Frage zu den 10 Geboten
22.02.2010 um 10:03
Nicht nur die biblischen Gebote, sondern auch das in der Bibel nicht Gesagte birgt Gefahren angesichts der Probleme und Aufgaben unserer modernen Zeit.
Das ethische Defizit der Bibel, das Fehlen eindeutiger und brauchbarer Anleitungen zur Lösung aktueller Menschheitsprobleme, muss uns vor Augen halten, dass Eigenverantwortung und Vernunft vor Bibelgeboten zu stehen haben.
Unklare Gebote und verwässerte Regeln sind genauso nutzlos, ja, oft gefährlicher als keine Gebote. Ist zum Beispiel nach biblischem Ermessen das Töten richtig oder falsch? Einerseits lesen wir in den Zehn Geboten klar und deutlich (2. Mose 20,13): "Du sollst nicht töten".
Aber was ist mit den unzähligen biblischen Aufforderungen, andere Menschen umzubringen?
(Exkurs: Der Gott der Bibel ist kein gütige Himmelsvater, wie es sich die Gläubigen gerne wünschen.
Er rät zum Beispiel unmissverständlich, was mit jemandem zu tun ist, der einen anderen Gott anbetet (5. Mose 5-7): "So sollst du den Mann oder die Frau, die eine solche Übeltat begangen haben, hinausführen zu deinem Tor und sollst sie zu Tode steinigen (...) Die Hand der Zeugen soll die erste sein, ihn zu töten, und danach die Hand des ganzen Volks, daß du das Böse aus deiner Mitte wegtust."
(Psalm 44,6): "Herr, in deinem Namen zertreten wir unsere Gegner!"
Gott begleitet sein auserwähltes Volk immer wieder persönlich zum Volkermord (2. Mose 33,1-2): "Der Herr sprach zu Mose: Geh, zieh von dannen (...) in das Land, von dem ich (...) geschworen habe: Deinen Nachkommen will ich's geben. Und ich will vor dir her senden einen Engel und ausstoßen die Kanaaniter, Amoriter, Hetiter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter."
Als die Israeliten eines Tages mit dem Gott der Moabiter liebäugelten, war der Herr so empört, dass er umgehend ein blutiges Gemetzel anstiftete (4. Mose 25,4-5): "Nimm alle Oberen des Volks und hänge sie vor dem Herrn auf im Angesicht der Sonne (...) Und Mose sprach zu den Richtern Israels: Töte ein jeder seine Leute, die sich an den Baal-Peor (ein anderer Gott) gehängt haben."
Als der Herr eines Tages vom Unmut seiner Untertanen, weiter durch die Wüste Sinai zu wandern, erfuhr, tobte er und wollte gleich das ganze Volk vernichten (2. Mose 32,33): "Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt."
Nur dank Moses eindringlicher Fürsprache mussten lediglich ein paar tausend Männer dran glauben (2. Mose 32,28): "Ein jeder gürte sein Schwert um die Lenden und gehe durch das Lager hin und her von einem Tor zum andern und erschlage seinen Bruder, Freund und Nächsten. Die Söhne Levi taten, wie ihnen Mose gesagt hatte; und es fielen an dem Tage vom Volk dreitausend Mann." Mit diesem Blutbad ließ sich der Herr schließlich etwas beruhigen.
Wer auf einen anderen Gott angesprochen wird, muss den Betreffenden sofort töten, auch wenn es ein nahes Familienmitglied sein sollte (5. Mose 13,7-11): "Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau (...) heimlich überreden würde und sagen: Lass uns hingehen und andern Göttern dienen, (...) so willige nicht ein (...) Du sollst dich seiner nicht erbarmen und seine Schuld nicht verheimlichen, sondern sollst ihn zum Tode bringen. Deine Hand soll die erste wider ihn sein, ihn zu töten, und danach die Hand des ganzen Volks."
Nach einer Schlacht während der Eroberung Kanaans war dem Herrn der Sieg allein nicht genug. Gott forderte die totale Vernichtung der Einwohner und vor allem der anderen Götter. Die Israeliten sollten alle auslöschen, damit sie nicht in Versuchung geraten könnten, den Göttern der Eroberten zu huldigen (5. Mose 20,16-18): "Du sollst nichts leben lassen, was Odem hat, sondern sollst an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern. "
Man kann es kaum glauben, wenn man liest, dass Gott sein Volk dazu aufgerufen hat, Frauen und Kinder in Stücke zu hauen und Jungfrauen zu versklaven (4. Mose/Num. 31,15-18): "Warum habt ihr alle Frauen leben lassen? (...) So tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben."
Wer beim Lesen des Alten Testaments nicht rot wird, kann kein aufrechter Christ sein.)
Und ist ein Töten im Affekt, in Notwehr, aus Verzweiflung oder ungewollt genauso sündhaft wie das Morden aus Habgier?
Die Bibel lässt viel zu viel offen und taugt definitiv nicht als Regelwerk für eine funktionierende Gesellschaft.
Deshalb lässt ein Richter zwar auf sie schwören, benutzt sie aber in keinem Land und zu keiner Zeit als verbindliches Gesetzbuch. Mehr als eine Hand voll ethischer Vorschriften geben die Evangelien für das alltägliche Leben leider nicht her. Nicht einmal die Kernaussagen Jesu sind und waren jemals von praktischer, weltlicher Nützlichkeit.
