Es gibt keinen Gott und es wird auch keinen Gott geben!
15.01.2006 um 16:27
Teil I
Der Zugang zur Kraft des Jetzt
Wenn dein Bewusstsein nach außen
gerichtet ist,
entstehen das Denken und die Welt.
Wenn es nach innen gerichtet ist,
erkennt es seinen Ursprung
und kehrt heim ins Unmanifestierte.
Sein und Erleuchtung
Es gibt das ewige, immer gegenwärtige eine Leben jenseits der
Myriaden von Lebensformen, die Geburt und Tod unterworfen
sind. Viele Menschen verwenden dafür das Wort »Gott«; ich
nenne es meist »Sein«, obwohl das Wort »Sein« ebenso wenig
erklärt wie das Wort »Gott«. »Sein« hat allerdings den Vorteil,
dass es ein offenes Konzept ist. Es reduziert das unendliche
Unsichtbare nicht auf etwas Endliches. Man kann sich unmöglich
eine gedankliche Vorstellung davon machen. Niemand
kann einen Alleinanspruch auf das Sein geltend machen. Es ist
dein Gegenwärtigsein an sich, und jeder hat durch das Gefühl
der eigenen Gegenwart unmittelbaren Zugang dazu. Vom Wort
»Sein« ist es nur ein kleiner Schritt zur Erfahrung des Seins.
Das Sein besteht nicht nur jenseits aller Formen,
sondern zugleich tief im Innern aller Formen als deren
innerstes, unsichtbares, unzerstörbares Wesen. Folglich
ist es dir jetzt als dein eigenes tiefstes Selbst, dein
eigenes wahres Wesen zugänglich. Aber versuche
nicht, es mit dem Denken zu erfassen. Versuche nicht,
es zu verstehen.
Du kannst es nur erfahren, wenn der Verstand still ist.
Du wirst es nie mit dem Intellekt begreifen können,
aber wenn du voll gegenwärtig bist und deine Aufmerksamkeit
ganz auf das jetzt konzentrierst, kannst du es
fühlen.
Sich des Seins wieder bewusst zu werden und in diesem
Zustand »fühlenden Erkennens« zu verharren ist Erleuchtung.
Das Wort Erleuchtung beschwört die Vorstellung einer
übermenschlichen Großtat herauf, und das Ego möchte, dass es
so bleibt; dabei bezeichnet das Wort einfach nur den
natürlichen Zustand, in dem du dich eins mit dem Sein fühlst.
Es ist ein Zustand der Verbundenheit mit etwas Unermesslichem
und Unzerstörbarem, mit etwas, das paradoxerweise du
selbst bist und das trotzdem viel größer ist als du. Du findest
darin, jenseits von Name und Form, dein wahres Wesen.
Aus der Unfähigkeit, diese Verbundenheit zu spüren, entsteht
die Illusion, von sich selbst und der Außenwelt getrennt zu
sein. In diesem Fall nimmst du dich bewusst oder unbewusst
als isoliertes Fragment wahr. Angst entsteht, innere und äußere
Konflikte werden zur Normalität.
Das größte Hindernis für die Erfahrung dieser realen
Verbundenheit ist die Identifikation mit dem Verstand, die das
Denken zwanghaft werden lässt. Nicht mit dem Denken
aufhören zu können ist ein Verhängnis, aber wir sind uns
dessen nicht bewusst, weil fast jeder darunter leidet, sodass es
für normal gehalten wird. Der unaufhörliche Lärm des
Denkens verhindert jedoch, dass wir den Raum der inneren
Stille finden, der vom Sein untrennbar ist. Durch den Lärm des
Denkens entsteht auch das falsche, vom Verstand künstlich
aufrechterhaltene Selbst, das uns mit Angst und Leid überschattet.
Die Identifikation mit dem Verstand schafft einen
undurchdringlichen Schleier aus Konzepten, Begriffen,
Vorstellungen, Worten, Urteilen und Definitionen, der jede
wahre Beziehung blockiert. Dieser Gedankenschleier schiebt
sich zwischen dich und dein Selbst, dich und deine Mitmenschen,
dich und die Natur, dich und Gott. Er ist es, der die
Illusion des Getrenntseins erzeugt, die Illusion, dass es dich
und etwas völlig von dir getrenntes »anderes« gibt. Dabei
vergisst du die grundlegende Tatsache, dass du auf einer Ebene
jenseits der körperlichen Erscheinungen und getrennten
Formen eins bist mit allem, was ist.
Bei richtigem Gebrauch ist der Verstand ein hervorragendes
Instrument. Wird er jedoch falsch eingesetzt,
kann er sich sehr zerstörerisch auswirken. Um genau zu sein:
Du benutzt deinen Verstand eigentlich gar nicht falsch - du
benutzt ihn überhaupt nicht. Er benutzt dich. Das ist die
Krankheit. Du identifizierst dich mit deinem Verstand. Das ist
die Täuschung. Das Instrument hat die Herrschaft über dich
gewonnen.
Du bist im Grunde, ohne es zu ahnen, besessen und hältst das
Wesen, das von dir Besitz ergriffen hat, für dich selbst.
