Wissenschaft und Religion
07.12.2009 um 06:58Ein schöner Post, gefällt mir! Der Vergleich der Bedeutung und Auswirkung von Religion und Revolution finde ich spannend und im Machtpolitischen Kontext finde ich deine Interpretation treffend: Revolution als bottum-up, Religion als top-down Prozess. :)
Interessant ist, was Wikipedia (habt ihr schon gespendet?) zusätzlich zum bekannten Wortstamm religio sagt:
Neuerdings hat der Religions- und Sprachwissenschaftler Axel Bergmann eine andere Etymologie vorgeschlagen. Demnach gehört zu dem Wort nicht das Präfix re- („zurück“, „wieder“), sondern es geht ursprünglich auf das altlateinische rem ligere = eine „Sache“ (gemeint: ein Vorhaben) „binden“ (= mit Skrupel oder Skepsis betrachten und wegen dieser Bedenken zögern und davor zurückschrecken) zurück. Dieser Ausdruck der Alltagssprache wurde laut Bergmann zunächst speziell auf religiöse Skrupel bezogen und später auf den gesamten Bereich des Religiösen ausgedehnt.
Ich stosse mich daran, wenn Du Religionsbegründer pauschal der Machtgeilheit bezichtigst. Ich glaube, die Meisten hatten redliche Absichten und hatten das Ziel, Menschen Werkzeute an die Hand zu geben, damit die Gemeinschaft friedlicher und toleranter würde. Ich denke, sie waren auch der Wissenschaft nicht abgeneigt, auch weil es in der Natur eines wahren Innovators liegt, offen gegenüber Neuem zu sein. Ich teile Deine Verbitterung darüber, was aus Religion geworden ist – aber nicht die Meinung, dass die Innovation des Glaubens meist Machtinteressen diente.
Ich gehe auch davon aus, dass, sagen wir mal, 85% der Menschen ausserhalb ressourcenknappen Zeiten grundsätzlich in ihrer Stammgruppe sozial sind – sonst hätten wir die Evolution nicht bis heute überlebt. Den restlichen 15% verdanken wir die ganze Scheisse. Sie sind ähnlich begabt wie Innovatoren, aber es fehlt ihnen an Herzensbildung.
Bis vor kurzem war die grösste Angst die vor der Ressourcenknappheit. Wenn du nun intelligenter Stammesführer bist, die Ressourcen sind knapp und deine Schützlinge drohen sich zu zerfleischen: Was tust du? Du vermittelst ihnen eine grössere Angst vor etwas als sie eh schon haben. Das kann ein Gott, ein Ungeheuer aber auch ein fremder Stamm sein, was auch immer. Du betreibst damit keine Machtpolitik, sondern verfolgst das nackte überleben deines Stammes. Das ist weder richtig noch falsch, sondern schlicht notwendig.
Aber Du hast Blut geleckt, erlebt, wie du Menschen über Angst steuern kannst – die Scheisse ist losgetreten. Nun kommen ein paar Innovatoren, die versuchen, Regeln aufzustellen, die das soziale Gefüge stabilisieren sollen und auch sie erkennen, dass Bildung der Schlüssel ist. Es werden Lebensschulen begründet. Alle sollen gleich und gerecht sein. Und die Bilder (zur Bildung) sind zeit- und artgerecht gehalten. Wenn Dreiecke einen Gott hätten, würden sie ihn mit 3 Ecken ausstatten.
Es entsteht ein Kampf zwischen den zwei Innovatortypen. Natürlich gewinnt der Skrupellose die Oberhand, weil er den Anderen kaltstellt – die Scheisse ist in vollem Gange. Jede Lebensschule, auch weltliche, kann benutzt werden, Angst zu schüren oder Angst zu nehmen. Ich denke, Wünsche sind ein neues Phänomen, seit wir keine Existenzangst mehr haben müssen. Das Manipulationskonzept basiert aber nach wie vor auf Angst.
Ja, wo liegt der Fehler, was für mögliche Massnahmen sind denkbar? Ich sehe keine "Fehler", aber Schwächen im System: Die grösste sind die ganz wenigen machtgeilen und gierigen Arschlöcher, die über Leichen gehen. Die zweite sind die wenigen gierigen Arschlöcher, die manchmal auch machtgeil sind. Die dritte der grosse Haufen Schafe, die nichts Checken können (mangelnde Bildung, keine Zeit) oder wollen (zu faul, zu anstrengend), weil sie von ihrer eigenen Angst regiert werden.
