"Kinderärzte: Eingriff oft nicht fachgerecht"
https://m.aerzteblatt.de/news/86976.htmDerweil sind medizinischen Leitlinien zu Phimose und Paraphimose sind in einer neuen Version erschienen:
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/006-052.htmlSie bildet den Konsens von folgenden Fachgesellschaften ab:
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) (federführend)
- Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
- Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie
[li]Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland[/li]
An diesen muss sich die "ärztliche Kunst" messen lassen. Schauen wir mal an, was Stand 2017 so alles zur ärztlichen Kunst gehört:
Das Präputium ist ein physiologischer Bestandteil des männlichen äußeren Genitales mit
zahlreichen unterscheidbaren Funktionen. Die operative Entfernung (Zirkumzision) bedarf in
unserem Rechts- und Wertesystem einer medizinischen Indikationsstellung. Diese
unterscheidet sich hinsichtlich ihres Anspruches nicht von der anderer operativer Eingriffe.
Also keine Indikation, keine Operation oder umgekehrt: Ein Arzt, der ohne Indikation auf Elternwunsch operiert, handelt wie bei jedem anderen Eingriff unethisch und nicht konfrom zu den medizinischen Richtlinien.
Eine Diagnose Phimose bei beschwerdefreien Kindern im Alter von wenigen Jahren ist völliger Unsinn:
Im Alter von sieben Jahren kann etwa die Hälfte der Knaben das Präputium
wenigstens weitgehend zurückstreifen. Mit 10 Jahren sind es etwa zwei Drittel. In diesem
Alter hat also noch etwa 1/3 entwicklungsbedingt eine mindestens partielle Enge oder
Verklebung. Selbst im Alter von 13 Jahren muss man bei acht Prozent der Jungen noch mit
einer entwicklungsbedingten Vorhautenge rechnen.
D. h. auch im höheren Alter ist die natürliche Phimose noch oft anzutreffen und keinesfalls pathologisch:
Die Pathologie kann nicht über das Vorliegen einer Enge per se definiert werden,
sondern nur durch das Vorliegen meist sekundärer Störungen (z.B. rezidivierende
Balanophostitiden(N48.-)) oder Beschwerden mit Krankheitswert. (starker Konsens)
Bis zum Abschluss(!) der Pupertät ist eine Vorhautverengung keine Indikation zur operativen Therapie:
Vom Kleinkindalter bis zum Abschluss der Pubertät bleibt die Indikation zur Behandlung
einer primären Vorhautenge (N47.-) auf wenige Indikationen beschränkt. Auch
anamnestische rezidivierende Balanitiden beim Säugling oder Kleinkind sind zunächst keine
Indikation zur Zirkumzision. Vorhautverklebungen oder Smegmaretentionszyten müssen
nicht behandelt werden.
Bei klinischer Beschwerdefreiheit sollen Vorhautverklebungen oder Smegmaretentionszysten keine Indikationen zur (konservativen oder operativen) Behandlung sein. (starker Konsens)
Auch bei einer Indikation sind vor einer Operation vorhauterhaltende Therapien anzuwenden:
Vor einer operativen Therapie (Zirkumzision) soll zunächst eine topische Behandlung
der Vorhaut mit einer steroidhaltigen Salbe oder Creme vorgenommen werden.
(starker Konsens)
Erst nach erfolgloser konservativer Therapie soll bei Fortbestehen der Phimose und
der Beschwerden die Zirkumzision durchgeführt werden. (starker Konsens)
Die Operatioin ist unter Allgemeinanästhesie durchzuführen, eine lokale Betäubung reicht nicht und vor allem ist EMLA und Zuckerwasser völlig unzureichend:
Die Operation soll in Allgemeinanästhesie erfolgen, ergänzt durch regionalanästhetische Verfahren (Peniswurzelblock, zirkuläre Infiltration, alternativ Kaudalblock), da nicht-invasive analgetische Maßnahmen wie z.B. die Anwendung lokalanästhetischer Salben (z.B. EMLA®) zur Schmerzbekämpfung nicht ausreichend
sind. (starker Konsens)
Die Komplikationsraten liegen zwischen 5 und 10 %:
Die berichteten Komplikationsraten betragen zwischen 2 und 10 % (Williams und Kapila 1993), in einem qualifizierten kinderchirurgischen Zentrum immerhin noch 5,1 % (Thorup 2013).
Also jenseits allem, was man als zulässiges Risiko ansehen könnte.
Vor durchgeführter Zirkumzision soll darüber aufgeklärt werden, dass durch den bei
der Beschneidung resultierenden Hautverlust es zu einem Sensibilitätsverlust
kommen kann, der wiederum möglicherweise das spätere Sexualleben beeinflusst.
(starker Konsens)
Die Entfernung der Vorhaut kann also zu einem Sensibilitätsverlust führen, der sich natürlich vor allem im fortgeschrittenen Alter mit der sowie voranschreitenden Desensibilisierung bemerkbar macht.
In West-Europa soll die (Routine-)Zirkumzision nicht als präventive Maßnahme zur Infektionsverhütung sexuell übertragbarer Krankheiten durchgeführt werden. Dies gilt aus epidemiologischen Überlegungen sowie im Hinblick auf die Übertragungsmechanismen auch für die Übertragung von HIV. (starker Konsens)
Zirkumzision ist also kein Mittel der HIV Prävention.
Die (Routine-)Zirkumzision soll nicht als präventive Maßnahme im Hinblick auf die
Entwicklung eines Peniskarzinoms durchgeführt werden. (starker Konsens)
Sie ist auch kein geeignetes Mittel zur Verhinderung von Peniskarzinom.
Das ist also derzeit die Definition der "ärztlichen Kunst" in Deutschland. Wie das irgendwie mit der in §1631d BGB geforderten ärztlichen Kunst zusammenpassen soll, wird wohl niemand so richtig plausibel erklären können. Augen zu und durch, sind ja nur Jungs.