Felder auszuhebeln, damit wir mehr anbauen können.
In Schleswig Holstein, wo noch viele traditionelle Hecken als Umgrenzung kleinteiliger Felder erhalten sind, werden diese Knicks, wie diese spezifische Heckenform genannt wird, gesetzlich geschützt. Diese Knicks bereichern den Boden, die Pflanzen- und Tierwelt, verbessern die klimatischen Bedingungen vor Ort.
https://www.bund-sh.de/naturschutz/knicks/was-sind-knicks/https://www.praxis-agrar.de/klima/landwirtschaft-und-klimaschutz/hecken-in-der-landwirtschaft-klima-und-artenschuetzerhttp://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/V/Service/Broschueren/Broschueren_V/Umwelt/pdf/broschuereKnickschutz.pdfhttps://www.ndr.de/ratgeber/reise/Knicks-in-Schleswig-Holstein,knicklandschaften101.htmlAber Knicks nehmen Platz für die Bebauung weg, behindern den Zugang von Maschinen zu den Feldern, müssen alle paar Jahre aufwendig gepflegt werden.
Hecken, Raine, Bauminseln, Gräben usw. zahlen sich langfristig aus, ohne Frage. Aber für den heutigen Landwirt ist die kurzfristige, die einjährige Bilanz oft überlebensentscheidend. Kann ich mich am Markt halten, wenn ich nicht auf jedem einzelnen Ar Nutzpflanzen anbaue? Kann ich es mir leisten, Geld und Arbeitszeit ins Anlegen und Pflegen von Hecken, Rainen usw. zu stecken statt in die Gewinnoptimierung zum Jahresende? Von einer Gewinnsicherung in zwanzig, dreißig Jahren kann ich heute nicht leben.
Kephalopyr schrieb:Das erinnert mich ein wenig an meine Kindheit. Da war es noch ungefähr so, wie Du es beschreibst.
In Deiner Kindheit hatte sich die Felderkultur im Osten Berlins schon gewaltig "industrialisiert" gegenüber der Zeit meiner Kindheit. Wassergräben zur Drainage waren da schon unterirdisch, Feldraine waren nur noch ne Sache von Zentimetern statt Dezimetern, meist ebenfalls zu gut 50% von den Nutzpflanzen mitbewachsen. Und Hecken als Feldbegrenzung waren ja schon dank der LPG-isierung Jahrzehnte vor meiner Kindheit verschwunden.
Kephalopyr schrieb:irgendwann in nicht all zu ferner Zeit gibt es dann ein Museum, in dem man noch die letzten Überlebenden ihrer Art betrachten kann
Den Zustand haben wir heute schon. Wenn wir alle Menschen und alle Nutztiere des Menschen in die eine Schale einer Waage setzen und in die andere Schale sämtliche landlebenden Wirbeltiere der Erde, vom kleinsten Frosch bis zum größten Elefanten, dann ist das Massenverhältnis 14 zu 1 - pro Menschenwelt, gegen die "Natur". Wir haben doch die wilden Tiere längst gegen die Wand gespielt und auf die Menge eines globalen Zoos - quasi: ein Hirsch im Gehege auf 14 Zoobesucher - reduziert. Nehmen wir noch sämtliche Wirbellose mit in die Wagschale, ist das Verhältnis noch immer 1,4 zu 1 zuungunsten der Tiere der Natur.
Mäuse sind sehr viel leichter als Elefanten, aber es gibt auch sehr viel Mäuse als Elefanten. Und so könnte man sehr grob sagen: wenn es über 50.000 Landwirbeltierarten auf der Welt gibt, dann sollte jede einzelne Art ein Fünfzigtausendstel der Gesamtbiomasse aller Landwirbeltiere ausmachen. Der Mensch ist auch nur eine einzelne Landwirbeltierart. Noch n Handvoll Nutztierarten dazu: Rinder, Schweine, Schafe & Ziegen, Hühner etc., dann müßte der Mensch und sein Vieh eigentlich nur 10...20 mal ein Fünfzigtausendstel der Biomasse ergeben. Sagen wir mal ein Fünftausendstel, 0,02 Prozent. Aber wir stellen zusammen mit unserem Vieh über 93 Prozent! Um nur ein 50.000stel Anteil zu bilden, dürfte es von uns Menschen mit gleichbleibend hohem Nutzviehbedarf nur gut 25 Millionen geben. Weltweit. Dann hätten wir unseren "natürlichen Anteil" an der Gesamtbiomasse der Landwirbeltiere bei deutlich mehr Wildtieren dank Menschenrückgang. Ohne Wildtier-Zuwachs dürfte es von uns nicht mal zwei Millionen geben, um nur ein Fünfzigtausendstel der Biomasse zu stellen.
Die Natur ist doch längst zum "Lebendmuseum" = "Zoo" geschrumpft.
Kephalopyr schrieb:Alles dreht sich nur noch(meiner Sichtweise nach) um Profit, Geld Geld Geld, Gewinn Gewinn Gewinn, so viel wie möglich, in kürzester Zeit.
Diese Ursachen-Erklärung halte ich für fraglich. Bauern kämpfen ums Überleben. Um ihr Überleben heute, nicht um das in ein paar Jahrzehnten. Und das machen andere ebenso. Diese antikapitalistische schuldabwälzende Simplifizierung mag ich nicht.