Desperadoo schrieb:Da DE alle Merkmale einer Demokratie erfüllt - doch. Demokratien gibt es in unterschiedlichen Formen, die in DE nennt sich parlamentarische Demokratie.
Wie sich etwas nennt, weil es auf dem Papier theoretisch so aussieht, als ob, und wie es de facto funktioniert, ist zweierlei.
Dass selbst eine langjährige BT Abgeordnete und allenthalben anerkannte Polit-Expertin etwas polemisch eher von Parteioligarchie spricht, und diese Entwicklung für Gefährlich hält, hab ich ja schon
hier bereits verlinkt. Zudem gibt es noch viele andere Faktoren und Indizien, die deutlich darauf hin deuten, dass weder die Gewaltenteilung zu Gunsten des Durchschnittsbürgers arbeitet, noch die Legislatur je wirklich Gesetze für die Allgemeinheit gemacht hatte, sondern alle Staatsorgane tendenziell immer nur die Oberschicht begünstigten.
Hier nachzulesen:
Kurzbeschreibung
Demokratie ist ein Verfahren, umstrittene Fragen auf eine Weise zu entscheiden, die auch den Unterlegenen als legitim erscheint. Niemand kann dabei erwarten, dass die eigene Meinung stets umgesetzt wird. Wenn allerdings die Politik systematisch den politischen Präferenzen bestimmter sozialer Gruppen folgt, wohingegen die anderer
missachtet werden, wird der Grundsatz politischer Gleichheit beschädigt.
Die neue Responsivitätsforschung untersucht, ob politische Entscheidungen mit dem Willen der Bürger_innen übereinstimmen und wenn ja, wessen Meinungen umgesetzt werden. Dabei zeigt sich in den USA eine deutlich selektive Responsivität der
Politik zulasten der Armen. In diesem Forschungsbericht untersuchen wir erstmals, ob in Deutschland ähnliche Muster in der politischen Responsivität wie in den USA festzustellen sind. Dazu werten wir 252 in den DeutschlandTrend-Umfragen gestellte Sachfragen für den Zeitraum von 1998 bis 2013 aus.
Die Fragen beziehen sich auf zum Zeitpunkt der Erhebung diskutierte Politikänderungen. Für jede dieser Sachfragen ermitteln wir, welcher Anteil der Befragten ihnen zustimmt. Dabei unterteilen wir die Befragten nach Einkommen, Beruf,
Bildung, Alter, Geschlecht und Region. In der von uns erstellten Datenbank „Responsiveness and Public Opinion in Germany (ResPOG)“ kodieren wir außerdem, zu welchem Politikfeld eine Frage zählt und ob es
innerhalb von zwei oder vier Jahren nach der Umfrage zu einer Politikänderung gekommen ist. Die Auswertung dieser Daten zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen den getroffenen politischen Entscheidungen und den Einstellungen der Bessergestellten, aber keinen oder sogar einen negativen Zusammenhang für die
Einkommensschwachen
Quelle:
https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Service/Studien/endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.pdf;jsessionid=0CF46599E71340E80E3150128D68C791?__blob=publicationFile&v=2
Desperadoo schrieb:Vielleicht solltest du noch mal nachlesen, welche Rechte das Volk hat.
Oder du liest mal nach, welche Rechte dem Volk tatsächlich zugestanden werden. Recht haben, und Recht bekommen ist auch noch mal was anderes.
Kernaussagen
Ronen Steinke deckt in seinem Buch "Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich" systematische Ungerechtigkeiten im Strafsystem auf. Für die Recherche besuchte er Haftanstalten, sprach mit Staatsanwält_innen, Richter_innen, Anwält_innen und Verurteilten. Seine These ist, dass es in Deutschland eine „Zweiklassenjustiz“ gibt, die durch bestehende Gesetze und ihre Interpretation gestützt wird. Laut seiner Analyse führen unterschiedliche ökonomische Verhältnisse dazu, dass die Justiz den Menschen entsprechend dieser Ungleichheit unterschiedlich begegnet. Zentral sind hierbei folgende Aussagen:
-Der ökonomische Status eines Menschen hat Auswirkungen auf seine Behandlung vor Gericht.
-Die Justiz begünstigt jene, die finanziell besser gestellt sind. Dieser Missstand ist jedoch in der Öffentlichkeit kaum bekannt.
-Menschen mit Migrationshintergrund sowie Geringverdiener, Alleinerziehende und Frauen sind überproportional häufig von der systematischen Ungerechtigkeit betroffen.
-Eine faire Justiz müsste die Lebensumstände der Angeklagten in den Mittelpunkt stellen und hierfür tiefgreifende Reformen am Strafsystem vornehmen.
Einordnung aus Sicht der Sozialen Demokratie
Steinke greift mit seiner Analyse die historische Diskussion rund um den Begriff der Klassenjustiz wieder auf und beschreibt, dass sich dieses Problem in den vergangenen zwanzig Jahren weiter verschärft hat. Dabei beleuchtet er vor allem die strukturellen Gründe, die im deutschen Rechtsystem begründet liegen und liefert hiermit einen wichtigen Baustein zur gegenwärtigen Klassismus-Debatte, die viele gesellschaftliche Bereiche auf Diskriminierungen untersucht. Das Bildungs- oder Gesundheitssystem sowie die Medien werden darin bereits seit Längerem thematisiert, die Justiz wurde bislang eher ausgespart. Steinkes Überlegungen weiterzudenken und mit den sozialpolitischen Hintergründen zusammenzubringen, könnte für die Soziale Demokratie sehr lohnend sein.
