phenomena schrieb:irgendein völlig zusammenhangloses Abgeschreibsel von einem ugaritischen Mythos
Sag mal, gehts noch? Was soll der Schei*! Hab ich von Abschreiben gesprochen? Ich habe darauf verwiesen, daß hier mal ein Fall vorliegt, wo ein Mythos, auf den angespielt wird, tatsächlich noch schriftlich belegt ist. Und nicht, daß Jesaja da direkt von abkupfert.
Im übrigen sind die von Dir angeführten Chaosdrachenbelege in erster Linie Schöpfungsbezüge und erst als solche dann auch als Exodusbezüge gemeint. Der Exodus soll quasi als eine Weltordnung herstellende Schöpfung Gottes gelten.
Der Kampf des obersten Gottes gegen den die Weltordnung bedrohenden Chaosdrachen - das Meer - kommt im Kampf Marduks gegen Tiamat vor, im phönizischen Kampf Baals gegen Lotan, im hethitischen Kampf Tarhunnas gegen Illujanka. Besonders deutlich ist der Mythos im Enuma Elisch. Die Tiamat wird von einem göttlichen Wind aufgebläht und damit bewegungsunfähig gemacht - die Ruach Elohim weht über den Wassern der Tehom. Dann zerteilt Marduk die Tiamat in zwei Hälften, bringt eine oben über dem Himmel an und eine unter der Erde - Und Gott teilt die Wasser und setzt die eine Hälfte, die oberen Wasser an den Himmel und die andere Hälfte, die unteren Wasser unter die Erde. Schließlich fertigt Marduk noch eine Trennwand an, die verhindern soll, daß die oberen Gewässer sich wieder mit den unteren vereinen und die Weltordnung erneut tilgen; auch stellt er an den Rand der Himmelskuppen noch Wächter auf - Und Gott fertigte eine Wölbung, die die oberen Wasser von den unteren Wassern schied. Und der Titan Atlas soll am Westrand der Welt zum Schutz derselben die Himmelskuppel tragen, nachdem der Chaoswesen produzierende und die Welt damit bedrohende Uranos, Vater Himmel also, entmachtet wurde. Als Herakles später dorthin in den Westen zu Atlas reiste, um die Äpfel der Hesperiden zu stehlen, fand er da einen Drachen vor - mit Namen Ladon (Lotan, Leviatan). der phönizisch-ugaritische Lotan ist der im fernen Westen lebende Diener des Chaosgottes Yam. Yam heißt "Meer". Auch Illujanka lebt fern im Westen im Meer.
Der Sieg über den Chaosdrachen gewährleistet die Stabilität der Weltordnung. Es ist ein Kampf gegen das Chaos, das die Welt, speziell das Kulturland der Menschen bedroht. Während im ersten Schöpfungsbericht jegliche Art "Kampf" herausgenommen wurde, ist dieser widerstreitende Aspekt des Mythos von der Schöpfung noch deutlich zu erkennen in Gottes Spruch zum Meer (Hiob38,11) "Bis hierher und nicht weiter!"
Bis hierher kommst du und nicht weiter, und hier soll aufhören der Stolz deiner Wellen
Und natürlich wieder im Schöpfungszusammenhang wie im Enuma Elisch, bei Lotan und Illujanka, ebenso auch bei Uranos.
Und genauso bezieht sich die Sintflut massiv auf die Schöpfungserzählung. Die Fenster im Himmel lassen die oberen Wasser zurückkehren, die unteren Wasser steigen höher, zusammen geht die einst geschaffene Weltordnung zugrunde. Die Welt endet, wie sie angefangen hat. Auch die "Tiere nach ihrer Art" sind ein Schöpfungsbezug.
Hier ist ein sehr verbreiteter Mythos zu erkennen. Die Schöpfung der geordneten Welt ist Sieg über das Chaos in Gestalt einer Meeresschlange (selbst die Midgardschlange umschließt die Welt im äußeren die Welt umgebenden Mahlstrom, der bei den Griechen Okeanos heißt, ein Gott, der in älteren Darstellungen einen Schlangenleib besitzt). Auch wenn wie gesagt der Kampf aus dem ersten biblischen Schöpfungsbericht getilgt wurde, da es dort nur noch den einen Gott gibt und alles andere nur noch Dinge sind (zur Entgöttlichung der Gestirne werden Sonne und Mond despektierlich "Lampen" genannt) - dennoch kann dieser Bezug erkannt werden durch den Mythenvergleich. Und er steckt noch immer in den Mythenresten drin, wo Gott gegen die Chaosschlange kämpft, sei es nun der Leviathan oder die Rahab.
Und erst auf diesem Hintergrund spricht die Bibel nun vom Exodus als jenen Drachenkampf. Mit dem Auszug Israels aus Ägypten - ebenso wie mit dem damit angedeuteten künftigen Auszug Israels aus dem neuerlichen Exil - wird eine neue Weltordnung eingesetzt, das Volk Israel in seinem Land Israel. Das Chaos, welches diese Weltordnung zerstören würde (bzw. bisher zerstört hat), wird besiegt wie einstens bei der Weltschöpfung.
