Die Neue-Welt-Übersetzung
„Und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis in den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen;...“ 1. Mose 11:4
Die Neue-Welt-Übersetzung, NWÜ abgekürzt, soll eine der besten Bibelübersetzungen der Welt sein. So behauptet es die WTG. Die NWÜ wird in der Literatur der WTG fortgesetzt gelobt. Es wird besonders hervorgehoben, daß namhafte Gelehrte höchsten Grades der NWÜ ein gutes Zeugnis ausstellen. Die NWÜ wäre sehr genau, wörtlich und vor allem nicht tendenziös. Es stimmt, daß namhafte Gelehrte der NWÜ ein gutes Zeugnis ausstellen, aber wie diese Zitate entstanden sind, das wird verheimlicht. Leider stimmt es auch, daß diese Zitate nicht immer korrekt wiedergegeben werden. So heißt es in der Literatur der WTG:
“Der Hebraist Professor Dr. Benjamin Kedar (Israel) gab in einem Interview mit einem Vertreter der Watch Tower Society folgendes Urteil über die Neue-Welt-Übersetzung ab: ... Nie jedoch habe ich... eine tendenziöse Absicht.... festgestellt” (SI, S. 326 siehe auch die Broschüre “Jehovas Zeugen in Deutschland”, Seite 11) Hier wird der Eindruck erweckt, daß Professor Kedar die ganze NWÜ, den hebräischen und griechischen Teil, meint. Dem ist nicht so! Auf eine Anfrage von mir hin betonte Professor Kedar, sein Urteil beträfe nur die hebräischen Schriften und nicht die griechischen Schriften. Und die hebräischen Schriften hat er nicht detailliert, Vers für Vers, untersucht; in den Passagen jedoch, die er in der NWÜ untersuchte, fand er bis jetzt keine tendenziöse Absicht. Der hebräische Teil der Bibel hat allein ca.
30.000 Verse, und wenn nur ein Vers verkehrt wäre, wäre die Wahrscheinlichkeit, ihn zu finden 1:30.000.
Der nächste Bibelgelehrte, den die WTG gerne zitiert, ist Alexander Thompson (SI:329). Sein Zitat muß man wegen Befangenheit zurückweisen, denn er gehört einer Religionsgemeinschaft an, die ähnliche Lehren wie die WTG vertritt. Außerdem ist er kein Spezialist der biblischen Ursprachen. (Die Zeitschrift „The Differentiator, Juni 1954“ aus dem er zitiert wird, gibt es in der gesamten englischsprachigen Bibliographie nicht.)
Um die Einfügung des Gottesnamens in die christlich griechischen Schriften zu rechtfertigen, führte die WTG Professor George Howard an.
Auf eine Anfrage bei ihm räumte Professor George Howard ein, daß man aus seinen Artikeln zu viel gemacht habe; er unterstütze die Theorien der WTG nicht. Professor George Howard wurde insgesamt 12mal in der Literatur der WTG zitiert (z. B WT 15.07.89:24; WT 01.08.88:30; WT
01.12.83; WT 01.05.78:9; NWÜ Studienausgabe:1563,1564; jeweils die englische Ausgabe).
Die WTG zitierte den Bibelgelehrten William Barclay, um ihre Übersetzung von Johannes 1:1 mit aller Raffinesse zu rechtfertigen. Auf eine Anfrage bei ihm empörte sich William Barclay darüber, daß die WTG ihn falsch zitiert habe.
Des öfteren zitierte die WTG Prof. Mantey, diese Zitate wurden aber aus dem Zusammenhang gerissen. Darüber war Prof. Mantey so entrüstet, daß er der WTG bat, ihn nicht mehr weiter zu zitieren.
Ein gewisser Herr Mouyne fragte bei der WTG in London an, wer die Übersetzter der NWÜ seien und welche Qualifikation sie hätten. Im Antwortschreiben (mittlerweile erhält man auf eine solche Anfrage keine schriftliche Antwort mehr) wurde er auf sieben positive Zitate von namhaften Bibelgelehrten über die NWÜ verwiesen. Einige dieser Zitate wurden total aus dem Zusammenhang gerissen. Anhand der Kopien vom Original kann sich jeder darüber vergewissern.