Quelle:
https://www.fes.de/akademie-fuer-soziale-demokratie/buch-essenz/ronen-steinke-2022-vor-dem-gesetz-sind-nicht-alle-gleich-die-neue-klassenjustiz
Desperadoo schrieb: Und Wahlen sind eben mehr als nur ein Stimmungsindikator, sie sind eines der Mittel, mit denen das Volk seine "Herrschaft" ausübt. Andere Mittel sind bspw. Verfassungsbeschwerden gegen (neue) Gesetze, siehe u.a. Beschwerden gegen Teile der Corona-Gesetzgebung, Einsatzkosten Fussballspiele, etc. Dazu kommt die Gliederung in Bund, Länder und Kommunen womit der Bürger vielfältige Möglichkeiten hat auf Entscheidungen auf vielen Ebenen Einfluß zu nehmen. Man muß es nur tun und wenn man sich die Wahlbeteiligung BTW21 anschaut, dann tun das (wieder) immermehr:
Es reicht nicht; der Bürger ist weitestgehend entmündigt, wenn letztlich alles, was er bräuchte, um sich politisch wirklich voll entfalten zu können, durch den parlamentarischen Flaschenhals ausgebremst wird, und wie es in der Satire weiter oben hieß, in den allermeisten wichtigen Fällen mit ruhiger Rückhand abgewischt wird.
Man braucht Ressourcen, um politisch wirklich Einfluss nehmen zu können. Geld, Zeit, Fachleute, etc pp.. das kann der Durchschnittsbürger innerhalb dieses Systems gar nicht wirklich in der nötigen Tiefe und Breite leisten, was benötigt würde, um richtig politische Macht aufzubauen, deshalb tritt er auch seit vielen Jahren mehr oder weniger auf der Stelle.
In kleineren Dingen wird das Gros der Bürger noch irgendwo Zugeständnisse erkämpfen können.
In den wichtigen Dingen, wie zB Fiskal- oder generell Wirtschaftspolitik wird die Masse in diesem System, das den unteren Schichten überall Knüppel zwischen die Beine wirft, vermutlich niemals was ändern können, weil das eben zu sehr an der tatsächlichen Macht der Oberschicht kratzen würde, und das ist einfach von ihr nicht erwünscht.
Desperadoo schrieb:Nennt sich Kompromisse. Wer allen ernstes erwartet eine Partei zu wählen und diese kann dann alles so umsetzen, wie es im Wahl-/Parteiprogramm steht sollte darüber nachdenken, ob er nicht ein wenig naiv ist? Denn das funktioniert bei uns nicht mal unbedingt wenn eine Partei die absolute Mehrheit im BT hätte. Und übrigens ist es auch ein Merkmal einer Demokratie, auf Minderheiten Rücksicht zu nehmen.
Was heißt hier alles? Wenn in über 70 Jahren Bundestag das allermeiste an Gesetzen nur dazu diente, um der Oberschicht die Privilegien und damit ihre Macht im Land zu erhalten, und nur dort Zugeständnisse gemacht wurden, wo die politische Lage drohte völlig zu eskalieren, weil die Masse zu unruhig wurde, dann hat das aus meiner Sicht nicht viel mit Kompromissen zu tun. Das ist das, was ich hier unter systematischer Anti-Politik verstanden wissen wollte, weil es ein Gros der Massen schlicht in ihrer politischen Entwicklung und Investiertheit in den Staat ausbremst, was das Ganze in meinen Augen antidemokratisch macht.
Es werden schon zwar immer wieder auch Wahlversprechen gehalten, ja. Aber ohnehin nur dort, wo es auch der Oberschicht am meisten nutzt, und vor allem niemals dort, wo es der Oberschicht nicht irgendwie "schadet" .. sprich, sie ihre Privilegien kostet.
Klar kann man sich das als "immerhin eine nette demokratische Errungenschaft" schön reden, weil halt immerhin etwas mehr geht, als noch ohne konstitutionelle Stützen früher, aber das Problem der Stasis, das ich weiter oben ausführlicher beschrieben hatte, hebt das ja nun nicht auf.
Wir bräuchten jetzt jede Menge Reformen bzgl Klima, Krieg, Einwanderung, Bildung, Infrastruktur, Rente, Digitalisierung, Energie, Gesundheit, etc.. ; jetzt viel Bewegung in vielen verschiedenen Bereichen, und das geht halt mit Parteien, die sich ständig gegenseitig ausbremsen, weil sie ständig gegeneinander im Wahlkampf sind, und so kaum tragfähige Koalitionen bilden können (besonders in Krisenzeiten, wo harte Entscheidungen nötig wären) nicht.
Dazu bräuchte es eben mehr Demokratie, damit nicht nur npaar gewählte Repräsentanten die Entscheidungen treffen und verantworten, womit sie offenbar völlig überfordert zu sein scheinen, und seit zig Jahren ob dieser Starre ein Weiterso promoten, sondern möglichst viele Bürger die zusammen arbeiten; .. nicht gegeneinander, weil sie das Parteisprech nachplappern, sondern tatsächlich von Bürger zu Bürger partei- und damit ideologielos sprechen, informieren, diskutieren, abwägen, entscheiden, verantworten.. dazu braucht es eine ganz andere Art von Bürgerplattformen, die eine ganz andere Kultur des Politischen Miteinander etabliert, usw usf
Warum das die Lösung aus meiner Sicht ist, und warum wir uns nur so auf Dauer gegen die Tendenz zur Bildung einer Oligarchie wehren können (siehe US Wahl), kann man auch noch mal hier ausführlich nachlesen:
https://wyriwif.wordpress.com/2018/04/23/demokratie-ohne-parteien/