Hier ging es ja noch hoch her, also versuche ich mal meine Gedanken dazu aufzulisten.
@kleinundgrün kleinundgrün schrieb:Dann behandeln wir jeden Kritikpunk nach und nach. Diskutieren, welche Schlüsse daraus zu ziehen sein könnten.
Ein sehr guter Vorschlag. Zum ersten Punkt kann man noch anführen, dass man ja mal sammeln könnte, was genau für Vorwürfe im Raum stehen. Bei den angeführten Fällen bisher lief es ja ausnahmslos so ab, dass Laborwerte von Ärzten gefälscht wurden bzw. tatsächlich vorliegende Krankheiten schlimmer dargestellt worden sind und so die eigenen Patienten höher auf der Liste rutschten.
Daraus wird dann hier von den Kritikern plötzlich "Reiche werden bevorzugt". Mir gefällt auch nicht, was passirrt ist, aber wenn es jemanden gibt, der bereit ist, Regeln zu brechen, kann man dies wohl kaum verhindern. Sonst gäbe es ja keine Verbrechen...
Daraus abzuleiten, keine Organspenden mehr zu machen, finde ich bedenklich. Es gibt leider immer ein Risiko. Wenn wir alles versuchen hundertprozentig abzusichern, werden wir handlungsunfähig.
Weitere Kritikpunkte betreffen nun Hirntod, Schmerzempfinden etc. Aber hier sollte vielleicht ein Kritiker das präzisieren.
@LuciaFackelLuciaFackel schrieb:EEG Nulllinie. Ganz einfach.
Wow, bei solch atemberaubender Ignoranz fehlen mir erstmal die Worte. Da schreiben sich einige hier die Finger wund, es geht seitenweise um Hirntoddiagnostik und dann so ein Satz von dir. Ich hoffe, du weisst nun, dass da noch einiges mehr dazu gehört, nämlich eine komplizierte Stufendiagnostik mit Ausschluss vieler anderer Zustände.
LuciaFackel schrieb: Ich kenne eine Organempfängerin, nämlich eine (Ex-)Alkoholikerin, die eine neue Leber bekam, und ein Arbeitskollege kennt einen finanziell sehr potenten Menschen, der innerhalb einer unglaublich kurzen Zeit ein Spenderorgan bekam...
Interessant, ich kenne auch viele Menschen. Darunter reiche Leute, die gar kein Organ bekamen und bis zum tödlichen Schlaganfall an der Dialyse hingen. Ach, da lag auch mal ein arbeitsloser Lackierer in meiner damaligen Klinik, der bekam nach wenigen Tagen eine Split-Leber. Schon verrückt, was es so gibt.
Alkoholkranke sollen übrigens sechs Monate trocken sein, um in Frage zu kommen. Aber es gibt auch gute Daten, die zeigen, dass es vielleicht auch früher geht mit niedrigen Rückfallquoten.
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1105703@neechee der hirntod ist kein faktum , er sit eine theorie mit beunruhigend vielen offenenen fragen...
Nein, das ist nicht richtig. Er ist keine Theorie, er ist ein Konzept. Dieses kann man gut oder schlecht finden. Aber die
methodische Verlässlichkeit der Hirntodfeststellung (hier gehe ich von den Verhältnissen in Deutschland aus) ist gesichert und weitgehend unumstritten. Dass es mal wieder Einzelstimmen gibt (meist Ethiker, Geistliche, Anthropologen etc.), die das Gegenteil behaupten, ist klar. Sie stützen sich aber nicht auf verlässliche Daten, sondern oftmals nur auf ihr Gefühl.
Wenn man sich also an das Protokoll hält, ist die Diagnose sehr sicher, so sicher, dass es bis heute in der medizinischen Fachliteratur keine dokumentierte Fehldiagnose gibt.
D. h. nicht, dass man das Konzept akzeptieren muss. Es gibt viele Leute, die glauben, man sei erst tot, wenn man verrottet in einer Kiste liegt.
Welche Aspekte aus anderen Ländern meinst du eigentlich (GB, Niederlande etc.)? Und findest du diese gut oder schlecht. Du verweist immer wieder auf die Links, aber danach soll man deine Gedanken dazu erraten. GB ist für mich ein schlechtes Beispiel, denn da reicht der Hirnstammtod (bis vor kurzem zumindest). Das finde ich furchtbar.
mir geht es um sterben .. um bewusstsein .
mir geht es um die bewertung von leben.
