schluessel1 schrieb:Ohnehin finde ich es nichts aussagend, wenn du hier Zitate reinstellst, die du scheinbar nicht interpretieren kannst, um populäre Meinungen zu verbreiten.
Ich sehe das nicht als eine Frage des Könnens, aber wenn du schon so nett fragst, dann möchte ich versuchen meine Interpretation auszuformulieren.
Wie du schon selbst sagtest, so wirkt der direkte Vergleich von Religion und Wissenschaft wie das Vergleichen von Äpfeln und Birnen. Das eine ist eine Möglchkeit irgendeine Weltanschauung zu formulieren und das andere ist eine Ansammlung von Methoden um Thesen zu überprüfen.
Eine grundlegende Gemeinsamkeit haben sie aber trotzdem, denn so wie der Mensch der Anfang einer jeden Religion ist, so ist er gleichermaßen auch der Anfang der Wissenschaft.
In der Gesamtheit sehe ich für Feuerbachs Zitat aber zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, in wie fern das Zitat beide Themen beschreiben könnte.
Eine davon ist, ähnlich deiner Interpretation, dass der Mensch bei Beiden das zentrale Thema ist, eben von Anfang bis Ende. (1)
Die andere ist, dass zwischen den Menschen und diesen Beiden eine direkte Abhängigkeit besteht. (2)
Letzteres ist aber wiederum noch einmal differenzierbar:
Hört der Mensch auf zu existieren, so ist auch keiner mehr da, der eine religiöse Weltanschauung haben kann oder Wissenschaft betreiben kann. (2-1)
Oder aber es ist so gemeint, dass es eben am Menschen liegt, ob oder wie lange er gewisse Dinge am Leben erhalten will. (2-2)
Bei (1), welches sich vorrangig auf den mittleren Zitatteil ("der Mensch ist die Mitte der Religion,") bezieht, kann ich aber nicht vollends mitgehen.
Eine Religion braucht zwangsläufig Menschen bzw. irgendeine Lebensform als Subjekt. Eine Weltanschauung zu formulieren, in der es keinen einzigen Menschen gibt und auch keiner gebraucht wird, wäre widersprüchlich, weil es dann am Ende ja auch nicht zwangsläufig jemanden gäbe, der dieses Weltbild weiterhin benötigt. Eine Religion, die sich nicht auf den Menschen bezieht, braucht kein Mensch.
In der Wissenschaft braucht es den Menschen eben nicht zwangsläufig, weder als Subjekt noch als Objekt. So viele Forschungsthemen oder Teilgebiete der Wissenschaft sich auch um den Menschen drehen mögen, es sogar Themenbereiche gibt, die ohne den Menschen gar nicht funktionieren würden (z.B. Humanmedizin), so gibt es aber mindestens genauso viele Bereiche, wo die Variable "Mensch" eben nicht gebraucht wird.
Allerdings kommt an dieser Stelle (2-1) zum tragen, denn so logisch erklärbar beispielsweise mathematische Zusammenhänge am rechtwinkligen Dreieck auch sein mögen, es braucht eben den Menschen, der mit diesem Wissen auch etwas anfängt. Sollte der Mensch eines Tages aussterben, so wird die Innenwinkelsumme von Dreiecken immer noch 180 Grad betragen, aber es gäbe halt keinen mehr, der damit etwas anfangen könnte. Was gleichermaßen auch für Religionen zutrifft, denn "der Mensch ist das Ende" bzw. das Ende des Menschen ist in direkter Form auch das Ende der Religion.
Kommen wir nun noch zu (2-2).
Hierbei wird der Fokus nicht primär auf den mittleren Teil des Zitats gelegt, was im Gegensatz zu (1) steht.
Unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob es ein göttliches Wesen gibt, so ist es der Mensch allein, der den Anfang einer Religion macht, indem er die Religion ausformuliert und in der Regel niederschreibt. Die Geschichte zeigt, dass dies auf sehr verschiedene Weisen geschehen kann.
Der letzte Zitatteil "der Mensch ist das Ende der Religion." meint in dieser Interpretation nun, dass das, was von Menschen geschaffen wurde, auch von ihm wieder beseitigt werden kann, was die Mythologie sehr deutlich zeigt.
Ungeachtet des Inhalts einer Religion, so braucht es eben mindestens einen Menschen, der diese Weltanschauung annimmt und wenn das keiner mehr macht, dann ist diese Religion erst einmal am Ende.
Dahingehend (und das habe ich, wenn ich mich Recht entsinne, auch schon in dieser Diskussion formuliert) sehe ich es als Notwendigkeit an, dass eine Religion sich entweder so anpassungsfähig gestaltet, dass sie in jeder Zeit Anhänger finden kann oder sie wird früher oder später aussterben und zwar noch vor dem Menschen.
Dies ist sowohl (1) als auch (2-1) Recht ähnlich, denn eine Religion muss den Menschen inhaltlich mit einbeziehen, aber sie braucht weiterführend Menschen, die sich die Religion halt auch aneignen.
Der letzte Teilsatz lässt sich nun auch für die Wissenschaft adaptieren. Ein Zweifeln oder ein kritischer Gedanke fängt beim Menschen an und hört eben auch dann auf, wenn er nicht mehr will.
Gäbe es niemanden mehr, der die Wissenschaft braucht, dann würde sie auch verschwinden und von diesem Punkt scheinen wir noch ein ganzes Stück weit entfernt zu sein.
Was bleibt nun abschließend zu sagen?
Wie das Zitat schon vermuten lies, so ist der Mensch der Dreh- und Angelpunkt, auf welche Weise auch immer.
Beide Themen zu vergleichen ist, wie Eingangs schon gesagt, viel schwerer als ihre Unterschiede aufzuzeigen und dahingehend ist das Zitat doch erstaunlich, weil es trotz seines augenscheinlichen Bezugs auf Religionen auch hinsichtlich des Themas "Wissenschaft" viele ähnliche Ansatzpunkte liefert.
Mein generelles Unverständnis für die Wahl dieses Diskussionstitel, hatte ich schon in meinem ersten Beitrag formuliert:
BlackFlame schrieb:Anstatt vor lauter Geltungsbedürfnis immer wieder eine Diskussion vom Zaun zu brechen, so sehe einen Ansatz darin, dass mal weniger diskutiert und dafür sich mehr informiert und sich zugehört wird.
Dahingehend fand ich Feuerbachs Zitat Recht erfrischend, eben weil es erstaunlicherweise scheinbar auf beide Themen anwendbar ist und somit meine Haltung unterstützen sollte, dass ich nicht verstehe, warum Religion und Wissenschaft gemeinhin als Gegner, oder wie der Titel meinen könnte, als Boxer im Ring gesehen werden, die sich solange prügeln müssten bis einer umfällt, wenn sie doch angeblich nicht in der selben Gewichtsklasse kämpfen würden.
Interessieren würde mich aber noch, welche popoulären Meinungen ich zu verbreiten versucht hätte, indem ich ein Zitat erst einmal wirken lies bzw. auf eine Reaktion wartete (was ja auch geklappt hat), anstatt die Mitleser sofort wieder mit einem halben Dutzend Absätzen und etlichen, eigentlich viel zu langen Schachtelsätzen zu bewerfen?