@felixkrull:
Ich denke doch, dass ich dich ganz gut verstanden habe. Ich sehe es nämlich ähnlich. Man kann die Worte Mohammeds nicht mit der Offenbarung gleich setzen. Es wird aber quasi gleich gesetzt, weil man den Worten Moahmmeds die gleiche Wertigkeit gibt, wie denen des Korans. Obwohl das eigentlich zwei paar Schuhe sind.
Mal ganz davon abgesehen, dass es so gut wie unmöglich ist, zu überprüfen, ob die ganzen Hadithe nun mehr wahre Überlieferung sind oder mehr Legende.
Was mir wichtig ist dabei, dass es sich mehrheitlich um ganz konkrete Einzelfälle gehandelt hat. Die wurden dann Situationsbedingt entschieden, oder es wurde ein Ratschlag erteilt. Die Menschen kamen selbstverständlich mit all ihren individuellen Lebens,- und Alltagsfragen zu wem? Natürlich zu Mohammed und fragte ihn dann: Was soll ich in dieser oder jener Situation tun, wie soll ich mich hier verhalten?
Man kann aber nicht hergehen und als diesen Einzelfällen auf die Gesamtheit schließen. So nach dem Motto: Wenn Mohammed mal in einem konkreten Einzelfall dies oder jenes angeordnet hat, dann müssen wir in allen ähnlichen Fällen genauso handeln... Das wäre nämlich ein Fehlschluss. Das würde quasi aus jedem Einzelfall einen Präzedenzfall machen. Und das funktioniert nicht !
Nichteinmal bei unseren weltlichen Gerichten ist das so. Es gibt zwar auch Präzedenzfälle, aber es ist lange nicht jedes Gerichtsurteil von EInzelfällen ein gleichzeitiger Maßstab für alle anderen, weiteren und ähnlichen Fälle. Wenn ein Straftäter X zu einer Lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wird, müssen deswegen noch lange nicht alle anderen Straftäter in ähnlichen Fallbeispielen ebenfalls Lebenslänglich bekommen. Wenn Straftäter Y einen Freispruch bekommt, müssen deswegen noch lange nicht alle anderen Straftäter ebenfalls einen Freispruch bekommen...
Wenn also Mohammed in ganz konkreten Fällen so oder so entschieden hat, weil man ihn um Rat fragte, dann gilt das auch nur für eben diese jene überlieferten Einzelfälle und ist niemals für alle anderen Menschen 1:1 übertragbar !
Genau das wird aber gemacht. Es wird ein Einzelbeispiel aus der Hadithesammlung gezogen und gesagt: Hier hatte Mohammed dieses oder jenes gesagt, also gilt das nun für alle ähnlichen Fälle gleichermaßen. Als wenn sein Wort mit einem Gottesurteil für alle zukünftigen Ereignisse, Lebenssituationen und Einzelfälle gleich gesetzt wird !
Wenn man nun sagt: Nunja, das waren eben nur Menschenworte... Dann ergibt sich für andere Religionen wie das Christentum das Problem: Was ist mit dem, was Jesus sagte, oder die Apostel? Das sind so gesehen ja dann auch "nur" Menschenworte. Also sind sie nicht bindend.
Bei Jesus sieht das meines Erachtens aber schon wieder etwas anders aus, weil der sagte, dass er nicht aus sich selbst rede, sondern das, was Gott-Vater ihm sage. Auch ist zu unterscheiden, in welchen Situationen Jesus zu wem was sagte. Es gibt auch hier Einzelfälle wie bei den Heilungen von Kranken. Auch da war jede Heilung anders vonstatten gegangen. Seine Worte waren individuell auf die jeweilige Situation abgestimmt und auf den jeweiligen Menschen. Auch da kann man nicht von einem Einzelfall auf die Allgemeinheit schließen.
Es gibt aber auch wieder andere Situationen, wo Jesus allgemein spricht. Wenn er zB. sagt: Wenn dich jemand bittet, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe zwei Meilen mit ihm... Dann ist das ein fiktives Beispiel, welches allgemeingültigen Charakter hat. Auch hat Jesus ja auch oft bewusst in Gleichnissen gesprochen. Diese haben allgemeingültigen Charakter. Das sind die Dinge, die sich auf seine Lehren beziehen. Während solche Einzelfälle, wo er konkret zu einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation etwas sagt, dies wieder nur individuellen Charakter hat.
Hier gilt es also zu differenzieren. Und genauso denke ich, muss man das auch mit den Worten Mohammeds handhaben. Zwischen allgemeingültigen und individuellen Aussagen unterscheiden. Nicht alles was Mohammed gesagt hat, ist bindend für jeden. Vieles, vielleicht sogar das meiste bezieht sich auf konkrete Lebenssituationen einzelner. Die können uns zum Nachdenken anregen aber sie können ein allgemeingültiges Gottesurteil nicht ersetzen. Und sind auch nicht gleich zu setzen mit einer Offenbarung.
Das müsste auch im islamischen Recht (der Scharia) die sich aus Koran und Sunna zusammensetzt eigentlich entsprechend berücksichtigt werden - Wird es aber nicht. Da wird beides gleichwertig behandelt und aus Einzelfällen werden allgemeingültige Regeln aufgestellt. Davon ist das meiste dann eine Herleitung, Ableitung und Interpretation.
Nur weil es eine Überlieferung gibt, wonach Mohammed eine Ehebrecherin steinigen ließ (dessen Wahrheitsgehalt im Nachhinein kaum überprüfpar ist) müssen deswegen alle Ehebrecherinnern gesteinigt werden? Nur deswegen wird dann so eine Überlieferung in die Scharia als Rechtgrundlage, die auf alle Fälle von Ehebruch angewendet wird, aufgenommen und für allgemeingültig erklärt? Ich meine, das kann man eigentlich nicht machen.
Insofern stimme ich deinen Ausführungen zu. Was ich allerdings nicht sehe ist, dass Aussagen von Propheten als solche nur eine Gültigkeit haben, die sich auf die Lebensdauer der jeweiligen Personen beschränken. Aussagen eines Jesus haben wie gesagt, inzwischen eine Lebendauer von über 2000 Jahren worauf sich eine ganze Religion neu gegründet hat, nämlich das Christentum.
Wobei ich auch hier zwischen Jesu Worten und Jüngerworten unterschiede. Wenn Jesus etwas lehrte, dann waren das seine Lehren. Wenn seine Apostel etwas sagten, dann waren das Apostelworte. Und die betrachte ich auch nicht als Gleichwertig mit Jesu Worten. Aber das wäre wieder ein anderes Kapitel...