Quiron schrieb:Der Vorwurf der Untreue ist an sich lächerlich. Der Vorstand der Grünen war absolut berechtigt, die Vorona-Zahlungen an die Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle zu genehmigen. Es ist nur den internen Rechnungsprüfern aufgefallen, dass an den Vorstand fehlerhafterweise zu viel ausgezahlt worden ist. Der Fehler wurde korrigiert und das Geld zurückgezahlt.
Meiner Ansicht nach verhält es sich so:
Der Vorstand einer Partei ist logischerweise, und wie du richtig anmerkst, berechtigt und auch beauftragt, alltägliche Rechtsgeschäfte im Namen der Partei abzuschließen: er kann, und soll, z.B. Kaufverträge abschließen, Immobilien anmieten, Handwerker oder Dienstleister beauftragen und so weiter, und eben auch Arbeitsverträge schließen und auflösen, mit allen dazugehörigen weiteren Geschichten wie z.B. Abmahnungen oder eben auch der Bewilligung von Sonderzahlungen. Das ist soweit völlig unstrittig.
Jetzt ist der Vorstand selbst der innerparteilichen Demokratie unterworfen: heißt nichts Anderes, als dass der Vorstand von einem Parteitag oder einer Vollversammlung, einem Mitgliedervotum oder dergleichen -was genau regelt die Satzung- bindend beauftragt werden kann, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen. Auch das ist unstrittig.
Wenn jetzt eine Entscheidung ansteht, bei der der Vorstand
keiner solchen Bindung unterliegt, weil es keinen eindeutigen Parteibeschluss gibt, und es auch keine Möglichkeit gibt diesen einzuholen oder es nicht sinnvoll ist dies zu tun weil es vom Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht vertretbar ist ist der Vorstand angehalten, nach dem mutmaßlichen Willen der Partei zu handeln, also sich die wahrscheinliche Meinung der Partei z.B. anhand bestehender Beschlüsse abzuleiten, Grundsatzerklärungen der Partei auszulegen und dergleichen - dabei muss er aber gleichzeitig nach Treu und Glauben handeln und Schaden von der Partei abwenden.
Im vorliegenden Fall ist für den Untreue-Vorwurf folgendes zu prüfen:
- Darf ein Vorstand grundsätzlich Sonderzahlungen bewilligen? Ja, das ist eine seiner üblichen Aufgaben.
- Darf er das auch für Sonderzahlungen an sich selbst? Ja, solange diese sozialüblich, nicht sittenwidrig und nicht parteischädigend sind: Alles hier unstrittig der Fall - vergleichbare Personen in vergleichbaren Positionen erhalten ähnliche Zahlungen, die Höhe der Sonderzahlung ist nicht ungewöhnlich, sowohl relativ als auch absolut, und in Anbetracht der Tatsache dass die Grünen eine etablierte Partei mit vielen Mitgliedern, großen Spendeneinnahmen und erklecklichem Vermögen sind ist eine Summe von ~10.000€ auch nicht als parteischädigend anzusehen, weil sie eine angemessene und verkraftbare Größenordnung nicht überschreitet.
-Jetzt die entscheidende Frage:
Hat der Parteivorstand -als Organ- seine Entscheidungsgewalt hier jetzt nur aufgabengemäßg
gebraucht oder hat er sie
missbraucht? Ohne den Missbrauch gibt es auch keine Untreue, weil es sich dann um eine ganz normale Ausübung von Amtsaufgaben handelt.
Und das hängt meiner Meinung nach daran, ob die Grünen irgendwann mal beschlossen haben, dass bei Sonderzahlungen die genannte Summe von 300€ nicht überschritten werden
darf, also als Muss-Regel, oder ob sie nur nicht überschritten werden
soll als reine Empfehlung.
Im ersten Fall hätte die Vorstandsentscheidung sich über einen Parteibeschluss hinweggesetzt und der Tatbestand wäre möglicherweise realisiert; im Fall einer reinen Soll-Regelung liegt es meiner Ansicht nach noch im Ermessensspielraum des Vorstands, von dieser Vorgabe im Einzelfall begründet abzuweichen. Es wäre ja auch leicht zu argumentieren, dass die Soll-Regelung für "normale" Weihnachtsgelder und dergleichen gedacht ist und deswegen in der zusätzlichen Belastungssituation Corona einmalig begründet von der Vorgabe abgewichen wird.
Soweit meine theoretischen Betrachtungen - praktisch können wir es nicht wissen, ohne den Wortlaut parteiinterner Regelungen zu kennen.