Haben Bayern und Friesen dieselben Vorfahren
01.01.2005 um 15:47
>>OSTFRIESLAND
Job suchen und Tee trinken
Von Alwin Schröder <mailto:Alwin_Schroeder@spiegel.de>, Leer
Arbeitslosigkeit und Industrieflucht gibt es nicht nur in Ostdeutschland. In Ostfriesland leben die Menschen schon lange mit der Gewissheit, dass sich Jobs eher andernorts finden lassen. Trotzdem bleiben viele lieber in der Heimat, als in der Fremde Geld zu verdienen.
Leer – Als „Gastarbeiter im eigenen Land“ wurden Ostfriesen einmal in einer Fernsehdoku vorgestellt. Weil es zu Hause keine Beschäftigung für sie gab, heuerten Ende der achtziger Jahre Hunderte Facharbeiter bei Mercedes im 700 Kilometer entfernten schwäbischen Sindelfingen an. Freitags nach der Schicht setzten sie sich ins Auto, nur um für das kurze Wochenende zu Hause zu sein. „Zurück lieber heute als morgen“ lautete der Untertitel des Films über die unglücklichen heimatverbundenen Norddeutschen.
Heutzutage sind die schwäbischen Kollegen froh, dass im Zuge der Rezession wenigstens sie noch "beim Daimler schaffen" dürfen. Die Ostfriesen werden längst nicht mehr gebraucht. Sie müssen versuchen, bei einem der drei großen Arbeitgeber in der Region einen Job zu bekommen: Bei VW und den Thyssen-Nordseewerken in Emden, bei der Meyerwerft im benachbarten emsländischen Papenburg oder beim Windmühlenproduzenten Enercon in Aurich. Aber insgesamt beschäftigen diese vier Unternehmen nur rund 15.000 Männer und Frauen. Deshalb sind in den ostfriesischen Kreisen rund 13 Prozent arbeitslos. Eigentlich ist die Quote noch um rund drei Prozent höher, denn in den Statistiken sind jene Ostfriesen nicht eingerechnet, die gerade in Trainingsprogrammen oder ähnlichen mit öffentlichen Mitteln geförderten Beschäftigungsmaßnahmen untergebracht sind.
Clemens Bollen ist Bezirksbevollmächtigter der IG Metall in Leer und hat dadurch seit mehr als zwanzig Jahren Tag für Tag mit den Problemen im Land der Teetrinker zu tun. Mit Menschen, die noch eine Arbeit in ihrer Heimat haben und deshalb leidensfähiger als anderswo seien, um den Job zu behalten: "Hier gibt es oft längere Arbeitszeiten als anderswo. Wer wagt es schon, Überstunden abzulehnen?" Betriebsräte gibt es in Unternehmen meist nicht, stattdessen ist der Anteil von Leiharbeitern hoch. Und weil die Löhne in der Region niedriger seien, kämen auch Handel und Gewerbe nicht auf den grünen Zweig, berichtet Bollen.
Hausbau durch "Nachbarschaftshilfe"
Lange hatten die Ostfriesen gehofft, dass sich durch den Bau der Autobahn A 31 auch neue Betriebe im Nordwesten Niedersachsens ansiedeln würden. Nun ist der vom Ruhrgebiet nach Emden führende Highway bis auf ein kurzes Stück fertig, aber geändert hat sich in Ostfriesland nicht viel. "Die Autobahn ist da, aber die Arbeitslosigkeit durch sie nicht verschwunden", sagt Bollen.
In anderen Problemgebieten der Republik wie zum Beispiel in den neuen Bundesländern drohen ganze Regionen zu veröden. In Ostfriesland ist das anders. Touristen, die ihren Urlaub an der Nordsee auf den Inseln Norderney oder Juist oder in Küstenorten wie Greetsiel oder Dornumersiel verbringen, fallen im Land mit seinen schwarzbunten Kühen immer wieder die schmucken Häuser mit akkurat gepflegten Vorgärten auf. "Nachbarschaftshilfe" wird hier die Schwarzarbeit gerne genannt.
Die bedächtigen Ostfriesen lieben ihre Heimat offenbar mehr als anderswo. Deshalb nehmen sie auch lieber die Arbeitslosigkeit in Kauf, als Freunde und das private Umfeld aufzugeben.
"Wer hier seinen Vorgarten in Ordnung hält, wird in Ruhe gelassen", preist etwa ein Maschinenbau-Student an der Fachhochschule in Emden die Lebensqualität. Auch der 34-Jährige Familienvater aus dem Moormerland hofft, nach dem Studium in der Heimat bleiben zu können. "Einen Job findet man hier aber selten per Annonce, sondern oft nur durch Beziehungen", berichtet er. Maximal bis Bremen möchte er für die Arbeit fahren. "Es muss schon einen guten Grund geben, um ganz von hier wegzugehen", meint er. Viele seien in ihren Jobs endlos überqualifiziert. Er berichtet von einem Ostfriesen, der Schiffbauer, Flugzeuggerätemechaniker, Baumaschinenführer und Maschinenbaumeister sei und nun Wohnmobile repariere.