Jetzt wird's richtig interessant. Eine Massnahme könnte die von gezielten Tötungen sein. Aber das ist die Methode der ganz wenigen Arschlöcher und wir wissen auch, dass immer einer nachrutscht. Wir wollen ja eine nachhaltige Lösung. Bildung der Massen – eigentlich die beste Idee! Nur: Mit Bildung besiegst du keine Angst! Intelligente Menschen fallen auf braune Kacke rein – nicht weil sie dumm sind, sondern weil sie Angst haben.
Die Angst gewährt uns seit 50'000 Jahren das Überleben, die kriegst du mit Mathe, Chemie und Physik nicht weg, nur mit Herzensbildung, welche die Wissenschaft – wem? – der Religion überlässt. Sag ich jetzt mal ganz pauschal. Würde sich Wissenschaft mehr mit Herzensbildung beschägtigen, hätte sie inzwischen vielleicht brauchbare Werkzeuge, an den Schulen und bei den Eltern was zu erreichen. Aber Herzensbildung kann keine exakte Wissenschaft sein, also hat man lieber keine. Und wer springt in die Lücke? Ein paar Idealisten, die als unwissenschaftlich verspottet werden und ein Haufen Arschlöcher, auf die man hilflos mit dem Finger zeigt und nur ausschliesslich ganz ihnen alleine die Schuld gibt. Weil einem die nicht messbare, holistische Welt im Begreifen überfordert; weil Angst nicht messbar und damit inexistent ist.
Ich gebe zu, das war jetzt ziemlich unreflektiert, überspitzt und eingleisig. Aber es zeigt, imho, dass es keinen eindeutigen Schuldigen gibt, keinen eindeutigen Fehler. Es ist ein System mit deutlichen Schwachpunkten. Und statt zusammen diese zu lösen, führen wir endlose Grabenkämpfe, während die Arschlöcher sich die Welt unter den Nagel reissen und dafür sorgen, dass nur die Wenigsten das Glück haben, mit ihrer Angst umgehen zu können und differenzverträglich sind.
Was hst Du für Gedanken dazu?
Interessant ist, was Wikipedia (habt ihr schon gespendet?) zusätzlich zum bekannten Wortstamm religio sagt:
Neuerdings hat der Religions- und Sprachwissenschaftler Axel Bergmann eine andere Etymologie vorgeschlagen. Demnach gehört zu dem Wort nicht das Präfix re- („zurück“, „wieder“), sondern es geht ursprünglich auf das altlateinische rem ligere = eine „Sache“ (gemeint: ein Vorhaben) „binden“ (= mit Skrupel oder Skepsis betrachten und wegen dieser Bedenken zögern und davor zurückschrecken) zurück. Dieser Ausdruck der Alltagssprache wurde laut Bergmann zunächst speziell auf religiöse Skrupel bezogen und später auf den gesamten Bereich des Religiösen ausgedehnt.
Ich stosse mich daran, wenn Du Religionsbegründer pauschal der Machtgeilheit bezichtigst. Ich glaube, die Meisten hatten redliche Absichten und hatten das Ziel, Menschen Werkzeute an die Hand zu geben, damit die Gemeinschaft friedlicher und toleranter würde. Ich denke, sie waren auch der Wissenschaft nicht abgeneigt, auch weil es in der Natur eines wahren Innovators liegt, offen gegenüber Neuem zu sein. Ich teile Deine Verbitterung darüber, was aus Religion geworden ist – aber nicht die Meinung, dass die Innovation des Glaubens meist Machtinteressen diente.
Ich gehe auch davon aus, dass, sagen wir mal, 85% der Menschen ausserhalb ressourcenknappen Zeiten grundsätzlich in ihrer Stammgruppe sozial sind – sonst hätten wir die Evolution nicht bis heute überlebt. Den restlichen 15% verdanken wir die ganze Scheisse. Sie sind ähnlich begabt wie Innovatoren, aber es fehlt ihnen an Herzensbildung.
Tyranos schrieb:Die Macht der Religion besteht darin, dass die Wünsche nach einem perfekten Leben und nach einer Persönlichkeit, die einen immer beschützt und zu einem immer lieb ist, soweit angesprochen werden, dass man dann den Menschen für seine Zwecke ausnutzen kann.Heute ja, Machtpolitik. Das geschah/geschieht auch mit nicht-religiösen Lehren. Elementar ist, diese Wünsche zu hinterfragen: Dahinter steht Angst. Hinter jeder Strategie zur Manipulation von Menschen steht Angst. Mit Wünschen kannst du zwar verführen, beherrschen aber nur mit Angst.
