Welche Partei kann man noch wählen?
15.01.2025 um 08:20Und noch mal ein Gedanke dazu, warum das derzeitige politische System der repräsentativen Parteien ausgedient hat, und so langsam mal grundlegend reformiert gehört, wenn wir die Demokratie behalten wollen. Wobei ich der Meinung bin, dass das, was wir momentan noch fahren, gar keine Demokratie ist, sondern eher eine konstitutionelle Aristokratie, in der eine kleine Gruppe von Menschen (vllt 2%) über die restlichen 98% der Bürger hinweg bestimmt .. was für immer mehr Unmut in der Bevölkerung sorgt, und was sie auch vermehrt in die Fänge von Populisten treibt.
Hier der Mechanismus dahinter etwas weiter ausgeführt; der Artikel ist von 2018, also nicht mehr ganz so taufrisch; dennoch lehrreich:
Quelle: https://wyriwif.wordpress.com/2018/08/03/das-parteiendilemma/
Heißt im Klartext: sollte der Autor recht behalten, was sich so ja immer mehr abzeichnet, werden wir immer weiter unregierbar - wie in der Weimarer Republik .. wo das geendet hatte, ist sicher bekannt.
Hier der Mechanismus dahinter etwas weiter ausgeführt; der Artikel ist von 2018, also nicht mehr ganz so taufrisch; dennoch lehrreich:
Viele glauben ja derzeit, die „konservativen“ Parteien in Europa müssten sich nur wieder beruhigen und einfach seriöse Politik machen, um Wählerstimmen zurückzugewinnen. Umfrageergebnisse wie zuletzt in Deutschland bestärken in dieser Annahme:usw..
Ich glaube das nicht. Ich halte es für realistischer anzunehmen, dass alle politischen Parteien mittlerweile in einer Dilemma-Situation feststecken, die dafür sorgt, dass sie, ganz gleich was sie tun, Wählerstimmen verlieren, und dass das Parteienspektrum immer mehr zersplittert, zerstückelt und zerfasert. Dass also die Zeit der „Volksparteien“ unweigerlich vorbei ist und auch nicht mehr zurückkehren wird.
Den Mechanismus hinter dieser Entwicklung stelle ich mir folgendermaßen vor:
Wenn Parteien extreme Meinungen vertreten, die eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit garantieren, werden sie unwählbar für den gemäßigten Teil der Bevölkerung, der die Masse der Wähler ausmacht.
Wenn Parteien aber gemäßigte Meinungen vertreten, die keine Grenzüberschreitungen beinhalten, kein Skandalpotential, verlieren sie ihren Markenkern. Die unmittelbare Frage, die sich damit verbindet ist: „Wofür genau brauchen wir diese Partei nochmal genau? Wofür steht sie?“
Letzteres ist in Deutschland der SPD passiert. Die Annahme, konservative Parteien müssten einfach nur cool bleiben und seriöse Politik machen (was auch immer das unter heutigen Bedingungen genau heißen soll) ist daher insofern unzutreffend, als sich die Mechanismen der Öffentlichkeit verschoben haben: Wer auf „Staatspartei“ macht, indem er tendenziell kompromissfähige oder gemeinwohlorientierte Politik vertritt, marginalisiert sich genauso selbst, wie es eine Partei tut, die mit Extrempositionen und gezielten Tabubrüchen Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Das Neue unserer Situation liegt darin, dass man mit solchen Tabubrüchen überhaupt nennenswerte Wähleranteile gewinnen kann. Und da das so ist, und es in unserem Politiksystem für Parteien einzig und allein um die Maximierung ihres Anteils am Wahlabend-Stimmkuchen geht, wird auch immer irgendeine Partei da sein, die diese Tabubrüche für sich benutzt. Heutzutage wird immer irgendwer in Trump-Manier eine Kampagne fahren. Ganz einfach, weil es sich gezeigt hat, dass man auf diese Weise Wahlen gewinnen und nennenswerte Stimmenanteile auf seine Seite ziehen kann. Auch die Zahl der Macrons wird zunehmen, also Menschen, die mit Geld und Charisma, aber ohne eigene langjährig aufgebaute Parteibasis nach Wählerstimmen fischen. Aber auch diese neuen Akteure haben nur die Wahl zwischen „Inszenierung von Tabubruch“ und „Staatstragender Inszenierung“. Auch sie entkommen dem Parteiendilemma nicht:
Entweder vergrault man die Wählermassen dadurch, dass man zu pointiert, zu polemisch auftritt. Oder man vergrault sie dadurch, dass man zu wenig pointiert, zu versöhnlerisch auftritt. Möglichkeiten, Massen an Wählerstimmen zu gewinnen, „Mehrheiten“, gibt es nicht mehr. Auf diese Weise bekommt man systematisch ein zerstückeltes Parteienspektrum, das nach heftigen, polemischen Auseinandersetzungen („Bekämpfung des politischen Feinds“) wieder zu einer schiedlich-friedlichen Regierung zusammenfinden soll, in der nicht eine jede Partei der anderen das politische Messer in den Rücken zu bohren versucht. So wie früher. Falls es diese parteipolitik-ideale „Früher“ denn wirklich einmal gab.