Was die WTG natürlich in ihrer Literatur überhaupt nicht zugibt, ist, daß es auch namhafte Bibelgelehrte gibt, die der NWÜ kein gutes Zeugnis ausstellen. Zu diesen zählt Dr. Robert H. Countess, der mit seinem Buch, “The Jehovah`s Witnesses` New Testament”, sehr viel Staub aufgewirbelt hat. Dieses Buch erschien im Jahre 1982, und gerade nach der Veröffentlichung dieses Buches hat sich die WTG in ihrer Literatur sehr viel Mühe gegeben, die NWÜ zu verteidigen. Die Aussagen werden kurz zusammengefaßt. Der Quellenverweis bezieht sich stets auf die englische Ausgabe.
G 22.03.87, Seite 10.14: Lebensbeschreibung von Nicholas Kip, der Griechisch-Spezialist ist und ZJ geworden ist. Er selbst lehrt die griechische Sprache in der Phillips Acadamy. Er verteidigt die NWÜ als stets korrekt. Anschuldigungen gegen die NWÜ weist er stets zurück mit der Begründung, daß diese Personen voreingenommen seien und die griechische Sprache nicht korrekt beherrscht.
(Die ganze Geschichte ist anzuzweifeln, da ZJ in einer religiösen Fakultät nicht beschäftigt sein dürfen.)
WT 15.08.90, Seite 16,17: Die NWÜ ist das Beste, was es gibt, genau auf dem neuesten Stand und gut lesbar. Man kann alle Glaubenslehren der WTG auch mit anderen Bibeln beweisen.
WT 01.11.93, Seite 30,31: Haben die ersten Christen den Namen Gottes verwendet? Die NWÜ hat den Gottesnamen 237 Mal in die christlich griechischen Schriften aufgenommen. Mit diesem Artikel will man dies rechtfertigen.
WT 01.03.92, Seite 23: Rechtfertigung der Wiedergabe von Johannes
17:3 in der NWÜ.
WT 01.08.91, Seite 24: Rechtfertigung der Wiedergabe von Apostelgeschichte 20:20 in der NWÜ.
WT 15.09.91, Seite 31: Fragen von Lesern. Es geht um die Wiedergabe von Jesaja 11:6 in der NWÜ.
WT 01.03.91, Seite 26-30: Die NWÜ ist ehrlich und ein Werk von Gelehrten. In der ganzen Literatur der WTG ist dies die ausführlichste Begründung und Verteidigung der NWÜ. Es wird auf folgende Punkte eingegangen: Warum die NWÜ “synteleia” mit “Abschluß” übersetzt, warum “epignosis” mit ”genauer Erkenntnis” wiedergegeben wird, die Begründung der Wiedergabe in Lukas 23:43, Matthäus 26:26, Johannes 1:1. Das sind aber bei weitem nicht alle Verse, die anfechtbar sind. Es fällt auf, daß hier nur Punkte erwähnt werden, bei denen es auch irgendeinen Beweis für ihre Wiedergabe gibt. Der Artikel ist voll von Zitaten, aber keines wird genau mit der Seitenzahl angeführt.
WT 01.02.91, Seite 29: Fragen von Lesern. Es geht um die Wiedergabe von 2. Petrus 1:19 in der NWÜ.
G 22.08.90, Seite 13: Ein Dankesbrief von einem Außenstehenden an die NWÜ, der diese sehr lobt.
WT 15.10.90, Seite 30,31: Fragen von Lesern. Es geht um die Wiedergabe der NWÜ, 1. Mose 3:1.
WT 01.12.90, Seite 30: Fragen von Lesern. Es geht um die Wiedergabe der NWÜ, von Römer 8:27.