Bis vor kurzem war die grösste Angst die vor der Ressourcenknappheit. Wenn du nun intelligenter Stammesführer bist, die Ressourcen sind knapp und deine Schützlinge drohen sich zu zerfleischen: Was tust du? Du vermittelst ihnen eine grössere Angst vor etwas als sie eh schon haben. Das kann ein Gott, ein Ungeheuer aber auch ein fremder Stamm sein, was auch immer. Du betreibst damit keine Machtpolitik, sondern verfolgst das nackte überleben deines Stammes. Das ist weder richtig noch falsch, sondern schlicht notwendig.
Aber Du hast Blut geleckt, erlebt, wie du Menschen über Angst steuern kannst – die Scheisse ist losgetreten. Nun kommen ein paar Innovatoren, die versuchen, Regeln aufzustellen, die das soziale Gefüge stabilisieren sollen und auch sie erkennen, dass Bildung der Schlüssel ist. Es werden Lebensschulen begründet. Alle sollen gleich und gerecht sein. Und die Bilder (zur Bildung) sind zeit- und artgerecht gehalten. Wenn Dreiecke einen Gott hätten, würden sie ihn mit 3 Ecken ausstatten.
Es entsteht ein Kampf zwischen den zwei Innovatortypen. Natürlich gewinnt der Skrupellose die Oberhand, weil er den Anderen kaltstellt – die Scheisse ist in vollem Gange. Jede Lebensschule, auch weltliche, kann benutzt werden, Angst zu schüren oder Angst zu nehmen. Ich denke, Wünsche sind ein neues Phänomen, seit wir keine Existenzangst mehr haben müssen. Das Manipulationskonzept basiert aber nach wie vor auf Angst.
Ja, wo liegt der Fehler, was für mögliche Massnahmen sind denkbar? Ich sehe keine "Fehler", aber Schwächen im System: Die grösste sind die ganz wenigen machtgeilen und gierigen Arschlöcher, die über Leichen gehen. Die zweite sind die wenigen gierigen Arschlöcher, die manchmal auch machtgeil sind. Die dritte der grosse Haufen Schafe, die nichts Checken können (mangelnde Bildung, keine Zeit) oder wollen (zu faul, zu anstrengend), weil sie von ihrer eigenen Angst regiert werden.
Jetzt wird's richtig interessant. Eine Massnahme könnte die von gezielten Tötungen sein. Aber das ist die Methode der ganz wenigen Arschlöcher und wir wissen auch, dass immer einer nachrutscht. Wir wollen ja eine nachhaltige Lösung. Bildung der Massen – eigentlich die beste Idee! Nur: Mit Bildung besiegst du keine Angst! Intelligente Menschen fallen auf braune Kacke rein – nicht weil sie dumm sind, sondern weil sie Angst haben.
Die Angst gewährt uns seit 50'000 Jahren das Überleben, die kriegst du mit Mathe, Chemie und Physik nicht weg, nur mit Herzensbildung, welche die Wissenschaft – wem? – der Religion überlässt. Sag ich jetzt mal ganz pauschal. Würde sich Wissenschaft mehr mit Herzensbildung beschägtigen, hätte sie inzwischen vielleicht brauchbare Werkzeuge, an den Schulen und bei den Eltern was zu erreichen. Aber Herzensbildung kann keine exakte Wissenschaft sein, also hat man lieber keine. Und wer springt in die Lücke? Ein paar Idealisten, die als unwissenschaftlich verspottet werden und ein Haufen Arschlöcher, auf die man hilflos mit dem Finger zeigt und nur ausschliesslich ganz ihnen alleine die Schuld gibt. Weil einem die nicht messbare, holistische Welt im Begreifen überfordert; weil Angst nicht messbar und damit inexistent ist.
Ich gebe zu, das war jetzt ziemlich unreflektiert, überspitzt und eingleisig. Aber es zeigt, imho, dass es keinen eindeutigen Schuldigen gibt, keinen eindeutigen Fehler. Es ist ein System mit deutlichen Schwachpunkten. Und statt zusammen diese zu lösen, führen wir endlose Grabenkämpfe, während die Arschlöcher sich die Welt unter den Nagel reissen und dafür sorgen, dass nur die Wenigsten das Glück haben, mit ihrer Angst umgehen zu können und differenzverträglich sind.
Was hst Du für Gedanken dazu?