Habe die Doku auch gesehen und fand die Darstellung der Problematik wirklich schlecht. Habe beruflich ein wenig mit Rüstungsaltlasten zu tun, bin jetzt aber kein Fachmann für marine Rüstungsaltlasten. Was ich schlecht fand:
Es wurde nicht nach konventionellen und chemischen Kampfstoffen unterschieden. Das oft angesprochene Senftgas (Schwefellost) wurde dort ja fast synonym für Chemiewaffen benutzt Es ist mengenmäßig wohl der bedeutendste, aber nicht der einzige chemische Kampfstoff.
Daneben gibt es noch die Nervengifte (Tabun, Sarin etc.). Diese Stoffe sind natürlich alle massiv toxisch, trotzdem stellen sie nur ein untergeordnetes Problem dar. Erstens sind die Versenkungsgebiete recht gut erfasst, zweitens machen sie mengenmäßig nur ca. 10% der Rüstungsaltlasten aus und drittens sind sie chemisch nicht sehr stabil.
Alle diese Stoffe hydrolysieren recht schnell und zerfallen dabei in harmlose Stoffe. Die Gefahr besteht nur bei unmittelbarem Kontakt. Außerdem korrodieren die Behälter (Granaten, Bomben) in der Regel recht langsam und setzen die Stoffe entsprechend verzögert frei. Deswegen gehen von diesen Stoffen nur geringe Umweltwirkungen aus.
Einen wesentlich größeren Anteil an den Rüstungsaltlasten machen die konventionellen Kampfstoffe (Brandmittel, Explosivstoffe (TNT, Hexogen, Nitropenta); Zünd- und Treibmittel). Sie haben zwar eine geringere akute Toxizität, sind aber trotzdem giftig und stehen im Verdacht karzinogen, mutagen und reproduktionstoxisch zu sein. In Nord- und Ostsee werden ca. 1,6 Mio Tonnen davon vermutet. Diese Stoffe sind aber im Gegensatz zu den chem. Kampfstoffen chemisch recht stabil und könnten nur sehr langsam abgebaut werden.
Glücklicherweise sind diese Stoffe aber auch schlecht wasserlöslich und verlagern sich dementsprechend nur langsam von den Quellen. In Anbetracht der gigantischen Wassermassen (im Verhältnis zu den Schadstoffen) kommt es deshalb auch nur zu geringsten Kontaminationen auch der näheren Umgebung, meist unterhalb der Nachweisgrenze.
Allein aufgrund dieser Tatsachen ist es nicht ganz abwegig einfach nur abzuwarten und die Altlasten nicht zu bergen (was mit teils wesentlich größeren Risiken behaftet ist, als nichts zu tun). Panikmache ist auf jeden Fall nicht angebracht.
Ohne Zweifel ist es eine riesen Sauerei, dass die Kampfstoffe so entsorgt wurden. Man darf aber auch nicht vergessen, wann das Ganze passiert ist. Nach dem Krieg musste vieles schnell angepackt werden, die Kampfmittelbeseitigung war nur eines der großen Probleme.
Im übrigen sind die Rüstungsaltlasten auf dem Land ein wahrscheinlich viel größeres Problem, das uns noch lange Zeit beschäftigen wird. Davon bekommt man in der Öffentlichkeit aber wenig mit.
Und dass das ganze verheimlicht und vertuscht werden soll, kann ich auch nicht ganz nachvollziehen. Die alliierten Militärarchive sind offen und können eingesehen werden. Natürlich ist es eine enorme Aufgabe alle Daten zu sichten und auszuwerten. Dazu bedarf es auch Spezialisten, die sowas können (die gibt es nicht wie Sand am Meer).
Es liegt scheinbar in der Natur solcher Dokumentation, die Sachen so darzustellen, dass es dramatischer wirkt als es ist. Der reine Sachverhalt scheint sich eben nicht wirklich gut verkaufen zu lassen (only bad news are good news).
Wer sich etwas objektiver über die Situation zumindest in Deutschland informieren möchte, hier eine kleine Empfehlung:
http://www.schleswig-holstein.de/UXO/DE/UXO_node.html (Archiv-Version vom 10.04.2014)