@McPane Amphicoelias fragillimus, der rote Kerl auf Deinem Bildchen, ist fossil leider nicht mehr vorhanden. Der Fund ging irgendwann verloren. Erhalten sind Beschreibungen und Zeichnungen. Das Skelett war ohnehin nicht vollständig tatsächlich existierte nur der Neuralbogen eines einzelnen Rückenwirbels! Man muß vieles aufgrund von anatomischen Vergleichen annehmen. Und da gibt es dann Probleme. Verweisen die spärlichen ermittelbaren Eigenschaften auf eine Verwandtschaft mehr mit Diplodocusformen oder mit Brachyosauriern usw? Entsprechend anders wird die zur Grundlage genommene Anatomie ausfallen. Aber oft gibt es sogenannte Merkmalsmixe. Ein Tier kann im Wirbelbereich mehr der Gruppe A ähneln und im Becken mehr der Gruppe B. Welche Anatomie kann man nun als Grundlage annehmen? Hier befinden wir uns im Grunde genommen beim
Lottospielen.
Selbst bei Vertretern einer Gruppe kann man nicht zwingend sagen, daß die größten Vertreter so aussehen wie die kleinsten, nur eben hochextrapoliert (aufgepustet). Stell Dir mal nen Zwergpudelund nen Königspudel auf gleiche Größe skaliert nebeneinander vor.
Mithilfe des Extrapolier-Lottos aufgrund einer gemutmaßten Verwandtschaft wurden dem Amphicoelias fragillimus Vorderextremitäten von 5,75m Höhe und Hinterextremitäten von 7,5m Höhe sowie eine maximale Rumpfhöhe von 9,25m zugeschrieben.
In diesem Artikel
https://svpow.com/2010/02/19/how-big-was-amphicoelias-fragillimus-i-mean-really/ wird gezeigt, wie sich der Wirbel auf knapp 2,3m Höhe rekonstruieren läßt, statt einfach den vergleicharen Wirbel der kleineren Schwesterspezies Amphicoelias altus auf das Fragillimus-Fragment hochzuskalieren und so 2,7m Höhe zu erhalten. Statt auf 122,4t Lebendmasse käme man so auf 78,5t. Und statt auf 9,25m Maximalrumpfhöhe auf knapp 7,90m. Und das auch nur, wenn wir eine bestimmte Anatomie voraussetzen. Nun gab es Sauropoden, deren größte Rumpfhöhe in Beckennähe lag; hier wird sie mittig zwischen den Vorder- und Hinterbeinen angenommen. Bei Titanosauriern war hingegen der Rumpf bei den Vorderextremitäten am höchsten.
Die Vordergliedmaßen von Amphicoelias würden bei den Rekonstruktionsparametern jener verlinkten Seite auf knapp 4,90 runtergehen. Jetzt frage ich mich allerdings, wie stand der Amphicoelias da? Drückte er seine Beine durch, sodaß sie nahezu senkrecht aufragten? Wenn es einen Vierfüßer mit senkrechten Beinen gibt, danndas Pferd! Schauen wir uns mal das Skelett an:
Original anzeigen (0,4 MB)Wie man sehen kann, stehen die Oberarmknochen in einem 45°-Winkel, das Schulterblatt ebenfalls. DIe Schaufel des Schulterblatts ragt dabei über die Wirbelsäule hinaus; sie ist durch Sehnen und Muskeln mit den Wirbelfortsätzen der Brustwirbel verbunden, die hier besonders groß sind. DIes verleiht dem Schulterblatt große Stabilität. Bei den Hintergliedmaßen ist der Winkel der Oberschenkelknochen nicht gar so groß; dafür weichen auch die Untrschenkelknochen deutlich von der Senkrechten ab. Schautman sich die Skelette weiterer Vierfüßer an, vor allem größerer, massereicherer, kann man dasselbe Muster immer wieder finden. Kein Vierfüßer, schon gar kein besonders großer, massereicher, steht mit komplett senkrecht durchgedrückten Beinen da. Hiermal zum Vergleich, Wollnashorn, Giraffe, Elefant:
Und wie sieht das nun bei Amphicoelias fragillimus aus? Hier mal eine Darstellung seiner kleinen Schwester, Amphicoelias altus:
Aber voll der Beschiß, hey! Selbst mit dem Schulterblatt treiben solche "Rekonstrukteure" noch ihren Schindluder. Damit Patagotitan, Amphicoelias und sonstige Riesen noch ein kleines bisserl höher aufragen, werden nicht nur sämtliche Beinknochen auf nahezu Senkrechte getrimmt, nein, das Schulterblatt verliert seine Verankerung an den Brustwirbeln; es berührt nur noch mit seinem äußersten Rand den Wirbelbereich, aber nicht mal mehr ansatzweise die oberen Wirbelfortsätze, die bei Vierfüßern nun mal gerade im Schulterbereich besonders groß sind - eben für die Verankerung des Schulterblatts!!! nicht weils schick aussieht - ber der allermeiste Bereich des Schulterblattes, ht keinerlei Kontakt mehr zu den Wirbeln. Nein, man dreht das Schulterblatt so, daß es schön schräg nach unten steht und dem Tier quasi die Vorderbeine verlängert. Damit es noch ein paar Dezimeter höher rekonstruiert werden kann.
Auf der Zeichnung kann man sehen, daß rund 40% der Schulter- bzw. Widerristhöhe durch die veranschlagte Position des Schulterblattes zustandekommen. Die Verbindung der Schaufel mit den Brustwirbeln kann nur am äußersten Schaufelrand hergestellt werden. Wie ein so rekonstruierter Amphicoelias fragillimus funktionieren konnte, ist mir ein Rätsel. Selbst mit der Federgewichtsannahme von knapp 80 Tonnen (statt gut 120) muß jedes einzelne Vorderbein bereits im Stand wenigstens 15 Tonnen Lebendgewicht tragen. Mit Gepard-Schulterblättern, also ohne großflächige Verbindung mit Brustwirbeln und WIderrist, ist das nicht zu bewerkstelligen.
Vor zweieinhalb Monaten schrieb ich nen verbleichbaren Post zu unsinnigen Rumpfhöhenrekonstruktionen bei Dinos:
Dinosaurier (Seite 10) (Beitrag von perttivalkonen) und vor knapp drei Jahren diesen Beitrag
Riesenmumie in Amerika gefunden. (Seite 4) (Beitrag von perttivalkonen) zu unanatomischen Museumsrekonstruktionen z.B. eines Baluchitheriums/Indricotheriums/Paraceratheriums.
Meinen damaligen Standpunkt "4m Schulterhöhe
ist Obergrenze" habe ich seither durchaus etwas modifiziert zu "4m Schulterhöhe zu überschreiten (ist möglich, aber es) scheint problematisch". Alles in allem werden auch die Sauropoden mehrheitlich bei maximal 4m Schulterhöhe gelegen haben. Einige mögen dieses Limit überschritten haben, und das Überschreiten mit anderen Körperregionen (Kopf, Rückensegel, Lendenregion) ist auch anderen Tieren, selbst Säugern gelungen (siehe Giraffen heute). Laß es mich so sagen: die inneren Organe und das Haupt-Blutkreislaufsystem befinden sich unterhalb der 4m-Marke.