Im Grunde nimmt die Gebote und feierlichen Versprechen Jesu niemand ernst. Sonst dürften wir keine Banken haben (Mt 6,19): "Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln".
Wir bräuchten keine Polizei (Mt 5,40) "Wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel" und keine Gerichte (Mt 7,1) "Richtet nicht".
Außerdem könnten wir uns die ganze quälende Arbeitsmarktdiskussion sparen (Mt 6,25): "Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet." Es reicht völlig, sich um das Reich Gottes zu kümmern, dann (Mt 6,33) "wird euch das alles zufallen."
Wo aber ist denn der gute (Joh 10,11) "Hirte", der für seine "Schafe" sorgt? (Was für eine Geringschätzung, mündige Menschen "Schafe" zu nennen!) Man stelle sich vor, Millionen Menschen würden ihre Arbeit niederlegen, sich gemütlich hinsetzen und auf Jesus vertrauend nur noch beten.
Paulus, der Jesus immer wieder grundlegend widersprach, hatte dieses Problem schon früh erkannt und die Christenregel vom faulen Herumliegen umgehend aufgehoben (2. Thess 3,10): "Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen."
Jesus machte keine Anstalten, herrschende Missstände aktiv zu beseitigen. Auch bei ihm suchen wir vergebens nach Lösungen für real existierende Probleme und Grausamkeiten.
Wir finden keine Proteste gegen die zu seiner Zeit weit verbreitete Sklavenhaltung und keinen Aufruf zur Achtung vor der Natur und den Tieren.
Wir finden keinen Rat, der bei einer Schwangerschaft nach Vergewaltigung helfen kann, keine medizinischen Anweisungen gegen Krankheiten, kein Wort zur Gewalt in Familien oder andere Hilfen für wirklich dramatische Probleme.
All das war Jesus wohl zu banal. Abgesehen von einem gelegentlichen "Liebet euch!" hat er nichts Sinnvolles gegen die Not der Menschen hinterlassen.
Was ihn dagegen interessierte, waren Glaubensregeln, Herrschaft, Schuld, Strafe und immer wieder Gehorsam, Gehorsam, Gehorsam (Mt 13,41-42): "Und die da Unrecht tun, werden sie (die Engel) in den Feuerofen werfen."
Leider hat Jesus, wie zuvor sein himmlischer Vater im Alten Testament, nichts wirklich Neues zu verkünden gewusst. Trotz göttlicher Abstammung erkannte er nicht, dass Menschen und Affen dieselben Vorfahren haben, dass Blitze elektrische Entladungen sind und die Sterne nicht am Firmament über der Erde aufgehängt sind. Jesus glaubte noch an Winddämonen und Geister und konferierte mit dem Teufel in der Wüste.
Als die Priesterschaft Jesus fragt, warum er denn mit (Lk 5,30) "Zöllnern und Sündern" esse und trinke, antwortet dieser (Lk 5,32): "Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten."
Eine wohlklingende Antwort auf den ersten Blick, aber wie Jesus Zöllner und Sünder mit Essen und Trinken zu einem Sinneswandel bewegen will, bleibt offen. Sollte unsere Polizei mit Drogendealern essen gehen, um sie von ihrem Tun abzubringen?
Bei Johannes werden die Interpretationen von Jesus' realitätsfernen Sprüchen im selben Ausmaß vage, wie seine Person als Christus vergöttlicht wird. Als die Schriftgelehrten eine Frau wegen (Joh 8,3) "Ehebruch" anklagen und Jesus um Rat fragen, bückt der sich, schreibt mit dem Finger etwas in die Erde, richtet sich wieder auf und spricht den berühmten Satz (Joh 8,7): "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie."
Wunderschön gesagt! Aber ob es der armen Frau geholfen hat und wie diese angebliche Weisheit im täglichen Leben angewandt und ins Rechtssystem einer Gemeinde oder gar einer Nation aufgenommen werden soll, lässt Jesus offen.
Es ist deshalb nicht mehr als ein poetischer Vers. Oder sollte unsere Regierung alle Richter nach Hause schicken und das Bestrafen einstellen? Schließlich sind alle Menschen sündhaft (Röm 3,9): "Denn wir haben soeben bewiesen, daß alle (...) unter der Sünde sind."
Im Grunde hinterließ Jesus keine verbindlichen Richtlinien über das, was man tun oder besser unterlassen sollte. Reiche zum Beispiel werden nur bei Lukas attackiert. An anderen Stellen ist Reichtum nicht grundsätzlich verpönt, auch wenn das in der heutigen Leistungsgesellschaft viele Gläubige gerne so hätten.
Weitere unangenehme, aber die Menschen betreffende Themen wie Abtreibung, Verelendung, Alkoholismus, Jugendkriminalität, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Altersvorsorge und viele andere erwähnen die Evangelien mit keinem Wort. Die tatsächlichen Probleme der Menschen waren ihnen von zu geringer Bedeutung.
Ludwig Feuerbach hat in seinem Buch "Das Wesen des Christentums" zum Beispiel beschrieben, welch geringen Stellenwert pflanzliches und tierisches Leben in der biblischen Verkündigung hat. Kein einziges Wunder ist überliefert, bei dem Jesus ein Tier geheilt oder sich für es eingesetzt hätte. Tiere und Pflanzen waren für die meisten Menschen der Antike seelenlose Geschöpfe.