baackpapier schrieb:Viele Texte sprechen von etwas wie eine Seele, sowas ist ein Anhaltspunkt, ich glaube da muss man anfangen zu suchen und Ähnlichkeiten sehen.
Naja, es ist im Prinzip wie mit der Evolution: Ähnliche Probleme führen zu ähnlichen Lösungen. Vermutlich würde man sogar noch auf anderen Planeten bzw. außerirdischen Zivilisationen, so es sie denn gibt, ähnliche Vorstellungen finden. Daraus folgt zunächst aber erst einmal nicht mehr als die eigentlich recht banale Erkenntnis, dass auch andere Lebensformen mit der Problematik der Endlichkeit des Seins konfrontiert sind.
Schopenhauer drückte es seinerzeit wie folgt aus:
"Beim Menschen fand sich, mit der Vernunft, nothwendig die erschreckende Gewißheit des Todes ein. Wie aber durchgängig in der Natur jedem Uebel ein Heilmittel, oder wenigstens ein Ersatz beigegeben ist; so verhilft die selbe Reflexion, welche die Erkenntniß des Todes herbeiführte, auch zu metaphysischen Ansichten, die darüber trösten, und deren das Thier weder bedürftig noch fähig ist. Hauptsächlich auf diesen Zweck sind alle Religionen und philosophischen Systeme gerichtet, sind also zunächst das von der reflektirenden Vernunft aus eigenen Mitteln hervorgebrachte Gegengift der Gewißheit des Todes. Der Grad jedoch, in welchem sie diesen Zweck erreichen, ist sehr verschieden, und allerdings wird eine Religion oder Philosophie viel mehr, als die andere, den Menschen befähigen, ruhigen Blickes dem Tod ins Angesicht zu sehn."
(Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 2. Band, Kap. 41 - Ueber den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich)Wo ich eh gerade meine Beiträge durchforste, stolpere ich noch über ein weiteres, interessantes Zitat... Und jetzt fällts mir wieder ein: Schopenhauer schrieb natürlich auch noch über viele andere Dinge, bspw. auch über "Atome" - das könnte vielleicht für
@off-peak ganz interessant sein.
:D"Aber nun gar die von den Franzosen ausgegangenen Konstruktionen des Lichts aus Molekülen und Atomen sind eine empörende Absurdität. Als einen schreienden Ausdruck derselben, wie überhaupt der ganzen Atomistik, kann man einen im Aprilheft der Annales de chimie et physique von 1835 befindlichen Aufsatz über Licht und Wärme, von dem sonst so scharfsinnigen Ampère, betrachten. Da besteht Festes, Flüssiges und Elastisches aus den selben Atomen, und aus deren Aggregation allein entspringen alle Unterschiede: ja, es wird gesagt, daß zwar der Raum ins Unendliche theilbar sei, aber nicht die Materie; weil, wenn die Theilung bis zu den Atomen gelangt sei, die fernere Theilung in die Zwischenräume der Atome fallen müsse! Da sind dann Licht und Wärme Vibrationen der Atome, der Schall hingegen eine Vibration der aus den Atomen zusammengesetzten Molekülen. – In Wahrheit aber sind die Atome eine fixe Idee der französischen Gelehrten;[353] daher diese eben von ihnen reden, als hätten sie sie gesehn. Außerdem müßte man sich wundern, daß eine so empirisch gesinnte Nation, eine solche matter of fact nation, wie die Franzosen, so fest an einer völlig transscendenten, alle Möglichkeit der Erfahrung überfliegenden Hypothese halten und darauf getrost ins weite Blaue hineinbauen kann. Dies ist nun eben eine Folge des zurückgebliebenen Zustandes der von ihnen so sehr vermiedenen Metaphysik welche durch den, bei allem guten Willen, seichten und mit Urtheilskraft sehr dürftig begabten Herrn Cousin schlecht vertreten wird."http://www.zeno.org/Philosophie/M/Schopenhauer,+Arthur/Die+Welt+als+Wille+und+Vorstellung/Zweiter+Band/Erg%C3%A4nzungen+zum+zweiten+Buch/23.+Ueber+die+Objektivation+des+Willens+in+der+erkenntni%C3%9Flosen+NaturFür Schopenhauer waren Atome ein reines Produkt der blühenden Phantasie, mehr nicht. Überhaupt schien es ihm völlig absurd,
"an einer völlig transscendenten, alle Möglichkeit der Erfahrung überfliegenden Hypothese" festzuhalten, für die es - seinerzeit - eben keinerlei stichhaltige Argumente, Indizien oder gar Belege gab. Ganz im Gegenteil: Schopenhauer führte in seinem Werk sogar diverse Gegenargumente an (hier nicht zitiert).