Bedenkt man nun, daß Ugarit im einsetzenden 12.Jh. v.Chr. zerstört wurde, Jesaja hingegen erst im späten 8.Jh. wirkte, dann ist die sprachliche Nähe zwischen der Beschreibung des Chaosdrachens als "Lotan, die flüchtige Schlange, die geringelte Schlange" und als "Leviatan, die flüchtige Schlange, die gewundene Schlange" ja nun wirklich mehr als auffällig. Zwischen beiden Schilderungen liegen knapp 500 Jahre, eher noch deutlich mehr.
phenomena schrieb:Die Häupter des Leviathans, sind die 7 Flüße des Nils
Sieben Arme des Nils gab es in römischer Zeit. Herodot hingegen beschrieb für die Zeit des 6.Jh. fünf Arme. Heute sind es zwei Arme, die das Mittelmeer erreichen (und nicht nur ein Haff; und da gab es stets mehr als sieben). Und falls Du nicht die Arme des Deltas meinst - wo kommt man auf sieben Flüsse???
phenomena schrieb:Dass die zerschmetterten Häupter für die (sieben) Bäche (נחלים bedeutet auch Erben) Ägyptens stehen
Wie gesagt: welche sieben Flüsse? Daran scheiters ja dann wohl massiv. Wie gesagt, Der Chaosdrache ist in erster Linie das Meer. Nur in Verfremdung wird er im Exoduszusammenhang mal - womöglich - als Nil aufgefaßt.
Putzig übrigens, daß Du Dich auf die sieben Köpfe des Chaosdrachen beziehst. Schließlich finden die sich im Text aus Ugarit, also aus der Zeit von irgendwann zwischen 2400 und 1200 v.Chr. Wahrscheinlich von irgendwann Mitte des 2.Jt. Das aber ist kein Lob oder sonstiger Bezug auf den israelitischen Exodus!
Dennoch tilgt der Exoduszusammenhang nicht den Schöpfungskampfzusammenhang.
phenomena schrieb:Wenn uns eine Beschreibung im AT offensichtlich unsinnig oder irrig erscheint, sollten wir erst mal unser Verständnis hinterfragen, statt den Autor.
Schön. Ich frag mich nur, was Du damit jetzt besagen willst.
Na jedenfalls ist Dein erstes Beispiel nicht wirklich gelungen. Daß Gott in Ri4 eingreift, erklärt ja noch nicht, daß in Ri5 nun die Sterne kämpfen. Wenn Gott wen verwirrt, dann verwirrt der den, dann ist das kein Bild, Wenn die Sterne vom Himmel her kämpfen, dann erinnert mich das eher an Josua10,11
da warf der HERR grosse Steine vom Himmel auf sie herab, bis Aseka, so dass sie umkamen
Wichtiger noch ist, daß der Sternenkampf im Deboralied Ri5 nicht das einzige mitwirkende Naturphänomen ist.
20 Vom Himmel her kämpften die Sterne, von ihren Bahnen aus kämpften sie mit Sisera.
21 Der Bach Kischon riss sie hinweg, der Bach der Urzeit, der Bach Kischon. Tritt auf, meine Seele, mit Kraft!
Der Bach Kishon wird hier sogar ausdrücklich der Bach der Urzeit genannt. Hier kämpft also selbst die Chaosmacht auf der Seite Israels. Es könnte immerhin auch auf den Exodus angespielt worden sein, wo das Meer die Feinde fortspült. Auf jeden Fall wird hier ein historisches Geschehen mithilfe eines bereits existierenden Bildes ausgedrückt. Genau wie ich sagte. da wurde nicht erst später ein Mythos hinzuerfunden, das Bild selbst greift auf ebensolchen zurück.
Auch das her belegt also, da steckt schon eine andere Story drin, die hat nicht erst irgendein Kirchenvater hinzugedichtet.
Und auch in Deinem zweiten Beispiel. Selbst wenn der Psalm auf David zurückgehen würde und er just diese biographischen Bedrohungen damit umschrieben hat, so ist das Bild, mit dem er das umschreibt, schon vorgegeben, quasi ein bereits existierender Mythos.
Und witzigerweise kennen wir da schon was von. Da hört Gott in seinem Tempel also von dem Unbill des Beters und macht sich auf in seinem gerechten Zorn, um gegen die bösen Feinde vorzugehen. Und was passiert da (2.Samuel22)?
8 Da wankte und bebte die Erde; die Grundfesten des Himmels erzitterten und wankten, denn er war [von Zorn] entbrannt.
[...]
10 Er neigte die Himmel und fuhr hernieder, und Dunkel war unter seinen Füssen.
Und? Wonach klingt das?
Als du Lothan niederschlugst, die flüchtige Schlange,
Wie du ein Ende bereitetest der geringelten Schlange,
Dem Machthaber mit sieben Köpfen,
Wurden die Himmel schlaff und sanken hin
Na so ein Zufall aber auch!
OK, ich würde ja sagen, das sind die typischen Erscheinungen bei der Theophanie des zürnenden, das Böse besiegenden Gottes.