@Doverex Aber schon allein der Gedanke/Überlegung, welches Genie hätte dieses Grabtuch möglicherweise so fälschen können, dass unsere moderne Naturwissenschaft kein 100% Beweis-Ergebnis liefern kann bis heute, finde ich interessant.
Ich finde das nicht so interessant wie die Genialität des potentiellen Bilderstellers, was der alles berücksichtigen bzw. wissen mußte. Warum hat er die Nägelmale nicht in die Handteller und mitten auf die Füße gesetzt? Seit der ältesten christlichen Keuzigungsdarstellung ging man von dieser Positionierung der Nägel aus. WIeso wurde das ausgetretene Blut am Körper so dargestellt, wie es an einem am Kreuz hängenden entspricht und nicht, wie es an einem Aufgebahrten hinabrinnt? Wieso wurde der eine Unterarm auffallend länger wiedergegeben als der andere? Wieso wurden einemToten die Augen wie offen gezeichnet? Und das auch noch so gekonnt, daß sie auf einem Fotonegativ wie geschlossen aussehen?
WER oder WAS in diesem Leinenstoff tatsächlich abgebildet ist, wäre ja eine ganz andere Frage, die eher noch viel schwieriger zu beantworten/beweisen wäre.
Genau. Es gab viele Gekreuzigte im Römischen Reich. Nicht jedem wurde eine Dornenkrone aufgesetzt, zu welcher die Blutspuren auf der Stirn passen. Aber es gab durchaus Menschen, die als gescheiterte Thronanwärter etc. hingerichtet wurden. Und daß man einem "Delinquenten" zur öffentlichen Demütigung ein Kronenimitat aufsetzte, ist sogar aus dem ägyptischen Raum belegt. Wir können also mit einer Mehrzahl von Gekreuzigten rechnen, die Nägelmale, Dornenkronenverletzungen, Auspeitschungsmerkmale und womöglich sogar Lanzenstichwunden in die Seite aufweisen. Gerade letzteres würde zu einer frühzeitigen Abnahme passen, sodaß noch ein zusammenhängender Körper in ein Leichentuch gewickelt werden konnte. All dies wird nicht sehr oft zusammengekommen sein, aber wenn es ein Dutzend gewesen waren, reicht dies aus, daß das Tuch nicht gesichert auf Jesus bezogen werden kann.
@McPane Müsste denn das Abbild nicht perspektivisch verzerrt sein; sprich: breiter erscheinen? Warum sieht man die Ohren nicht oder die Seiten des Kopfes?
Wären die Abdrücke auf dem Tuch nur dort entstanden, wo das Tuch einen direkten Kontakt mit dem Leichnahm hatte, dann hättest Du damit recht. Doch kannst Du sehen, daß die Tuchverfärbungen unterschiedlich stark ausfallen. Mal ein Objekt an, leg ein Tuch drüber und drück es überall an. Du siehst dann nur die Tuchfarbe und die vom Objekt aufgenommene Farbe, aber keine fließenden Übergänge unterschiedlicher Schattierung.
Legst Du hingegen ein Tuch über einen Menschen, so liegt dieses Tuch nicht überall direkt auf dem Körper auf. Zwischen Nase und Wangen bzw. Kinn wird das Tuch sich oberhalb der Gesichtsfläche befinden, in einiger Entfernung, nur eben auf Nase, Wange, Kinn... liegt es direkt auf. Sollte die Verfärbung nun durch die Ausdünstungen des toten Körpers verursacht sein, dann wäre sie besondes dort stark ausgeprägt, wo das Tuch direkt auflag. Aber um so geringer, je weiter sich das Tuch vom Körper entfernt befindet. Gerade am Gesicht auf dem Turiner Grabtuch kann jeder sich selbst ein Bild davon machen, wie gut die Verfärbung des Stoffes zur DIstanz paßt, wenn dieser Stoff mal über einem Gesicht ausgebreitet war.
Auch an den Kopfseiten muß das Tuch nicht aufgelegen haben. Zum einen kann es an den Seiten auf dem Untergrund des Leichnahms (z.B. mit Steinen) fixiert worden sein, sodaß es gar nicht in die Nähe der Kopfseiten gelangte. Vor allem aber ist der Mund des Gesichts geschlossen. Das deutet auf die Kopfbinde hin. Das ist ein Stück Tuchbahn, welches zwischen Kinn und Hals überdie Ohren hin zum Schädeldach führt, verknotet wird und so den Mund geschlossen hält. Bei Johannes wird ein solches Tuch erwähnt, welches im leeren Grab "aufgerollt" dagelegen hätte. Ein solches umgebundenes Objekt verhindert somit ein direktes Aufliegen des Tuches sowie Ausdünstungen. Zugleich fixiert es das Haar, sodaß es beim Liegen des Leichnahms nicht zur Unterlage hin fällt, sondern seitlich am Gesicht anliegt.
Und nicht, daß auch Du was in der Richtung fragst: Ich kenne diese Tuchbinden aus dem Krankenhaus, in dem ich gearbeitet habe, wo die Nonnen z.B. bei einer verstorbenen Ordensschwester genau solche Binden anlegten. Sozusagen "Ja, ich war dabei", als sowas gemacht wurde, und weiß, wie das dann aussieht etc.
Wieso eigentlich die Blutflecke? Hat man den Leichnam denn nicht vorm Einwickeln gesäubert? Ich glaube mich erinnern zu können, dass in einer Bibelstelle die Rede von Öl oder Balsam war. Hat man das aufs Tuch geschmiert oder doch eher den Leichnam damit behandelt? Dazu wird man ihn ja wohl vorher gereinigt haben.
Hätteste mal die entsprechenden Passagen im NT gelesen. In drei der vier Evangelien wird zur Kreuzigung ausdrücklich mitgeteilt, daß wegen des nahenden Sabbats die Gekreuzigten schnell sterben und abgenommen werden mußten. Deswegen wurde für Jesus auch ein Grab in der Nähe genommen. Alles mußte schnellschnell gehen. Und es wird ausdrücklich gesagt, daß nach dem Sabbat, ganz früh, Frauen zum Grab gingen, um Jesu Leichnahm zu salben. Und entsprechend auch zu waschen, versteht sich. Nur im vierten Evangelium, bei Johannes, wird dieser Zeitdruck nicht erwähnt, hier wird sogar mitgeteilt, daß bei der Grablege 33kg Öl (oder ölhaltige Kräuter) mit in die Leintücher gegeben wurden, in die man Jesu Leichnahm wickelte. Dennoch kommt auch bei Johannes eine der Frauen noch während der Nacht am Sonntag früh zum Grab, was ohne beabsichtigte Totenwaschung und -Salbung jetzt gar keinen Sinn mehr ergibt. Auch in der Vorlage des Johannes muß also der Plan vorgekommen sein, den Leichnahm erst nach dem Sabbat endgültig herzurichten.