WT 15.03.82, Seite 22-27: Es wird herausgestellt, warum die NWÜ entstanden ist, ihre Vorteile werden hervorgehoben. Andere Übersetzungen werden für ihre mangelhafte und tendenziöse Arbeit kritisiert.
Es ist sehr auffallend, daß nach der Veröffentlichung des Buches von Dr.
Countess sich die Artikel in der Literatur der WTG für die NWÜ gemehrt haben. Dr. Countess geht wohl nicht auf alle anfechtbaren Verse der NWÜ ein, aber jene, auf die er sich bezieht, beweisen ganz deutlich, daß die NWÜ sehr danebenliegt. Das ist auch der Grund, warum es immer schwieriger wurde, von namhaften Gelehrten ein gutes Urteil zu bekommen.
Aber die Argumentation der WTG ist auch aus folgendem Grund anfechtbar: Statt sich auf namhafte Gelehrte zu berufen und ihre Aussagen zu verdrehen, sollte sie lieber auf alle fraglichen Stellen eingehen und sachlich ihre Wiedergabe begründen.
Was noch besonders bei der Neuen-Welt-Übersetzung auffällt, sind die Fußnoten. Die NWÜ mit Studienverweisen, unter ZJ als die Studienbibel bekannt, hat ca. 11.000 Fußnoten. Über den Sinn und Zweck der Fußnoten heißt es in der Studienbibel auf Seite 9,10:
“Ein weiteres auffallendes Merkmal der vorliegenden Veröffentlichung sind die vielen Einzelheiten, die in mehr als 11.000 Fußnoten angegeben werden. Anstrengungen wurden unternommen, wichtige Erkenntnisse zum Text auf einfache Weise darzulegen. Die Fußnoten vermitteln einem das Verständnis, daß die drei Ursprachen der Bibel, Hebräisch, Aramäisch und Griechisch, in ihren Aussagen übereinstimmen... obwohl der Text in der Regel bereits wörtlich ist, beinhalten viele Fußnoten weitere wertvolle wörtliche Wiedergaben. Sie enthalten 1. Grundbedeutungen, 2.Wortetymologien oder 3. anerkannte lexikalische Definitionen des ursprünglichen Wortes oder der Wendung... in eckigen Klammern stehen Wörter oder Wendungen, die im allgemeinen den Sinn ergänzen sollen oder Erläuterungen in einem Zitat darstellen”
Hört sich alles sehr gut und fachmännisch an. Aber der Fußnotenapparat ist in vielen Fällen nur ein Alibi. Und das funktioniert so:
In der
Übersetzung wird entweder nicht wörtlich oder falsch übersetzt, und in der Fußnote wird dem Leser die richtige Variante offengelegt. Das ist so in Johannes 17:3, Jakobus 1:17, Apostelgeschichte 2:42,46 und vielen anderen Versen. Dadurch kann sich die WTG immer rechtfertigen mit der Begründung, in der Fußnote würde ja die korrekte Lesart vorgeschlagen.
Warum zieht sie in ihrer Übersetzung nicht die richtige Lesart vor? Warum dieses Verwirrspiel? Und an einigen Stellen, in denen die NWÜ für ihre Wiedergabe eine Erklärung schuldig wäre, herrscht überraschenderweise gähnende Leere in dem sonst so ausführlichen Fußnoten-Apparat, z.B. Jeremia 29:10, 3. Mose 17:10, Offenbarung 7:10 und in vielen anderen Versen. Viele Fußnoten sind wirklich sehr informativ, das muß man betonen, aber bei einigen muß man rätseln. Eine Auflistung einiger dieser fraglichen Fußnoten aus den christlich griechischen Schriften wird dies bestätigen:
Matthäus 13:39:
in der Übersetzung “Abschluß”. In der Fußnote wird die korrektere Lesart “gemeinschaftliches Ende”, “kombiniertes Ende”, “gemeinsames Ende” vorgeschlagen.
