@LomaxDie alevitischen Föderation betrachtet sich nicht als die selben Muslime wie die Sunniten.
Hier, ein Buch von Ismail Kaplan:
Von der Föderation!
Der Glaube der Aleviten
1. Glaubensbekenntnis
Aleviten glauben an den einen und einzigen Gott (Allah). Gott ist für die Aleviten der Schöpfer, der Gerechte, der Allgegenwärtige und der Weise und lässt zugleich alle Lebewesen an sich Anteil haben. Diese Aufzählung der Eigenschaften Gottes ist nicht vollständig.
Aleviten glauben an den Propheten Mohammed als den Gesandten Gottes und drücken dies in ihrem Glaubensbekenntnis aus: Es gibt keinen anderen Gott außer Allah, Mohammed ist sein Prophet und Ali sein Freund. Aleviten verwenden diese Glaubensbekenntnis in einer Kurzform: Ya Allah, ya Muhammed, ya Ali.
Dieses Einssein bezieht sich im Kern auf das Gottesverständnis von Mohammed und Ali. Das alevitische Glaubensbekenntnis beinhaltet vier konkrete Aussagen:
1. Es gibt einen Gott: Aleviten glauben nur an einen Gott. Der Schöpfer, Allwissende und Allmächtige.
2. Mohammed ist sein Prophet. Er vermittelte die Gottesbotschaft.
3. Ali ist sein Heiliger. Er lebte heilig und zeigte den Menschen den Weg zu Gott.
4. Allah alleine wird angebetet und Mohammed, wie auch Ali, dienen als Vermittler dieser Gebete.
Allah hat alles geschaffen, was existiert. Nach dem Glauben der Aleviten wollte Gott durch die Schöpfung sein Geheimnis offenbaren. Hacı Bektaş Veli formulierte im 13. Jh. die Kraft der Seele wie folgt: Das Paradies im Universum spiegelt sich im Herzen der Menschen wider. (Kainattaki cennetin insandaki mukabili gönüldür). Die Aleviten bekennen sich zu Gott als dem Schöpfer und sprechen von einer liebevollen Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Yunus Emre, der türkischsprachige Mystiker aus dem 13. Jahrhundert, beschreibt diese Beziehung in einem seiner berühmten Gedichte.
Yaradılanı severiz,
Yaradandan ötürü.
(Yunus Emre)
Wir lieben das Geschaffene
Ja um des Schöpfers willen!
(Übersetzung: Annemarie Schimmel[1])
Nach alevitischer Auffassung erscheint Gott den Menschen als die Wahrheit in verschiedenen Formen. Aleviten formulieren das folgendermaßen: Nur diejenigen können diese Wahrheit sehen, die den Vervollkommnungsprozess durchmachen. Die Auffassung, dass Mohammed und Ali einen Teil der Wahrheit bilden, wird im Glaubensbekenntnis formuliert. Mohammed und Ali sind vollkommen und bleiben vollkommen. Sie zeigten den Menschen ihre Vollkommenheit in ihrer Lebensweise. Auch ihre Nachkommen (die zwölf Imame[2]) sind von dem gleichen Licht erleuchtet. Deshalb ehren die Aleviten die 12 Imame als Symbole für diesen Glauben.
2. Der Glaube an die heilige Kraft (kutsal güç)
Aleviten glauben an eine heilige Kraft des Schöpfers, die vor allem durch Mohammed und seinen Schwiegersohn, Ali, sowie durch dessen Nachkommen bis heute an die Menschen weiter gegeben wird.
Nach alevitischem Verständnis hat jeder Mensch, sei er Alevit, Christ, Sunnit oder Schiit, Frau oder Mann die heilige Kraft. Gott wollte seine Schöpfermacht und Schönheit durch die Erschaffung des Menschen zeigen. Nach diesem Verständnis ist der Mensch das vollkommenste und schönste Lebewesen im Universum, auch wenn die Menschen diese Eigenschaften durch äußere Einflüsse verlieren können.
Für die Aleviten beinhaltet die heilige Kraft als eine Gabe Gottes den Verstand (akıl), der ermöglicht, dass die Menschen Gott und seinen Willen erkennen können. Yunus Emre beschreibt im folgenden Gedicht die Beständigkeit dieser Kraft:
Hem batiniyim, hem zahiriyim
Hem evvelim hem ahirim
Hem ben oyum hem o benim
Hem O kerim-i han benim.
Yunus Emre
Ich bin das Äußere und das Innere
Der Erste und der Letzte bin ich
Ich bin sein Ebenbild und
Mein Ebenbild liegt in seinem Wesen
Ich bin der Erhabene.