Im nachfolgenden Kapitel fährt Schopenhauer gewohnt polemisch fort:
"Diese ganze Aether-Atomen-Tremulanten-Hypothese ist nicht nur ein Hirngespinst, sondern thut es an täppischer Plumpheit den ärgsten Demokritischen gleich, ist aber unverschämt genug, sich heut zu Tage als ausgemachte Sache zu geriren, wodurch sie erlangt hat, daß sie von tausend pinselhaften Skribenten aller Fächer, denen jede Kenntniß von solchen Dingen abgeht, rechtgläubig nachgebetet und wie ein Evangelium geglaubt wird. – Die Atomenlehre überhaupt geht aber noch weiter: bald nämlich heißt es Spartam, quam nactus es, orna! Da werden dann sämmtlichen Atomen verschiedene immerwährende Bewegungen, drehende, vibrirende u.s.w., je nachdem ihr Amt ist, angedichtet: imgleichen hat jedes Atom seine Atmosphäre aus Aether, oder sonst was,[369] und was dergleichen Träumereien mehr sind. – Die Träumereien der Schellingischen Naturphilosophie und ihrer Anhänger waren doch meistens geistreich, schwunghaft, oder wenigstens witzig: diese hingegen sind plump, platt, ärmlich und täppisch, die Ausgeburt von Köpfen, welche erstlich keine andere Realität zu denken vermögen, als eine gefabelte eigenschaftslose Materie, die dabei ein absolutes Objekt, d.h. ein Objekt ohne Subjekt wäre, und zweitens keine andere Thätigkeit, als Bewegung und Stoß: diese zwei allein sind ihnen faßlich, und daß auf sie Alles zurücklaufe, ist ihre Voraussetzung a priori: denn sie sind ihr Ding an sich."http://www.zeno.org/Philosophie/M/Schopenhauer,+Arthur/Die+Welt+als+Wille+und+Vorstellung/Zweiter+Band/Erg%C3%A4nzungen+zum+zweiten+Buch/24.+Von+der+MaterieSchopenhauer nimmt hier wahrlich kein Blatt vor den Mund und hat für die Vertreter der Atomistik nichts als Spott und Häme übrig, was nur leider nichts daran ändert, dass er es ist, der sich im Nachhinein - ca. 200 Jahre später - zum hoffnungslosen Gespött macht.
:DDeshalb sage ich es auch immer wieder: Lernt aus der gottverdammten Wissenschafts- und Philosophiegeschichte!
:)baackpapier schrieb:Das alles traut man diesen Völkern zu aber gleichzeitig hält man diese Völker für so beschränkt, dass sie nicht erahnen können was die Natur ist und welche Kräfte damit verbunden sind.
Kommt darauf an, wen man fragt. Schaut man sich aber bspw. die Vorstellungen in der Antike zum Ursprung des Lebens an, kann man durchaus sagen, dass die Menschen mindestens eine grobe Ahnung hatten - naja, mehr oder weniger... *hust*
Wikipedia: Geschichte der Evolutionstheorie#Antike bis MittelalterUnd hier gilt dann eben auch genau das, was du schon sagtest:
baackpapier schrieb:Also was die Aussage ist, eben die Lehre die man aus den Texten ziehen kann, nicht die Details die so gar nicht passen.
Man darf die Vorstellungen früherer Epochen nicht zu genau nehmen, zumal sie eben auch genau das sind: alles andere als genau. Was vor dem Hintergrund damaliger Möglichkeiten aber auch nicht gerade unverständlich ist (Hint: Weltraumteleskope gab es damals bspw. noch nicht... Rasterelektronenmikroskope auch nicht...).
baackpapier schrieb:Wir glauben ja, dass wir auf Grund unseres technischen Wissens und der Wissenschaftliche Erkenntnisse über Naturgesetze, der Menschheit von damals weit überlegen sind.
