AlteTante schrieb:Aber was ist mit Wiedergeburt und Karma? Sind das nicht Züge einer Religion, auch wenn kein konkreter Gott dahintersteckt? Und wenn das Karma (im jetzigen oder einem späteren Leben) durch gute oder böse Handlungen bestimmt wird - heißt das dann nicht automatisch, dass das Leben sehr wohl einen Sinn hat - und sei es, dass noch irgendwelches Karma abzubauen ist?
Wie kannst du dann sagen, im Zen-Buddhismus hat das Leben keinen Sinn? Oder gibt es im Zen-Buddhismus keine Wiedergeburt?
Die Vorstellung einer Tatsächlichen Wiedergeburt ist sehr fundamentalistisch und wird nur von buddhistischen Gruppierungen bzw. Schulen verwendet, die Buddhas Geschichten wörtlich nehmen.
Etwa wie Katholiken die Vorstellung der Hölle (um ein Vergleich zu bieten)
Zen Buddhisten halten die Vorstellung einer Wiedergeburt und die Aussagen über Metaphysik für irrelevant, weil Buddha es stets abgelehnt hat, solche Fragen zu beantworten. Stattdessen legte er darauf Wert, zu sagen, dass er das Leiden lehre und die Überwindung des Leidens. Im Malunkyaputta-Sutta wies er diverse metaphysische Fragen zurück und sagte, dass diese nicht dazu beitragen würden, zum Verlöschen zu führen. Und im Brahmajala-Sutta sagte er, dass solche Leute sich in einem Netz von Lehrmeinungen verfangen und dort nicht wieder herauskommen, so dass sie in ihrem Leidenskreislauf gefangen bleiben. Ich denke, das ist deutlich genug.
Daher verwenden wir Zen Buddhisten meist dem psychologische Modell von Zen-Lehrer Shohaku Okumura - dass Wiedergeburt in den "sechs Daseinsbereichen" nichts mit dem Leben nach dem Tod zu tun hat, sondern symbolisch für eine grundlegende geistige Verfassung steht, die uns gerade dominiert.
Höllenwesen: fügen einander Schmerzen zu und sehen keinen anderen Sinn in ihrer Existenz. Wegen dieser Haltung leiden sie.
Hungrige Geister: sind voller Gier, wollen immer mehr als sie haben, sind dennoch nie zufrieden und deshalb leiden sie.
Tiere: sind ihr ganzes Leben lang am Arbeiten - Jagen, Essen, Nachkommen zeugen...ihr ganzes Leben besteht nur aus Arbeit und deshalb leiden sie.
Kämpfende Dämonen: (Asuras) gehen auf einen altindischen Gott der Gerechtigkeit zurück und wollen immer Recht haben, ihre Meinung durchsetzen. Sie liegen ständig mit anderen im Streit und haben nie Ruhe. Deshalb leiden sie
Menschen: sind nicht wie Tiere mit Arbeit zufrieden, sondern wollen Resultate - Erfolg, Macht, Einfluss., Vor allem aber wollen sie Sicherheit - einen sicheren Job, Versicherung, Rente. Da es diese absolute Sicherheit nicht gibt, haben sie Zukunftsängste (die Tieren unbekannt sind) und daher leiden sie.
Himmelswesen oder Devas: haben alles was sie sich wünschen. Allerdings fürchten sie sich vor Neidern und davor, dass freundliche Menschen sie nur wegen ihrer Macht mögen und sie in Wirklichkeit nur ausnutzen wollen. Außerdem haben sie praktisch keine echten Freunde Deshalb leiden sie.
Du siehst also, anstatt diese Darstellung vom "Rad der Wiedergeburt" wörtlich zu nehmen, kann sich jeder von uns in einer dieser psychologischen Modelle wiederfinden.
Viele Menschen leben nur für ihre Arbeit (Tiere) bis sie anfangen Ziele zu stecken (Menschen) und dabei Ellenbogen einsetzen (Asuras). Wenn sie schließlich erfolgreiche Manager (Devas) sind, merken sie, dass es auch nicht das wahre ist - und werden wieder gierig (Hungergeister) oder sind wütend über ihre Unzufriedenheit und beginnen andere zu quälen (Höllenbewohner).
Wie hier deutlich wird, heißt es "Kreislauf" der Wiedergeburt, weil man eben nicht nur aufsteigen, sondern auch absteigen kann - und im Laufe unseres Lebens werden wir dutzendfach "wiedergeboren".
AlteTante schrieb:Dann soll sich der Gläubige also auch im Buddhismus dazu zwingen, natürliche Regungen wie Wut und Abwehr zu unterdrücken (ja, er dürfte sie nicht einmal haben), wenn er tätlich angegriffen wird?
Natürlich sollte man sich wehren, um Gottes Willen. Nein. Man darf dieses Beispiel auf keinen Fall wörtlich nehmen. Die Aussage dahinter ist das verdorbene Gedanken nicht hilfreich sind und das Gegenteil von dem darstellen, was Buddha einem beibringen möchte. Es ist nicht von Vorteil Groll über andere zu hegen, nur weil sie etwas tun, das einem missfällt. Das "Sägen Beispiel" ist etwas brutal und dient zum aufrütteln.