Der Verstand des Menschen als Gabe Gottes hat zur Konsequenz, dass jeder Mensch für die Führung seines Lebens verantwortlich ist. Der Mensch kann ein Scheitern nicht auf Gottes Willen zurückführen. Aleviten glauben, dass das Leid nicht auf Gottes Willen zurückzuführen ist, sondern durch menschliches Versagen bzw. durch das kollektive Fehlverhalten der Menschen entsteht. Der Glaube an die heilige Kraft im Menschen fordert von jedem Menschen ein aktives Bemühen um persönliche Vervollkommnung und den Dienst in der alevitischen Gemeinde.
Der alevitische Dichter Aşık Daimi (1932-1983) drückte diesen Glauben in seinem Gedicht so aus:
Kainatın aynasıyım
Kainatın aynasıyım
Mademki ben bir insanım
Hakkın varlık deryasıyım
Mademki ben bir insanım
İnsan hakta hak insanda
Ne ararsan var insanda
Çok marifet var insanda
Mademki ben bir insanım
Tevratı yazabilirim,
İncil`i dizebilirim Kuran`ı sezebilirim,
Mademki ben bir insanım.
Daimiyim harap benim
Ayaklara turap benim
Aşk ehline şarap benim
Mademki ben bir insanım
Ich bin der Spiegel des Universiums
Denn ich bin ein Mensch.
Ich bin der Ozean der Wahrheit
Denn ich bin ein Mensch.
Der Mensch und die Wahrheit sind Eins
Was du suchst, findest du im Menschen
Der Mensch besteht aus Erkenntnissen
Denn ich bin ein Mensch.
Ich könnte die Thora schreiben
Die Bibel könnte ich in Verse fassen
Den verborgenen Gehalt des Koran erfühle ich
Denn ich bin ein Mensch.
Ich, Daimi bin ein Trümmerhaufen
Ich bin die Erde unter den Füßen
Ich bin ein Instrument, durch dessen Klang Gottes Liebe auftönt.
Denn ich bin ein Mensch.
4. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele (canın ölmezliği)
Die Aleviten glauben, dass die Menschenseele als Geschöpf heilig ist. Gott schuf die Menschenseelen gleichwertig und gleichzeitig. Die Seelen kommen von Gott und gehen zurück zu Gott. Die Körper sterben, jedoch nicht die Seelen. Alle Seelen ruhen bei Gott, bis sie Gestalt annehmen und zur Welt kommen. Nach dem Glauben der Aleviten stirbt die Seele eines Menschen nicht, sondern kehrt heim zu Gott.
Yunus Emre behandelt in seinen Gedichten den Glauben an die ewige Existenz der Seele. Die Körper sind sterblich, nicht die Seelen.(Ölürse tenler ölür, canlar ölesi değil). Nach diesem Glauben bedeutet die Existenz der Seele gleichzeitig die geistige Existenz eines Menschen. Für Aleviten ist Menschsein ohne Seele undenkbar, denn die Seele begründet das Menschsein des Individuums. Auch andere Geschöpfe haben eine Seele (die auch als unsterbliche Energie bezeichnet wird). Der vollkommene Mensch kann durch diese Energie die letzte Station dieser Reise, die Vervollkommnung erreichen. Die Aleviten sprechen von Vier Toren, die der Mensch zu durchschreiten hat, um seiner Bestimmung auf der Erde gerecht zu werden und um die vorhin beschriebene Entwicklung (die Annäherung an Gott) zu erreichen.
Prof. Dr. Annemarie Schimmel beschreibt die Liebe eines alevitischen Derwisches zu diesem Weg mit folgenden Worten: Er weiß, dass das Leben nur ein Kleid ist, das Gott ihm anvertraut hat und ihm wieder nehmen wird. Aber immer ist es die alles umfassende (Gottes-) Liebe, die er besingt und die ihn belebt wie auch tötet. [4]
Der Begriff Sterben wird von Aleviten als ein biologischer Begriff verstanden. Das biologische Sterben für Aleviten ist nicht identisch mit dem Ende des Lebens. Deshalb drücken Aleviten das Sterben des Körpers mit dem Ausdruck Hakka Yürümek aus: zu Gott gehen. Das bedeutet, dass sich die Seele eines Menschen nach dem körperlichen Tod Gott zuwendet bzw. dass die Seele eines Menschen ihren Körper wechselt (don değiştirmek).
Literatur:
VON: ISMAIL KAPLAN / Aus dem Buch: Das Alevitentum / Herausgeber: AABF- Alevitische Gemeinde Deutschland