Das Interview ist überschrieben mit
'Eine konspirative Einrichtung des Verfassungsschutzes?'
Das ganze Gespräch im unteren Link.
Reinhard Jellen:
Beim Mord an Halit Yozgat in einem Internet-Café 2006 in Kassel, wo die gleiche Pistole wie bei den anderen NSU-Morden zum Einsatz kam, will kein Zeuge Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt gesehen haben. Dafür wurde ein der rechten Szene zuordenbarer ehemaliger V-Mann namens Andreas Temme kurz vor dem Mord am Tatort gesichtet, der sich selbst wiederum nach der Tat nicht als Zeuge gemeldet hat. Wird nun gegen diesen V-Mann ermittelt und wurde schon einmal erwogen, dessen Aussagen in Zweifel zu ziehen?
Rolf Gössner:
Andreas T. war kein V-Mann aus der Naziszene, sondern V-Mann-Führer, also angestellter Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Land Hessen, der selbst V-Leute aus der rechtsextremen Szene betreute und führte. Er war zumindest an einem der Tatorte der Mordserie nachweislich anwesend: in besagtem Internetcafé in Kassel am 6. April 2006, während der Betreiber des Cafés, der 21jährige Halit Y., hinter der Theke mit einer schallgedämpften Waffe durch zwei Kopfschüsse regelrecht hingerichtet wurde.
Nebenan telefonierten und surften sechs Menschen im Netz, fünf davon meldeten sich später, nach einem öffentlichen Zeugenaufruf, bei der Polizei – nicht jedoch der sechste, der sich erst später, nach Auswertung von Daten- und DNA-Spuren, als der "Verfassungsschützer" und "Waffennarr". Andreas T. herausstellte.
Nachdem er als Verdächtiger vorläufig festgenommen wurde, behauptete er gegenüber der Polizei, sich rein zufällig und privat am Tatort aufgehalten und keine Schussgeräusche gehört zu haben. Bei einer Durchsuchung seines Büros im hessischen Verfassungsschutz, seiner Wohnung und der seiner Eltern fanden die Ermittler Hinweise auf eine rechtsextreme Einstellung des verdächtigen Verfassungsschützers: (legale) Lang- und Kurzwaffen – er war Sportschütze – und illegale Munition, ein Buch über Serienmorde, Auszüge aus Hitlers "Mein Kampf" und NS-Devotionalien. In seinem Heimatort Hofgeismar kannte man Andreas T. unter seinem Spitznamen "Klein Adolf".
Dieser Mann, der sich schon in seiner Jugend- und Schulzeit "intensiv für den Nationalsozialismus interessiert hatte", so die stellvertretende Leiterin der hessischen Geheimdienstbehörde, Catrin Rieband, war der üblichen Sicherheitsüberprüfung für Verfassungsschutzbedienstete unterzogen worden - und konnte dennoch zwölf Jahre lang für den Verfassungsschutz Hessens arbeiten und V-Leute in den Bereichen "Ausländerextremismus" und "Rechtsextremismus" führen.
Ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren ist 2007, trotz vieler offener Fragen, wieder eingestellt worden, ebenso das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren. Nur für die illegale Munition musste er wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eine Geldstrafe von 800 Euro bezahlen. 2007 ist er zum Regierungspräsidium Kassel versetzt worden.
2012 wurde bekannt, dass die polizeilichen Ermittlungen im Fall des ehemaligen V-Mann-Führers Andreas T. aus "Quellenschutzgründen" von Seiten seines damaligen Arbeitsgebers, des Verfassungsschutzes, und des damaligen hessischen Innenministers Bouffier (CDU; heute hessischer Ministerpräsident) massiv behindert worden sind – ein typisches Beispiel für den Geheimhaltungszwang von Geheimdiensten.
http://www.heise.de/tp/artikel/38/38063/1.htmlAndreas Temme, 'angestellter Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Land Hessen' ... also
Schlapphut, Agent, Waffensammler mit braunen Ansichten und braver Beamter: