Warum ist es falsch an eine Form der Schöpfung zu glauben
26.03.2023 um 18:23mitH2CO3 schrieb:Jessas. Was hast Du denn für Erfahrungen (Trauma?) mit Glauben resp. gläubigen Menschen gemacht? Oder handelt es sich nur um Deine Phantasien, oder etwa um wiedergekäuten Kram von Anderen?Nichts davon! Bitte nicht falsch oder gar negativ bzw. als Angriff auffassen; es ist eine psychologisch robuste Feststellung. Ich kann es Dir ja näher erläutern und Du sagst mir, inwiefern es auf dich zutrifft:
Ich schrieb' bereits, dass es nicht per se der Theismus ist, der diese Abhängigkeit generiert, siehe dazu erneut mein Beispiel mit den Stoikern. Theismus selbst definiert sich - genau wie Atheismus - auf philosophischer Eben rein als metaphysische Hypothese (oder Aussage) über die Beschaffenheit der Welt oder Existenz.
Ebenso ist es klar, dass der Glaubensgrad eine kontinuierliche Skala darstellt und keineswegs eine binäre Position ist. Mit anderen Worten: Personen, die zum Beispiel fünf mal am Tag beten, glauben mit anderer Intensität als diejenigen, die sehr selten beten usw.
Was ich also oben damit meinte, ist, dass diese Abhängigkeit psychologisch dadurch generiert wird, indem Du als Person zu einem Gott (oder Götter, je nach Belieben) betest und dir eben Kraft durch diesen erhoffst. Oder wenn es nicht direkt das Beten ist, ist es allein der Glaube daran, dass jener Gott eine Aktivität ausführt, die letztendlich dir (oder anderen, denen Du Gutes wünschst) zugute käme. All dies kultiviert psychologisch / mental eine Abhängigkeit zu dieser Entität, weil man erkennt, wie klein und machtlos man als Mensch ist und sich den externen Umständen völlig hilflos ausgeliefert sieht. Dieser Wunsch, dem durch göttliche Kontrolle zumindest etwas zu entfliehen, generiert sukzessive über die Jahre eine mentale Abhängigkeit, sodass man am Ende gar nicht mehr anders kann und das Glauben, wie Du sagtest, als so elementar und wichtig betrachtet wie atmen oder essen.
Es ist ein wenig wie eine toxische Beziehung, bei der man derart an den Partner gebunden ist, dass man ohne diesen quasi nicht mehr leben könnte. Nur bei Göttern ist diese Beziehung gar auf eine Ewigkeit gebunden, da diese per Definition unvergänglich sind.
Zur Erinnerung: Wir reden hierbei nicht um den epistemischen Theismus (als Hypothese), sondern rein über die praktische und mentale Dimension davon.
Ich weiß also nicht, ob das irgendwie was mit "Hingabe" zu tun hat. Das Wort hat in vielen Bereichen eine Bedeutung. Und ich bestreite absolut nicht, dass es positive Hinagbe (zu seinem Lebenspartner, seinem Kind, seinen Hobbies, was auch immer) gibt. Dahingehend habe ich selber keine Probleme!
Aber auf einer metaphyischen Ebene ist diese Form der "Hingabe" etwas, was ich aus ethischer Sicht absolut verwerflich finde. Selbst wenn ich philosophisch also eine Form von Theismus plausibel fände und an diese epistemische Position glauben würde, so würde ich mich niemals in eine solche für mich mentale Abhängigkeit begeben. Ich würde niemals zu diesem Gott beten oder mir sonstige Hilfe erhoffen, sondern einsehen, dass viele Dinge nicht in meiner Macht stehen und diese resilient ertragen und mich - auf meine eigene Kraft stützend - durch die Existenz kämpfen.
Was ich aber sicherlich einräumen kann, ist, dass es aus psychologischer Sicht auch stark an die Form der Persönlichkeit ankommt. Das definiert in gewissem Maß die Art und Weise, wie man denkt und fühlt. Ich verstehe existentielle Ängste wirklich sehr gut, kann also auch nachvollziehen, warum man an Götter glaubt und hofft, dass alles "gut" wird, doch mein Ansatz ist ein völlig anderer, der auch für mich deutlich besser funktioniert.