Die Freiheit beginnt mit der Erkenntnis, dass du nicht
das Wesen bist, von dem du besessen wirst - der Denker.
Diese Einsicht versetzt dich in die Lage, den, der
dich beherrscht, zu beobachten. In dem Augenblick, in
dem du den Denker zu beobachten beginnst, wird eine
höhere Bewusstseinsebene aktiviert.
Du erkennst einen unendlich großen Intelligenzbe reich jenseits
des Denkens, von dem das Denken nur ein winziger Bruchteil ist.
Du erkennst auch, dass alles, was wirklich von Bedeutung ist -
Schönheit, Liebe, Kreativität, Freude, innerer Friede - seinen
Ursprung jenseits des Verstandes hat. Du beginnst zu erwachen.
Die Befreiung vom Verstand
Die gute Nachricht ist, dass du dich vom Verstand befreien
kannst. Das ist die einzig wahre Befreiung. Du kannst gleich
jetzt damit beginnen.
Lausche auf die Stimme in deinem Kopf, sooft du
kannst. Achte besonders auf wiederkehrende Denkmuster,
diese alten Tonbänder, die womöglich schon
jahrelang in deinem Kopf ablaufen. Mit dem
»Beobachten des Denkers« meine ich im Grunde
nichts anderes als dies: Höre auf die Stimme in deinem
Kopf, sei dort als Zeuge gegenwärtig. Höre der Stimme
unvoreingenommen zu, während du auf sie lauschst.
Werte nicht. Beurteile und verdamme nichts von dem,
was du hörst, denn damit würdest du der Stimme
wieder ein Hintertürchen öffnen. Dir wird bald klar sein:
Da ist die Stimme - und hier bin ich, höre ihr zu und
beobachte sie. Das Erkennen des »Ich-bin«, dieses
Gefühl deiner eigenen Gegenwart, ist kein Gedanke.
Sein Ursprung liegt jenseits des Verstandes.
Wenn du also einem Gedanken lauschst, bist du dir nicht nur
dieses Gedankens bewusst, sondern auch deiner selbst als
Zeuge dieses Gedankens. Damit öffnet sich eine neue
Bewusstseinsdimension.
Während du dem Gedanken lauschst, spürst du
gleichsam hinter oder unter dem Gedanken eine
bewusste Gegenwart - dein tieferes Selbst. Der
Gedanke verliert seine Macht über dich und schwindet
dahin, weil du den Verstand nicht mehr durch deine
Identifikation mit ihm bestärkst. Das ist der Anfang vom
Ende des unfreiwilligen, zwanghaften Denkens. Wenn
ein Gedanke verflogen ist, erlebst du eine Unterbrechung
im Gedankenstrom - eine Lücke des Nichtdenkens.
Zu Anfang werden diese Lücken vielleicht
sehr kurz sein und nur ein paar Sekunden dauern, aber
sie dehnen sich mit der Zeit aus. Wenn solche Lücken
eintreten, empfindest du eine gewisse Stille und Frieden
in deinem Innern. Dann ist der natürliche Zustand
nahe, in dem du dich eins fühlst mit dem Sein, woran
dich sonst das Denken hindert. Durch Übung wird das
Gefühl von Stille und Frieden immer tiefer, unendlich
tief. Und aus dem tiefsten In nern wirst du eine zarte
Freude aufsteigen fühlen: die Freude des Seins.
In diesem Zustand der inneren Verbundenheit bist du viel
bewusster, viel wacher, als wenn du dich mit dem Verstand
identifizierst. Du bist vollkommen ge genwärtig.
Dadurch wird auch die Schwingungsfrequenz des
Energiefeldes angehoben, das den physischen Körper mit
Leben erfüllt.
Während du immer tiefer in den Bereich des Nicht-denkens,
wie er im Osten manchmal genannt wird, eindringst, machst du
die Erfahrung reiner Bewusstheit. In diesem Zustand
empfindest du deine eigene Gegenwart mit solcher Intensität
und Freude, dass im Vergleich dazu alles Denken, alle
Emotionen, der physische Körper ebenso wie die ganze
Außenwelt, unbedeutend werden. Trotzdem ist dieser Zustand
nicht selbstbezogen, sondern selbstlos. Er trägt dich über das
hinaus, was du vorher als »dich selbst« bezeichnet hast. Er ist
etwas, was seinem Wesen nach du bist und was zugleich
unvorstellbar viel größer ist als du.
Statt »den Denker zu beobachten«, kannst du den
Gedankenstrom auch unterbrechen, indem du deine
Aufmerksamkeit einfach auf das jetzt richtest. Werde
dir einfach des gegenwärtigen Augenblicks vollkommen
bewusst.
Das ist etwas sehr Befriedigendes. Auf diese Weise kannst du
dein Bewusstsein vom Denken abziehen und eine Lücke des
Nichtdenkens schaffen, in der du hellwach und voll bewusst
bist, ohne zu denken. Das ist das Wesen der Meditation.
Die Staaten blühen nur, wenn entweder Philosophen herrschen oder die Herrscher philosophieren.
Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit.
- Platon -