Angel-ika schrieb:Ich find's viel mühsamer, allein auf das archaische Gottesbild des Alten Testaments fixiert sein zu müssen, auf einen zornigen brutalen Gott, der so gar nichts Gutes an sich hat, und dabei alle positiven Gottesbilder der Bibel - vor allem natürlich des Neuen Testaments - ausblenden oder zumindest sehr unterordnen zu müssen.
Erstens heißt es doch immer, der Gott des Alten Testaments wäre auch der Gott des Neuen. Zweitens ist der Gott des Neuen Testaments nicht wirklich besser, auch wenn er es plötzlich vorzieht, die meisten Menschen, die nicht rechtzeitig Abbitte geleistet haben, nicht mehr sofort zu töten, sondern erst nach dem Tod zu bestrafen - dann aber ewig und mit größter Grausamkeit. Ausnahmen gibt es dabei auch im Neuen Testament; schließlich behauptet Jesus, Gott würde Jerusalem bald untergehen lassen (was ja auch 40 Jahre nach seinem Tod passierte), weil die Bewohner ihn, Jesus, nicht als Messias anerkannt hätten.
Und von dem Gott in der Offenbarung des Johannes wollen wir lieber gar nicht reden, wenn du darauf beharren willst, dass der biblische Gott nur im Alten Testament brutal ist.
Allerdings scheint das Gesellschaftsleben zur Zeit des Neuen Testaments etwas zivillisierter geworden zu sein: Wurde man zu Moses Zeiten noch hingerichtet, wenn man am Sabbat für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgte ( siehe das Beispiel in meinem vorherigen Beitrag, wo die Hinrichtung von Gott persönlich befohlen wird), so baten die "bösen" Pharisäer Jesus, als seine Jünger am Sabbat Korn rauften, nur noch, diesen zu sagen, sie möchten es unterlassen.
Dieser Fortschritt war also schon vor Jesus angebrochen.
Snowman_one schrieb:Wäre gott der besagte mafiaboss, wäre es viel einfacher gewesen zombies zu erschaffen die ihn lieben müssen, anstatt den umweg über das von dir benannte „bestechungsgeld“ zu machen.
Das wäre ihm vielleicht zu langweilig.
Spaß beiseite: Der Unterschied zwischen allmächtigem Gott und Mafiaboss ist, dass der Mafiaboss die Menschen, die er in seine Bande zwingen oder ausnehmen will, so vorfindet, wie sie sind, und sich überlegen muss, wie er sie zum Mitmachen "überredet". Während Gott, allen Gejammers über die angebliche Bösartigkeit des Menschen zum Trotz, jederzeit die Möglichkeit hätte, die Gegebenheiten zu aller (auch seiner eigenen) Zufriedenheit zu ändern.
Angel-ika schrieb:Gott hat den Menschen die Freiheit gegeben, sich auf seine Seite oder die Seite Satans zu stellen.
Was ist das denn für eine Freiheit, wenn man für die falsche Wahl entsetzlich bestraft wird? Das ist so, als wenn man einem Kind sagen würde: "Du darfst zum Nachtisch entweder den Vanillepudding oder das Schokoladeneis essen, aber wenn du das Eis isst, bekommst du eine Tracht Prügel." Also nur eine scheinbare Wahl. Eine Drohung, die aufgrund der Vortäuschung einer Wahl auch noch zynisch klingt.
Genauso gut hätte man vor dem Kind geheim halten können, dass es neben dem langweiligen Pudding auch noch Eis gibt. Oder ihm erklären können, dass zwar auch Eis da ist, dass jetzt aber aus diesem oder jenen Grund (z.B., weil Tante Hertha zum Kaffee kommt) jetzt nur der Pudding gegessen werden soll.
Der biblische Gott hat die allererste Möglichkeit genommen, anscheinend, um sich über die Menschheit aufregen zu können.
Was mir in der Bibel fehlt, sind Begründungen, die über ein "weil Gott das so will" hinausgehen. Selbst bei Jesu Appellen zur Nächstenliebe ist nie davon die Rede, dass man das aus Mitgefühl tun soll, damit es auch dem Nächsten besser geht. Das Argument ist immer nur, dass Gott einem eine gute Tat zum Wohl eines Mitmenschen positiv anrechnen wird. Das mag an Jesu schlechtem Menschenbild liegen. Aber vielleicht ist das ja auch in der Religionsgeschichte normal. Immerhin ist es in östlichen Religionen ja auch so, dass man Gutes vor allem deswegen tun soll, weil man damit sein Karma verbessert.
Das andere, das mich an deinem Satz stört, ist, dass Gott demnach den Menschen bewusst die Freiheit gegeben hat, anderen zu schaden (falls sie nicht aus Angst vor seinen jenseitigen Strafen davon Abstand nehmen). In dieser Toleranz während des Erdenlebens (danach kommt ja die große Abrechnung) bleibt er konsequent: Sogar, wenn Menschen in seinem Namen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, oder bei einem Massenmord an Millionen Menschen (die auch noch zu seinem auserwählten Volk gehören), bleibt er stumm.
Das wäre vergleichbar, wie wenn man als Eltern seinem Kind gesagt hätte, es solle keine Tiere quälen, dann aber den ganzen Tag lang tatenlos beobachten würde, wie es genau das tut, egal wie intensiv, um es dann am Abend zur Rechenschaft zu ziehen. Damit mag dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Leute Genüge getan zu sein, den wirklichen Schaden aber hätten die Opfer, im Beispiel die gequälten Tiere, denen ein Einspruch des zuschauenden Erwachsenen viele Stunden später ja nichts von dem aktuellen Schmerz und der aktuell( begründet)en Angst nimmt.
Wenn der allmächtige, angeblich so gute Gott also sieht, dass manche Leute ihn fürchten und oder hassen oder verachten oder auch nicht an ihn glauben müssen wollen, dann sollte er vielleicht mal überlegen, woran das liegt, und ob er nicht selbst dafür verantwortlich ist. Als Schöpfer und aufgrund seiner Weisheit müsste er doch genug psychologisches Verständnis haben.
Da das aber nicht der Fall zu sein scheint, bleiben nur folgende Möglichkeiten:
- es gibt keinen Gott
- es gibt mehrere Götter, die nicht immer einer Meinung sind (wenn man es genau betrachtet, wäre die Existenz von Zeus oder Osiris genauso denkbar wie die des biblischen Gottes, auch wenn heute niemand mehr an Zeus oder Osiris glaubt)
- Gott ist zwar gut, aber nicht allmächtig (die Version, die ich persönlich bevorzuge), und kann an der Welt tatsächlich nichts ändern
- Gott will die Welt samt allem Leid genauso haben, wie sie ist, weil er eben nur allmächtig, aber nicht gut ist. Wobei das Wort "gut" dann anders interpretiert werden müsste
- Gott interessiert sich nicht für die für ihn unbedeutenden Menschen, genauso wenig wie ein Imker für die einzelne Biene, solange der Stock gesund genug ist, um genug Honig zu produzieren.