Das sind wir auch.
baackpapier schrieb:Das sind wir bestimmt auch in vielen Pukten aber möglicherweise waren die Menschen nicht ganz so unwissend über unsere Natur wie wir glauben.
Es ist ganz simpel: Jede Generation weiß mehr als die Generation davor, da sie erstens im Besitz des Wissens der Generation davor ist (durch mündl./schriftl. Überlieferung), zweitens neues Wissen erschließt (durch Wissenschaft). Damit können sie damals noch so "schlau" gewesen sein, definitiv aber wussten sie auch nicht mehr als wir, ganz im Gegenteil.
(Bestimmt kommt gleich jemand mit der Story um die Ecke, dass doch die Hirngröße des Menschen in den vergangenen 10000 Jahren wieder abgenommen hat...
:D)
baackpapier schrieb:Ich sage nur es regt zum nachdenken an und es wundert mich nicht, wenn Milliarden Menschen an mehr Glauben als sie sehen.
Ja, das scheint ja, angesichts der natürlichen Grenzen von Wissen und Erkenntnisfähigkeit - auch wenn diese Grenze mit fortschreitender Wissenschaftsgeschichte immer weiter gezogen werden muss - auch und sogar völlig vernünftig zu sein. Wer glaubt, dass es nur das gibt, was wir
gegenwärtig sehen und messen können, ist natürlich naiv. Nur stellt sich andererseits halt auch die Frage, wie weit man da seiner blühenden Fantasie freien Lauf lässt, wenn man "an mehr glaubt als das, was man sieht". Und nicht wenige Menschen schlagen hier maßlos über die Stränge, wenn sie bspw. über
Märchenwesen Götter oder
Märchenwelten Paralleluniversen fantasieren.
baackpapier schrieb:Es bedarf einer gewissen Vorstellungskraft an etwas zu Glauben dass es noch nie zuvor gegeben hat, oder über dass man nie gesprochen hat. In der Wissenschaft passiert ja mittlwerweile genau das. Man spricht über ziemlich verrückten Kram, 5-Dimension,Schwarzelöcher und was weiss ich nicht alles.
Ja, das ist das Dilemma... Man versucht sich etwas vorzustellen, was man sich eigentlich gar nicht so wirklich vorstellen kann. Genau diese Problematik zieht sich bspw. auch durch die komplette Geschichte der Atomistik bzw. des Materialismus, von den Anfängen bei Thales, Anaximander, Demokrit & Co. über Schopenhauer & Co. bis hin sogar zur heutigen Elementarteilchenphysik, wo wir uns über mysteriöse Phänomene wie Wellenkollaps, Quantenverschränkung, Realismus und Lokalität den Kopf zerbrechen. Gefangen sind wir dabei vor allem in unseren
Konzepten, bloße Denkschablonen, die wir der Welt aufstempeln: Raum, Zeit, Bewegung, Ausdehnung, Teilchen, Welle, Kausalität, Lokalität uvm. Die Realität kennt diese Konzepte nicht, wir stempeln sie ihr nur auf, um sie uns irgendwie begreifbar zu machen und dabei gelegentlich feststellen zu müssen, dass diese Konzepte manchmal gar nicht so richtig passen wollen.
baackpapier schrieb:Man kann das natürlich schwer mit der Existenz einer Gottheit vergleichen aber wenn man sich trennt von der Idee Gott wäre der alte Mann mit Rauschebart auf der Wolke sitzend, sondern eine Art Überbewusstsein welches sich durch die ganze Galaxie erstreckt, eine Art Energie die alles zusammenhält und den Lauf der Evolutionen lenkt, durch Intelligenz -Sinnvolles, konstruktives Leben zu ermöglichen, dann klingt das schon nicht mehr ganz so extrem aus der Luft geholt.
Auch hier sehe ich nur Konzepte... Gott, Wolke, Rauschebart: Konzepte. Überbewusstsein, Galaxie, Energie: Konzepte. Schon bei "Rauschebart" muss ich etwas überlegen... spätestens bei "Überbewusstsein" komme ich aber ins Grübeln: Was genau soll man sich darunter vorstellen?