Heute jedenfalls endet der Wahlkampf gar nicht mehr. Auch nicht, wenn die Wahl gelaufen ist. Und auch nicht, wenn man es selbst als Partei an die Regierung geschafft hat. Wer als Partei nicht immer schon auf die nächste Wahl schielt, verliert. Genauer: Wer seriöse Politik macht, verliert mehr. Wer wahlfixiert agiert, verliert auch, aber wahrscheinlich weniger als diejenigen die „brav bleiben“, weil sie noch nach den alten Regeln spielen.
Wir beobachten diese Entwicklung heute weltweit in Ländern mit fest etablierten Parteiwahlen, die davor jahrzehntelang recht gut funktioniert haben. Ich halte das Parteiendilemma daher für einen Systemeffekt, mit dem mittlerweile fest zu rechnen ist. Mit dem also auch vormalige „Volksparteien“ fest zu rechnen haben. – Nur hilft ihnen diese Einsicht in die neuen Spielregeln nicht viel, denn sie haben einfach keine guten Optionen mehr in diesem neuen Spiel.
Egal, was Parteien heute tun: Ob sie sich staatstragend geben oder ob sie vorspielen, sie seien „gegen das Establishment“ (um selbst ein Stückchen Establishment zu werden, aber eben nur ein Stückchen), sie können unter heutigen Bedingungen nur noch ein Stückchen vom Wahlkuchen gewinnen.
Dass wir daher „italienische Verhältnisse“ bekommen: Ein Parteiensystem mit immer noch mehr Parteien und keinerlei „Staatsparteien“ mehr „in der Mitte“, erscheint mir daher ausgemacht.
Nun könnte man sagen: Was ist denn so schlimm daran? Vielleicht ist das ja auch eine gute Entwicklung? Eine Belebung unserer Demokratie?
Schaut man aber heute nach Italien, wo es eine solche Situation schon etwas länger gab, sieht man, dass es unter heutigen Bedingungen nicht gerade eine wünschenswerte Situation ist, in einer Demokratie zu leben, die die gesellschaftliche Vermittlungslast Parteien aufbürdet. Also politischen Größen, die vom System dazu vorgesehen sind, gegen einander anzutreten und miteinander um Wählerstimmen zu konkurrieren – und die dann doch irgendwie, man weiß nicht wie zu einer stabilen Regierung zusammenfinden sollen.
Parteien können die fortgeschrittene gesellschaftliche Dynamik heute nicht mehr auffangen. Egal wie sie sich drehen und wie sie sich wenden: Sie sind gefangen in einem System, in dem Konkurrenz und Kooperation in einer Weise aufeinanderprallen, die handlungsfähige, stabile Regierungen sehr unwahrscheinlich machen.
Quelle: https://wyriwif.wordpress.com/2018/08/03/das-parteiendilemma/
Heißt im Klartext: sollte der Autor recht behalten, was sich so ja immer mehr abzeichnet, werden wir immer weiter unregierbar - wie in der Weimarer Republik .. wo das geendet hatte, ist sicher bekannt.