Johannes 17:3:
in der Übersetzung “daß sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen”. In der Fußnote die korrektere Lesart: “Od.: ,daß sie dich fortgesetzt erkennen’”.
Jakobus 1:17:
in der Übersetzung “keine Veränderung von der...”. In der Fußnote die korrektere Lesart: “Od.: , keine Veränderung oder einen Schatten...”. Die NWÜ hat das “oder” einfach nicht übersetzt, die Gründe werden später dargelegt.
1.Timotheus 4:1:
in der Übersetzung “die inspirierte Äußerung”. Wieder in der Fußnote die korrektere Lesart: ”Od.: ,der Geist’”.
Und so gibt es noch mehrere Fußnoten in der NWÜ, die die korrekte Lesart wiedergeben, aber in der Übersetzung entscheidet man sich für die schlechtere Variante. Mit dieser Vorgehensweise wird klar, daß die Übersetzer ganz genau die kritischen Passagen kennen. Somit sind die Übersetzungsfehler in der NWÜ kein Produkt menschlicher Unvollkommenheit, sondern bewußt einkalkuliert.
Was in der NWÜ auch auffällt, sind die eckigen Klammern, in denen Textergänzungen zum besserem Verständnis signalisiert werden. In vielen Fällen kann man gegen diese Textergänzungen nichts einwenden, sie sind sogar sehr nützlich. Die NWÜ macht aber Textergänzungen, die sonst so gut wie keine Bibelübersetzung macht, z. B. werden in Kolosser 1:16 das Wort “anderen”, in Offenbarung
7:10 die Formulierung “verdanken wir”, in 1. Johannes 3:9 “reproduktiver” in eckige Klammer gesetzt. Dort, wo diese eckige Klammern stehen sollten, stehen sie in einigen Fällen nicht, z. B. in Matthäus
12:12. Der Text wurde ergänzt mit der Formulierung: “Wenn man alles in Betracht zieht”, der Satz existiert gar nicht im Urtext. In 1. Timotheus 2:4 wird das Wort “Arten”, in Römer 8:10 das Wort “Gemeinschaft” hinzugefügt u.s.w.
Wie kann man die Bibel verfälschen?
Jede Bibelübersetzung ist eine Kompromißlösung. Es ist unmöglich, einen Text ganz genau in eine andere Zielsprache zu übersetzen. Jede Sprache hat ihre Eigenart, die man in der anderen Sprache bei einer Übersetzung nur umschreiben kann. Das trifft auch auf eine Bibelübersetzung zu.
Aber das ist keine Entschuldigung dafür, daß der Sinn des Urtextes in andere Bahnen gelenkt wird. Wie kann man überhaupt feststellen, ob eine Bibelübersetzung tendenziös ist und den Text verfälscht wiedergibt? Verfälschungen sind hauptsächlich durch folgende Manipulationen des Urtextes möglich:
* im Urtext enthaltene Wörter werden einfach nicht übersetzt.
* es werden Wörter eingefügt, die nicht im Urtext stehen, die auch nicht zur Glättung und zum Verständnis des Textes notwendig sind.
* die Bedeutung des Wortes im Urtext wird total verändert.
* bei Wörtern im Urtext, die mehrere mögliche Bedeutungen zulassen, wird die Variante gewählt, die am besten ins Lehrgebäude paßt.
* bei schwierigen Passagen, die es ja ohne Zweifel gibt, wählt man die Variante, die dem vorhandenen Lehrgebäude nicht widerspricht.
In der Übersetzung der WTG werden all diese Methoden angewendet.
Das Ganze ist erstaunlich, da doch die WTG offiziell so viel Respekt vor Gottes Wort hat. Das alles ist aber nur Theorie, die Praxis sieht ganz anders aus. Es ist aber nicht nur die WTG, die zu solchen Praktiken gegriffen hat. Auch andere Religionen haben die Bibel zensiert. Wenn sie auch nicht so weit gegangen sind wie die WTG. Zum Teil steckten die gleichen Überlegungen und Absichten dahinter wie die der WTG.