Auf die Politiker in Hannover, Berlin oder früher Bonn sind die Ostfriesen nur schlecht zu sprechen. Früher hieß es, CDU und CSU hätten in Aufschwungsjahren bei der Ansiedlung von Unternehmen Regionen mit überwiegend konservativen Wählern berücksichtigt, weshalb das damals "rote", protestantische Ostfriesland vernachlässigt worden sei. Jetzt bekommen auch die Sozialdemokraten in der Hauptstadt ihr Fett weg. "Die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze machen uns alles kaputt", klagt etwa Herbert Broich im kleinen Ort Burlage über die Folgen des neuen Kurses der Bundesregierung. Dabei ist Broich, jahrelang Lehrer und Bürgermeister in der Gemeinde Rhauderfehn, selbst SPD-Mitglied.
Der gebürtige Rheinländer versucht mit seinen Mitstreitern vom "Arbeitskreis Schule" seit mehr als 30 Jahren benachteiligten, straffällig gewordenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der Region zu helfen. Auf einem Bauernhof werden sie auf die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet - bislang durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und andere Fördertöpfe. "Ich verstehe nicht, dass die SPD jetzt eine solche Sozialpolitik macht", entrüstet sich Broich über den rot-grünen Kürzungskurs in Berlin.
"Wir würden die Kinder ja nicht im Hühnerstall unterbringen"
Im Stich gelassen fühlen sich auch die Kommunen. Theo Kutscher ist Kämmerer in Großheide, einer der ärmsten Gemeinden Niedersachsens. Bund und Länder würden immer mehr Aufgaben auf die Gemeinden abwälzen. In Großheide mit seinen 8500 Einwohnern, das zum Landkreis Aurich gehört, versucht man durch äußerste Sparsamkeit keine neuen Schulden zu machen. Auf 927.000 Euro beliefen sich die Verbindlichkeiten Anfang des Jahres. Es gibt kein Schwimmbad und erst seit fünf Jahren Straßenbeleuchtung.
Stattdessen gibt es in der großflächigen Gemeinde unweit der Küste jedoch Kindergärten. Für sie schreibt das Land Niedersachsen zwar die Ausstattung vor, es beteiligt sich aber nicht an der Finanzierung. "Uns wird vorgegeben, wie weit die Kleiderhaken dort voneinander entfernt sein dürfen. Aber die Kosten für die Umsetzung dieser unsinnigen Standards müssen wir übernehmen", berichtet Kutscher. "Wir würden die Kinder ja nicht im Hühnerstall unterbringen", entrüstet sich der Kämmerer.
Den Verwaltern in Großheide droht womöglich weiterer Ärger: Die Kommunen sollen ihr Buchführungssystem von der so genannten Kameralistik auf das kaufmännischere "Doppik" umstellen. "Das hat das Land sich in den Kopf gesetzt", sagt Kutscher. Auf 200.000 Euro veranschlagt er die Kosten der Einführung. "Und in zehn Jahren muss dann alles wieder umgestellt werden, weil es an das EU-Recht angepasst wird", vermutet er.
Eine Patentlösung für die permanente Krise in Ostfriesland hat niemand. "Kurzfristig ist hier nichts zu ändern", weiß auch Gewerkschafter Bollen. Ostfriesland brauche eine bessere Bildungspolitik. Die Beschäftigung zu verteilen und ein öffentliches Beschäftigungsprogramm fordert er. Es sei besser, Arbeit zu bezahlen als die Arbeitslosigkeit.
Manchmal überkommt ihn der Sarkasmus. Dann zitiert er seinen Boss Jürgen Peters: "Wir können nicht davon leben, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden."
"Die Emsländer sind pragmatischer"
Gitta Connemann ist da zuversichtlicher. Sie sitzt seit Beginn dieser Legislaturperiode als neue ostfriesische Abgeordnete im Bundestag in Berlin. Die CDU-Politikerin ist Nachfolgerin von Ex-Innenminister Rudolf Seiters. Sie gewann den Wahlkreis Unterems, der aus dem südlichen Ostfriesland und dem nördlichen Emsland besteht.
Connemann, Anwältin, Tochter eines Landwirtes und bekennende Ostfriesin, rät ihren Landsleuten, sich mit ihrem Schicksal nicht abzufinden und sich in ihrer Einstellung etwas von den benachbarten Emsländern abzugucken. "Die Emsländer sind wesentlich selbstbewusster", hat sie festgestellt. Während die Ostfriesen der EU-Erweiterung skeptisch gegenüberstünden, sähen Emsländer dies als Chance für einen neuen Markt an, gibt sie ein Beispiel für die unterschiedliche Mentalität. "Die Emsländer sind pragmatischer." Dort seien etwa Genehmigungsverfahren kürzer. Einen solchen Abbau der Bürokratie würde sie sich auch in Ostfriesland wünschen.(Quelle:SPIEGEL-Online)<<
>>...und im übrigen sind die Ost- und Nordfriesen erzkonservative Leute, die seit Bestehen der Republik wohl eher CDU gewählt haben dürften. Städte mal ausgenommen - aber da lebten denn auch weniger Friesen!
das der Beitrag über die Friesen eher humoristischer Natur war, zeigt ja wohl meine schon im Beitrag enthaltene "Entschuldigung".<<
Das mit den erzkonservativen Leuten scheint dann ja so wohl nicht zu stimmen, alter Mann, wie man dem Spiegel-Artikel entnehmen kann.
Und da ich deine Meinung zur Genüge kenne, weiß ich, daß ich deine "satirischen" Anmerkungen zu den Friesen ruhig ernst nehmen darf.