:ask:"...eine Art Energie die alles zusammenhält und den Lauf der Evolutionen lenkt..." - klingt fast nach Gravitation...
"...durch Intelligenz -Sinnvolles, konstruktives Leben zu ermöglichen..." - das ist eher eine Deutung, auch wenn ich sie durchaus teile.
Im Prinzip bist du doch eigentlich auch fast schon auf der richtigen Spur, musst nur ein wenig an deinen Konzepten arbeiten. Bspw. dein Konzept einer
"Art Energie die alles zusammenhält und den Lauf der Evolutionen lenkt" braucht es nicht, wir kennen in etwa die
Grundkräfte der Natur und wissen in etwa, wie sie die Entwicklung der Welt lenken und zur Entstehung von Materie bis hin zu diversen
geordneten Strukturen im Kosmos führen. Quasi "vollautomatisch" und sogar ohne dass da ein Gott, Designer oder Mechaniker ständig eingreifen und nachjustieren muss, weil's irgendwo mal "klemmt". Und ja, wenn die Challenge lauten würde
"Erschaffen Sie ein komplettes Universum!", wäre das doch eigentlich bereits als recht intelligente Lösung zu werten (und dabei haben wir über die Entstehung und Entwicklung des Lebens noch gar nicht gesprochen). Wozu man nun auch noch eine neue Form von "Energie" oder ein "Überbewusstsein" braucht, sehe ich hier aber erst einmal nicht.
Die Quizfrage lautet natürlich: Warum sind die "Regeln" (Naturgesetze) gerade
so, und nicht anders? Bei dieser Frage aber, muss der Versuch einer Antwort wohl leider scheitern, weil künftigen Generationen vorbehalten. Hier kann man auch erst einmal nur
glauben, dass es einen (physikalischen) Grund für das "So-Sein" der Naturgesetze gibt - worum genau es sich dabei aber handelt (vielleicht eine allmächtige Bockwurst?), was also das real existierende und die Naturgesetze bestimmende Etwas sein soll, ist eher eine Frage der blühenden Fantasie.
baackpapier schrieb:So unrecht hast du also nicht nur sollte man das nicht so negativ formuluieren, da ich ja selber noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen bin, außer dem, das ich eben schon an etwas übergeordneten glaube.
Und das ist, wie gesagt, auch völlig in Ordnung. Du hast natürlich Probleme, in Worte zu fassen, was genau du meinst. Bzw. weißt du auch gar nicht so recht, was du meinst, weil du schon Probleme bei der gedanklichen Vorstellung von dem, worüber du reden willst, hast. Putzig.
:DDa kann dir hier auch leider niemand helfen. Kein Mensch auf der Erde kann das. Niemand weiß, warum dieser gottverfluchte Kosmos überhaupt existiert usw. Aber du findest draußen in der Welt zumindest unzählige Menschen, die sich ebenfalls über solche Fragen den Kopf zerbrochen haben und im Zuge einer
Ahnung ihre persönlichen Vorstellungen (deutsch/off-peak: "Fantasien") geschildert haben. Es macht Sinn, sich mit den Vorstellungen derer auseinanderzusetzen, die teils ihr ganzes Leben der Erschließung von Wissen gewidmet haben, um zumindest den Hauch einer Ahnung über das "Große Ganze" zu ergattern: (Natur-)Wissenschaftler. Denn niemand wird dir bspw. mehr zur Entstehung und Entwicklung des Lebens (oder des Kosmos) sagen können als ein Biologe (oder Kosmologe). Gleichzeitig macht es aber auch Sinn, sich mit den Vorstellungen derer auseinanderzusetzen, welche sich ebenfalls einer Liebe zur Weisheit verpflichtet fühlen, dabei aber unser Wissen kritisch hinterfragend: Philosophen.
Dass du zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen bist, ist grundsätzlich gut, denn alles andere wäre
Dogmatismus: starres, unkritisches Festhalten an Anschauungen, Lehrmeinungen. Wenn du vielleicht mit 70 oder 80 Jahren etliche Dutzend von Büchern über Naturwissenschaft und Philosophie gelesen hast, kannst du außerdem ja auch immer noch ein deutlicheres Urteil fällen...
Naja, reicht vllt. erstmal...
:D