Das sind ja andere Punkte. Da muss man unterscheiden. Diese Punkte kamen hier bisher zu kurz von den meisten Kritikern. Gegen solche Einwände kann man eigentlich auch wenig sagen, da wird es nie einen definitiven Konsens geben. Vielfach wird kritisiert, dass die Hirntoddefinition den Menschen lediglich auf seine Hirnfunktionen reduziert. Paradoxerweise sind das oft diesselben Personen, die vehement vertreten, dass Schmerz noch möglich sei beim Hirntoten, weil "da mal eine EEG-Zuckung" war.
Vielfach wird auch gerne übersehen, dass der Tod nicht punktuell gesehen werden kann, sondern ein Kontinuum darstellt. Deshalb fällt eine genaue Definition auch so schwer.
Früher waren Leute tot, wenn der Herzschlag und die Atmung ausgefallen waren. In den Zeiten der Intensivmedizin hat man sich auf einmal gewundert, dass man Leute wiederbeleben kann. Bei ausreichender Hypothermie auch mal nach einer Stunde ohne neurologische Folgeschäden übrigens möglich. Der althergebrachte Tod war plötzlich reversibel.
Wasnn gibt es kein zurück mehr? Sobald der Hirntod eingetreten ist. Das kann vor Herzstillstand passieren (nur unter ITS-Bedingungen) oder danach. Man ist nach einem Herzstillstand erst wirklich tot, wenn die Ischämie-Zeit so lang war, dass das Hirn zerstört ist.
Die Kombination Hirntod plus Transplantationsmöglichkeit ist ja ein überaus seltenes Ereignis. Ich finde das Risiko, dabei Schmerz zu empfinden so klein, dass ich es nicht einmal beziffern kann. Ich will aus lauter Angst und Sicherheitsbedürfnis nicht handlungsunfähig sein. Es gibt soviele Unwägbarkeiten im Leben, da wird man ja sonst verrückt.
Jeder darf das hier ja selbst entscheiden. Mir widerstrebt es aber meine Organe verbrennen oder verwesen zu lassen, wenn die Möglichkeit besteht recht einfach anderen zu helfen. Da habe ich einfach humanistischen Idealen verschrieben.
und einen sympathischen reiz beim einschneiden in die abdominalhaut wäre mir neu ....
und
ich habe unzähligen operationen beigewohnt . einen derartigen unmittelbaren frequenzanstieg nach ansatz des hautschnitts kenne ich nur und ich betone nochmals nur aus unzureichend tiefer narkotisierung.
Diese Reizung des Sympathikus ist hinlänglich bekannt. Jedes halbwegs vollständige Lehrbuch der Neurologie geht darauf ein. Ich habe ihn ja auch in meiner Antwort erklärt.
Dieser sorgt ja auch für Reaktionen beim Gesunden. Daher auch der erwähnte Frequenzanstieg. Nur ist der Unterschied, dass beim Hirntoten vermittelte Reize ja keinen Bestimmungsort mehr vorfinden. Thalamus, Formatio reticularis, Cortex etc. sind ja zerstört.
ich kenne die studien zum hirntod zur genüge und es gibt eben zu viele, die einer eindeutigkeit widersprechen.
Was meinst du in diesem Zusammenhang mit Eindeutigkeit und welche Studien meinst du?
ausserdem ging es mir nicht vorrangig um ein evtl bestehendes schmerzempfinden was im übrigen keinesfalls von allen studien als nicht existent beschrieben wird.
Hast du Beispiele für diese Studien? Es mag einzelne Aufsätze geben, die aussagen, dass Schmerz nicht hunderprozentig ausgeschlossen werden kann (was im Leben ja nie zu 100% geht). Aber die Studien dazu würde ich gerne mal lesen.
medizin braucht ethik ... medizin braucht philosophie.. medizin braucht kritische geister.
ohne diese regulatoren läuft sie aus dem ruder.
Ich stimme dir vollkommen zu, deshalb ist ja auch eine Diskussion wie hier wichtig, solange sie redlich geführt wird.
Bin ein wenig in Eile, mal sehen, ob mir später noch mehr einfällt.