FlamingO schrieb:Hach, Heine - was habe ich den mal verschlungen! Er war mein literarischer Entjungferer, mein Portal zu Gedichten; von mir einst heiß verehrt
Ich verstehe es so, dass du Heine - und heute auch Nietzsche- wegen ihrer Lyrik magst?
Für mich -und das soll keine Belehrung sondern nur die Dalegung meiner Perspektive sein- ist Nietzsche ein genialer, rationaler Denker mit einer unglaublich breiten Wissensbasis, den ich zu allererst für die Art seines Denkens schätze und dann auch für die Einsichten, die Teile seiner Philosophie bei einem naiven, gutgläubigen Jüngling wie mir induzieren. Erschrocken bin ich fast, wie EXAKT ich mich selbst in den ersten Zeilen der Vorrede Zarathustras wiederfinde (mit 30 ins Gebirge und 10 Jahre später die Verwandlung). Nach 10 Jahren des Studiums einer Fülle von Fakultäten bin ich (leider) mittlerweile auch unendlich tief und breit und damit verdammt zur intellektuellen Einsamkeit 🥲
FlamingO schrieb:"Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer."
-> Eine Haltung, die Kriege oder andere Gräuel quasi legitimiert.
Ich verstehe deine Perspektive. Auch ich bin von vielen seiner Gedanken rund um die Schaffenden abgestoßen. Aber mit den Dingen, die ich aus der Psychologie, dem Sophismus und meinem täglichen Erlebenen mit den "Menschen" weiß, sind viele dieser Dinge in letzter Konsequenz leider rational und logisch konsequent (damit aber nicht notwendigerweise richtig).
Gerade darum bin ich zwar ein großer Kritiker aber zugleich auch Fürsprecher der Religion.
Und wie unendlich selbstreflektiert sind all die Hinweise darauf, dass seine Jünger auch Zarathustra nicht trauen sollten!
Heine mag ich vor allem für die Einsichten über das Dogma und die Perspektiven seiner Gönner, die er immer wieder so geschickt versteckt (zwischen den Zeilen oder auch direkt, nach den Seiten, die von der Zensur nicht mehr erfasst wurden). An der folgenden Stelle muss ich immer schmunzeln und das passt ja auch ganz gut zu Sokarates 😉
»Denke!« rief der Eidechs mit einem scharfen, vornehmen Tone der tiefsten Geringschätzung, »denken! wer von euch denkt? Mein weiser Herr, schon an die dreitausend Jahre mache ich Untersuchungen über die geistigen Funktionen der Tiere, ich habe besonders Menschen, Affen und Schlangen zum Gegenstand meines Studiums gemacht, ich habe soviel Fleiß auf diese seltsamen Geschöpfe verwendet wie Lyonnet auf seine Weidenraupen, und als Resultat aller meiner Beobachtungen, Experimente und anatomischen Vergleichungen kann ich Ihnen bestimmt versichern: Kein Mensch denkt, es fällt nur dann und wann den Menschen etwas ein, solche ganz unverschuldete Einfälle nennen sie Gedanken, und das Aneinanderreihen derselben nennen sie Denken. Aber in meinem Namen können Sie es wiedersagen: Kein Mensch denkt, kein Philosoph denkt, weder Schelling noch Hegel denkt, und was gar ihre Philosophie betrifft, so ist sie eitel Luft und Wasser, wie die Wolken des Himmels, ich habe schon unzählige solcher Wolken, stolz und sicher, über mich hinziehen sehen, und die nächste Morgensonne hat sie aufgelöst in ihr ursprüngliches Nichts; – es gibt nur eine einzige wahre Philosophie, und diese steht, in ewigen Hieroglyphen, auf meinem eigenen Schwanze.«